Spinnen: Netzwerker mit Imageproblemen

Sie haben Beine bis zum Hals, sind stubenrein und machen keinen Lärm, dennoch habe sie ein Imageproblem: Spinnen. Vielleicht liegt es daran, dass man ihnen so schlecht in die Augen schauen kann, denn die meisten Arten haben gleich acht davon. Da verliert so mancher Beobachter schon mal die Orientierung.

Dass sie keiner Fliege etwas zuleide tun, kann man zwar nicht gerade behaupten, aber ihre Gefährlichkeit wird weit überschätzt: Giftig sind zwar fast alle, aber für Menschen stellen sie normalerweise keine Gefahr dar.

Potenziell gefährlich für den Menschen sind wohl nicht mehr als zwei Dutzend Arten. Sie leben vor allem in den Tropen. Ihre nordischen Vertreter sind eher harmlos — zumindest wenn man keine Mücke ist.

Unter Verdacht: Nach Bissen der Braunen Violinspinne kam es in Italien zu Todesfällen. © Macrolife / Stock-Getty Images

Das gilt auch für die (inzwischen) bei uns heimische „Spinne des Jahres 2023“, den Ammendornfinger. Sie gilt als die giftigste Spinne Deutschlands. Sie schnappt äußerst selten zu, aber wenn, dann fühlt es sich an wie ein Wespen- oder Bienenstich. Das tut weh und wenn es dumm läuft,  kann es Juckreiz, Übelkeit und leichtes Fieber auslösen. Das wars dann aber auch schon.

Kommt es wirklich zu Todesfällen, wie zuletzt in Italien nach Bissen der Braunen  Violinspinnen, spielen oft Vorerkrankungen, bakterielle Infektionen oder allergische Reaktionen eine Rolle.

Vampire im Anmarsch

Kein wirklicher “Netzwerker”: Die Nosferatuspinne. Sie ist kein Netzjäger, sondern überwältigt ihre Opfer im Sprung. Mit ausgestreckten Beinen misst sie bis zu sechs  Zentimetern. Inzwischen ist sie auch in Deutschland heimisch, aber das ist kein Grund zur Panik. © IMAGO / Panthermedia-membio

Beruhigend für Arachnophobiker: Hierzulande ist die Violinspinne noch nicht aufgetaucht. Dafür breitet sich ein anderer unheimlicher Vertreter der Achtbeiner aus: Die Nosferatu Spinne. Ihren Namen erhielt die Spezies aufgrund der auffälligen Zeichnung auf dem Vorderleib. Mit viel Phantasie erinnert das Muster an den gruseligen Vampir aus dem berühmten Vampir-Film „Symphonie des Grauens“. Im Unterschied zu dem Blutsauger ist das Tier harmlos. Ihr “Netzwerk” in Deutschland wächst, obwohl sie gar keine Netze webt. Inzwischen wurden hierzulande mehr als 35.000 Exemplare gesichtet. Sie  stammen aus dem Mittelmeerraum. Die zugewanderten Tiere gehen nicht auf die Netzjagd, sondern attackieren ihre Opfer im Sprung. Trotzdem produzieren auch sie seidene Fäden, um sich gegebenenfalls wie Spiderman von Hindernissen abzuseilen. Zudem nutzen sie die Technik, um ihren Kokon mit ihren Eiern einzuweben.

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Vielfraß: Spinnen fressen Millionen Tonnen Beute

Auf diese Weise verputzen sie gewaltige Mengen. Es werden zwar immer mal wieder vegetarische Achtbeiner beobachtet, aber die meisten verschmähen pflanzliche Kost. Forscher schätzen, dass Spinnen jährlich zwischen 400 und 800 Millionen Tonnen an Beute verzehren — und damit mehr Fleisch fressen als die gesamte Menschheit. Kaum zu glauben!

Wer zweifelt, der möge bedenken, dass die Ordnung der Webspinnen mehr als 52.000 Arten umfasst. Nimmt man die Verwandten, wie Milben (inkl. Zecken), Weberknechte, Pseudoskorpione und Skorpione dazu, gehören sogar mehr als 120.000 Spezies zu den Arachniden, den Spinnentieren.

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Kannibalismus bei Spinnen: Liebe bis zum Tod

Wenn es um etwas zu Beißen geht, sind die Krabbeltiere nicht sonderlich wählerisch. Auch dies ist ein Kapitel, das ihnen nicht gerade Sympathiepunkte einbringt: Kannibalismus. Berüchtigt sind die Schwarzen Witwen. Nicht nur Spinnendamen dieser Arten haben ihre Liebhaber häufig zum Fressen gern und verspeisen ihren Galan nach getanem Liebesdienst. Allerdings trifft man dieses mörderische Nachspiel nur bei Arten, bei denen die Männchen viel kleiner sind als ihre Bräute.

Zur Ehrenrettung der Spinnenmamas sei erwähnt, dass viele nicht wesentlich länger überleben als die Väter. Nach der Eiablage dienen sie nicht selten dem eigenen Nachwuchs als Futter.

Nicht alle Spinnen sind Einzelgängerinnen. In Afrika und Lateinamerika bilden einige Arten auch Kolonien und weben riesige Netze. © IMAGO /Nature Picture Library

Hirngespinnste in der Yucca-Palme

Apropos Eiablage: zu den Legenden des Alltags gehört die Geschichte von der Spinne in der Yucca-Palme, die ihre Eier unter die menschliche Haut legt. Der Nachwuchs schlüpft dann später aus pickelähnlichen Kratern. Spinnerei und ein typischer Fall von Täter-Opfer-Umkehr!

Der Tarantula-Falke ist weder Vogel noch Spinne, sondern eine Wespe, die ihre Eier in Vogelspinnen ablegt. ©IMAGO/Pond5/Images

In Wirklichkeit pflegt diese Praxis der Tarantula-Falke und der ist weder Spinne noch Vogel, sondern ein Insekt. Die Opfer: ausgerechnet Vogelspinnen. Die werden durch das Gift der Wespe gelähmt, in die Bruthöhle geschleppt und bei lebendigem Leib von der Insektenbrut vertilgt. Pfui Spinne!

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Die kunterbunte Welt des Wasserstoffs

Noch basiert Wasserstoff zu 98 Prozent auf fossilen Quellen. Aber das könnte sich ändern. Je schneller, desto besser.

In Lingen im Emsland ging kürzlich eine Pilotanlage zur Produktion von grünem Wasserstoff an den Start.  Es dürfte nicht die letzte Anlage dieser Art bleiben, denn der Run auf den Stoff, aus dem die energiepolitischen Träume sind, steht erst am Anfang.

Dabei ist die Technik, Wasser, durch elektrischen Strom in Sauerstoff und Wasserstoff zu zerlegen und diesen als Energieträger zu nutzen schon ziemlich alt. Die erste Elektrolyse gelang schon 1789. Eine Idee, die schon Jules Verne, den Großvater aller Science Fiction Autoren, inspirierte. In seiner Story „Die geheimnisvolle Insel.“ entwickelte er die Vision vom Wasserstoff als „Kohle der Zukunft“.

Schon Jules Verne träumte davon, Kohle durch Wasserstoff zu ersetzen. © iStock-GettyImages

Das ist 175 Jahre her, und seitdem hatte sein Traum immer mal wieder Konjunktur. Mal ging es darum, die Abhängigkeit von ausländischen Rohstofflieferanten zu verringern, mal stand der Einsatz in der Raumfahrt im Vordergrund.

Von Klimakrise war zu Jules Vernes Zeiten noch nicht die Rede. Aber spätestens seit die Erderhitzung immer brutaler zuschlägt und sich die Weltgemeinschaft zum Abschied von fossilen Energien verpflichtet hat, wird immer deutlicher, dass in naher Zukunft kein Weg am Wasserstoff vorbeiführt.

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Ein ziemlich bunter Energieträger

Das Problem: Bislang wird der Energieträger zum Großteil mit Strom aus fossilen Quellen produziert. Dieser graue bzw. schwarze Wasserstoff führt nicht zu weniger, sondern zu mehr Emission. Bei so genanntem grünem Wasserstoff aus regenerativen Quellen ist das anders, doch der ist knapp und teuer.

Es gibt den Stoff mit der chemischen Formel H2 aber nicht nur in schwarz, grau oder grün, sondern die Farbpallette ist breiter. Die pinke Variante basiert auf Atomstrom. Sie ist zwar CO2 arm, aber risikoreich, teuer und deshalb kein sinnvoller Baustein für eine Energiewende. Weißen Wasserstoff gibt es auch. Der kommt in natürlichen Lagerstätten vor, ist aber so selten, dass er für die Lösung unserer energiepolitischen Aufgaben wohl keine Rolle spielen wird.

Mit einem Elektrolyseur wird Wasser in seine Bestandteile zerlegt. © picture-alliance-dpa-Rolf-Vennenbernd

Kontrovers diskutiert wird hingegen über blauen Wasserstoff. Der basiert zwar auch auf fossilen Energien, in der Regel auf Erdgas, doch die CO2-Emissionen sollen abgeschieden und unterirdisch gelagert oder weiterverarbeitet werden. CCS  (Carbon Capture and Storage) ist hier das Stichwort. Für den WWF ist das bei der Produktion von Wasserstoff keine Lösung in die knappe, öffentliche Fördergelder investiert werden sollten. Die Lagerung birgt Risiken und infrage kommende Standorte sind begrenzt. Deshalb ist CCS allenfalls etwas für Prozesse, bei denen CO2-Emissionen nicht vermeidbar sind, z.B. bei der Zementherstellung.

Woher kommt der begehrte Stoff

Kurzum: der verstärkte Einsatz von Wasserstoff ist nur sinnvoll, wenn er Hand in Hand mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien geht. Aber auch wenn der Ausbau von Sonne- und Windenergie in Deutschland zuletzt wieder angezogen ist, wird das heimische Potenzial  nicht reichen, um die nationale Nachfrage nach grünem H2 zu decken. In der 2023 überarbeiteten Nationalen Wasserstoffstrategie, rechnet die Bundesregierung damit, dass bis 2030 insgesamt etwa 50 bis 70 Prozent importiert werden muss. Da der Bedarf danach weiter steigen dürfte, ist es nicht verwunderlich, dass der Wirtschaftsminister fleißig durch die Welt tourt, um sich nach potenziellen Lieferanten umzusehen.

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Das birgt weitere Herausforderungen. Das sonnenreiche Nordafrika bietet sich z.B. als Standort für die Produktion von grünem Wasserstoff an. Doch, wo die Sonne kräftig scheint, fehlt es oft an einem anderen Grundstoff: Wasser. Deshalb muss bei all den Lieferverträgen sichergestellt sein, dass die Produktion nicht zulasten der Bevölkerung vor Ort geht und das Wasser an anderer Stelle, z.B. in der Landwirtschaft fehlt. Werden die Interessen der Einheimischen vernachlässigt, droht eine erneute „Tank oder Teller-Diskussion“ wie wir sie vom Einsatz von Biosprit, etwa auf der Basis von Palmöl, bereits kennen. Und auch der Umwelt wäre damit nicht geholfen. Der WWF setzt sich daher für umfassende Nachhaltigkeitskriterien für die Produktion für Wasserstoff und seiner Folgeprodukte ein.

Herausforderung Transport

Ohnehin stellt der Transport des begehrten Stoffes eine nicht unwesentliche Hürde da. Zunächst wird Deutschland beim reinen Wasserstoff wohl auf europäische Partner, etwa auf der iberischen Halbinsel und in Skandinavien setzen. Hier ist ein Transport über Pipelines noch machbar.

Beim Transport von Wasserstoff über weite Strecken gehen Teile des Energieträgers verloren. © IMAGO-ITAR-TASS-Sergei Krasnoukhov

Chile, Australien oder Namibia sind zu weit weg und dürften erst später oder über sogenannte „Wasserstoffderivate“ wie Ammoniak oder Methanol, also Wasserstoffverbindungen, die einfacher zu transportieren sind,  ins Spiel kommen. Zum Transport von Wasserstoff über weite Strecken wären gewaltige Investitionen in die Infrastruktur wie den Transport mit Spezialschiffen nötig. Hinzu kommt, dass dabei viel von dem kostbaren Energieträger verloren geht.

Wasserstoff ist keine Allzwecklösung

Trotz vieler Hindernisse: Wasserstoff wird eine wichtige Rolle bei einer Transformation zur klimaneutralen Wirtschaft spielen. Aber es bleibt auf absehbare Zeit ein eher teurer und begrenzter Rohstoff. Deshalb wird es vor allem darum gehen, wie man den Stoff, der theoretisch für viele Zwecke einsetzbar wäre, am sinnvollsten nutzt. Der Energieträger ist zwar immer mal wieder als Treibstoff für Autos oder den Betrieb von Heizungen im Gespräch, das lässt sich aber als teure Speziallösung abhaken. Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen sind viel effizienter und kostengünstiger und bleiben in absehbarer Zeit eindeutig die bessere Lösung.

Kann man machen, muss man aber nicht. Als Treibstoff für Pkw ist H2 zu teuer und wenig effizient. © IMAGO-Rupert Oberhaeuser

Grüner Stahl

Für den Wasserstoff bieten sich hingegen der Schiffs- und Flugverkehr sowie die Chemieindustrie an. Ein ganz wichtiges Einsatzgebiet könnte zudem vor allem die Stahlindustrie werden. Die Branche ist in Deutschland für acht Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich.  Der Grund: Bislang wird in den Hochöfen Koks als so genanntes Reduktionsmittel verwendet, um die extrem hohen Temperaturen für die Produktion zu erzeugen. Dabei entstehen große Mengen CO2. Die Kohle direkt durch erneuerbare Energien zu ersetzen, ist technisch nicht machbar. Mit so genannten Direktreduktionsanlagen ließen sich die CO2-Emissionen massiv reduzieren. In einem solchen Verfahren wird das Eisen mit grünem Wasserstoff hergestellt. Der bindet den Sauerstoff aus dem Eisenerz und hinterlässt nur Wasser als Abfallprodukt. Erste Pilotanlagen werden bereits von Salzgitter, Thyssenkrupp und ArcelorMittal betrieben. Die neuen Anlagen sind sehr kostspielig. Daher wird es ohne öffentliche Förderungen wohl nicht gehen, um eine Transformation im Stahlsektor anstoßen und Risiken für die Unternehmen zu mindern.

Alles in allem: Es tut sich was in Sachen H2. Wasserstoff bietet große Chancen, wenn Rahmenbedingungen stimmen. Viele Fragen sind noch offen, aber Jules Vernes Vision von einer Wasserstoffwirtschaft nimmt konkretere Züge an.

Mehr zum Thema

Mehr Informationen zum Thema Wasserstoff haben wir in einem kostenfreien Online-Kurs „Wasserstoff für Energiewende und Klimaschutz – Power-to‑X“ in der WWF Akademie aufbereitet. 10 Expert:innen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft geben

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Zurück zu Natur — Was bringt das Nature Restoration Law?

Vor 17 Jahren wurde unter dem damaligen Umweltminister Siegmar Gabriel das Ziel ausgegeben, den Rückgang der Biodiversität innerhalb von nur drei Jahren aufzuhalten. Es blieb ein frommer Wunsch. Die Trendwende blieb aus.  Der Verlust der Artenvielfalt schritt weiter voran. Inzwischen gelten hierzulande etwa ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten als gefährdet. Zwei Drittel unserer geschützten Lebensräume sind in schlechtem Zustand.

Vor allem bei der Renaturierung von Mooren und Feuchtgebieten bleibt einiges zu tun. ©Claudi Nir/WWF

Jetzt kommt endlich ein neuer Versuch, das Sterben zu stoppen: Mitte August tritt die  europäische Naturwiederherstellungsverordnung, das Nature Restoration Law, in Kraft. Eine Regelung, die  sich  als „Gamechanger“ erweisen könnte. Die Verordnung gilt als wichtigstes EU-Naturschutzgesetz seit Jahrzehnten. Richtig umgesetzt, wird sie entscheidend zum dringend notwendigen Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen beitragen.

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Papier ist geduldig

Manchmal muss der Mensch nachhelfen, damit die Natur sich erholen kann. ©Silas Ismael/WWF-Brazil

Deutschland- und europaweit gibt es ein riesiges Netz an Naturschutzgebieten.  Es gibt mit der Flora-Fauna-Habitat‑, der Wasser-Rahmen- und der Vogelschutzrichtlinie wegweisende europäische Vorgaben. Sie sind zum Teil seit Jahrzehnten in Kraft.  Trotzdem ist die Natur  nicht ausreichend geschützt. Papier ist geduldig! Den Niedergang der Natur haben die Richtlinien nicht aufgehalten. Die in den vergangenen zwei Jahren in einem Politikkrimi ohnegleichen umkämpfte Wiederherstellungsverordnung soll frühere Fehler ausbügeln. Auch wenn das Gesetz im politischen Verfahren durch Abschwächungen und Ausnahmen an Substanz verloren hat, birgt es die Chance für einen Neustart. Das Nature Restoration Law soll das Artensterbens in Europa stoppen und für mehr Widerstandsfähigkeit gegen die Folgen der Klimakrise wie Dürren, Überflutungen und Waldbrände sorgen.

Wie konnte es mit unserer Natur überhaupt so weit abwärts gehen und was muss man sich unter ihrer Wiederherstellung vorstellen? Die Ursachen für das Artensterben liegen in der Übernutzung und Schädigung der Natur durch den Menschen.  Hohe Stickstoff- und Pestizideinträge in der Landwirtschaft, die intensive Bewirtschaftung von Feldern und Wäldern haben genauso ihre Spuren hinterlassen wie Verluste und Zerschneidung natürlicher Flächen durch Versiegelung der Böden oder Verkehrsprojekte. Hinzu kommt die Verschmutzung von Gewässern und die zunehmende Erderwärmung.

Wiedervernässen, Entsiegeln, Aufforsten

Noch immer sind Staustufen und Dämme oft unüberwindbar für Wanderfische. ©Claudi Nir / WWF

Wiederherstellung kann bedeuten, der Natur zu erlauben, sich weitgehend ohne schädigende Einflüsse des Menschen zu erholen. Oft ist dazu ein aktives Eingreifen nötig. Manche Maßnahmen setzen auf eine veränderte oder schonendere Nutzung der Natur. Als Wiederherstellungsmaßnahmen gelten beispielsweise die Wiedervernässung entwässerter Moore, der Waldumbau hin zu naturnäheren und klimaresilienteren Wäldern. Wichtig ist zudem das Zurückverlegen von Deichen, um Flüssen mehr Raum zu geben und neue Auen zu schaffen. Zur Renaturierung gehören auch eine durch mehr Baumreihen, Feldgehölze und Hecken aufgelockerte Agrarlandschaft, die vielerlei Arten Rückzugsraum bietet, besser geschützte Naturschutzgebiete und mehr Parks und Grünflächen in den Städten.

Befreite Flüsse und drei Milliarden Bäume

Die nun in Kraft tretende EU-Naturwiederherstellungsverordnung zielt auf die langfristige Erholung der europäischen Ökosysteme an Land und in den Meeren ab. Dafür sollen bis 2030 auf 20 Prozent der Landes- und Meeresfläche Europas Wiederherstellungsmaßnahmen erfolgen – bis 2050 auf allen geschädigten Naturflächen. Die Verordnung macht Vorgaben zur Verbesserung des Zustands europäischer FFH- und Vogelschutzgebiete. Sie schreibt überprüfbare Verbesserungstrends für den Wald, die Agrarlandschaft und den Zustand von Insektenpopulationen vor. Europaweit soll das Ziel von zusätzlich 25.000 Kilometern freifließender Flüsse erreicht werden. Es sollen Moore wieder vernässt, drei Milliarden Bäume gepflanzt und innerstädtische Grünflächen ausgebaut werden.

So geht Naturschutz: Rückbau eines Wehrs. © Olaf Obsommer / WWF

Wird das eines Tages wahr, ist nicht nur der Natur gedient, sondern auch uns Menschen – nicht zuletzt haben die Maßnahmen sehr positive Effekte für den Klimaschutz und die Klimaanpassung. Eine intakte Natur erbringt unentbehrliche Ökosystemleistungen, liefert wichtige Rohstoffe, sorgt für fruchtbare Böden, sauberes Trinkwasser und saubere Luft. Wildbienen leisten als Bestäuber unbezahlbare Dienste für unsere Lebensmittelversorgung. Grünflächen liefern Feuchtigkeit und Kühle. Ein gut gemachter Waldumbau und die Renaturierung von Flüssen wirken sich positiv auf den Landschaftswasserhaushalt aus, was angesichts zunehmender Dürren dringend erforderlich ist. Intakte Moore und Wälder sind nicht nur wertvolle Ökosysteme, sondern dienen zugleich als CO2-Speicher.

Zeit, die wir nicht haben

Doch erst einmal muss dem Gesetz Leben eingehaucht werden. Das kann bis 2027 dauern, denn zunächst müssen die EU-Mitgliedsstaaten auf ihre Bedingungen angepasste Nationale Wiederherstellungspläne entwickeln. Anschließend muss die EU-Kommission Grünes Licht geben. Hier verstreicht zu viel Zeit, nicht nur, wenn man bedenkt, dass Renaturierungsprojekte oft viele Jahre dauern.  Sondern auch vor dem Hintergrund, dass das von allen EU-Mitgliedsstaaten unterzeichnete Kunming-Montreal-Abkommen den Stopp des weltweiten Biodiversitätsverlustes bis 2030 anpeilt. Die deutsche Bundesregierung muss mit der Wiederherstellung der Natur deshalb in Vorleistung gehen und tut das auch mit dem  „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz“. Dieses darf keiner Sparrunde zum Opfer fallen und muss von der nächsten Regierung ungemindert fortgeführt werden.

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Gemeinsam geht es besser

Die Naturwiederherstellungsverordnung dürfte zu intensiven Diskussionen um eine naturnähere Land- und Forstnutzung führen. Sie kann nur mit den Landnutzenden gemeinsam umgesetzt werden. Tragfähige Einkommensquellen in diesen Bereichen bleiben ein zentrales Thema. Gut organisierte Beteiligungsformate müssen die Erstellung des Nationalen Wiederherstellungsplans flankieren. Schwarz-Weiß-Denken sollte von allen Seiten überwunden werden.

 

Erlenbruch des WWF in der Uckermark (von unserem ehemaligen Mitarbeiter Thomas Neumann
Auch so kann ein Wald aussehen. Erlenbruch des WWF in der Uckermark. © Thomas Neumann /WWF

Trotz oft erbitterten Streits ist die Naturwiederherstellungsverordnung ein wunderbares Erbe der gerade beendeten EU-Parlamentsperiode. Sie bietet erneut die Chance einer Trendwende. Nun kommt es darauf an, diese nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.

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Pantanal, Cerrado und Amazonas: Warum es in den wichtigsten Biomen Brasiliens brennt

Es brennt im Pantanal, so schlimm wie nie. Obwohl die Trockenzeit erst beginnt. Auch im Cerrado und Amazonas lodert es auf Rekordniveau. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 brachen die wichtigsten brasilianischen Biome Rekorde. Außerdem sinken die Wasserpegel des Pantanal und vieler Flüsse in atemberaubendem Tempo.

  • Das Pantanal ist fast halb so groß wie Deutschland. Im größten Süßwasserfeuchtgebiet der Erde wüten momentan die meisten Feuer seitdem Brände von Satelliten des National Institute for Space Research (INPE) überwacht werden. Im Pantanal wurden 3262 Brände entdeckt, 22-mal mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
  • Auch der Cerrado bricht dieses Jahr alle Feuerrekorde. Bis Ende Juni wurden mit 12.097 Brandherden die meisten Feuer seit 1998 gezählt.
  • Aber es brennt auch im Amazonas: Die Zahl der Feuer ist die höchste in den letzten 20 Jahren. Hier wurden fast 13.000 Brände festgestellt, ein Anstieg von mehr als Dreiviertel im Vergleich zum Vorjahr. Und dass, obwohl die Entwaldung im Amazonas seit dem Amtsantritt von Präsident Luna da Silva deutlich zurückgeht. Diesmal liegen die Ursachen nicht nur bei Brandrodung

Es besorgt mich und meine Kolleg:innen sehr, dass die Situation schon zu Beginn der Trockenzeit so dramatisch ist. Das Feuchtgebiet Pantanal erlebt eine schwere Dürre. Die knappen und unregelmäßigen Regenfälle reichten nicht aus, damit die Flüsse überlaufen und die eigentlich typische Seenlandschaft schaffen — den Lebensraum für Kaimane, Riesenotter, Ameisenbär und Jaguar. Stattdessen kamen die Feuer. Schon jetzt sind es mehr Feuer als 2020, als ein Drittel des Pantanal brannte und wahrscheinlich mehr als 17 Millionen Wirbeltier getötet wurden.

Cerrado, die “Wiege des Wassers”

Das Wasser des Pantanal kommt aus dem Cerrado, einer riesigen Savanne, die sich über zwei Millionen Quadratkilometern von Zentralbrasilien bis nach Bolivien und Paraguay erstreckt. Der Cerrado ist ein Biodiversität-Hotspot und beheimatet unzählige endemische Arten. Aber noch wichtiger: Die Hochebenen des Cerrado sind als Berça das águas bekannt, als Wiege des Wassers. Hier liegen die Quellen einiger der größten Flüsse des Landes. Sie versorgen das Amazonasbecken, das Pantanal, den Atlantischen Regenwald, ein Großteil der Landwirtschaft und die größten Ballungsgebiete Brasiliens.

Feuer im Pantanal, Brasilien
Es brennt im Pantanal so oft wie nie zuvor
© IMAGO-Xinhua-LucioTavora

Die ökologische Bedeutung des Cerrado wird aber leider missachtet. Im Cerrado wird weiter gnadenlos abgeholzt, hier geht die Umwandlung in landwirtschaftliche Flächen fast ungebremst weiter. Aus der Savanne werden Rinderfarmen, Soja- und Maisfelder. Der Cerrado hat in den letzten zwei Jahrzehnten fast 60 Prozent der ursprünglichen Vegetation verloren. Und daran tragen wir eine Mitschuld. So stammen beispielsweise 70 Prozent des in die EU importierten Sojas, das mit Naturzerstörung in Verbindung gebracht wird, aus dieser Region.

Cerrado, Brasilien: Wo Savanne war ist jetzt eine Kaffeeplantage
Cerrado: Wo Savanne war ist jetzt eine Kaffeeplantage © IMAGO / Pond5Images

Die Konsequenten zeigen sich jetzt: Ohne die wasserspeichernden Wälder des Cerrado trocknen die Flüsse und Feuchtgebiete zunehmend aus. Die Folgen der Klimakrise und das Phänomen El Niño verschärfen die Wasserknappheit. Großen Teilen Brasiliens geht das Wasser aus, auch wenn es nicht in Flammen aufgeht.

Doch es gibt bei aller Sorge für mich auch Hoffnung: Schutzgebiete und Indigene Territorien sind echte Brandmauern! Satellitenbilder zeigen deutlich: Wo Schutzgebiete sind und wo Indigene Territorien liegen, ist der Wald in einem deutlich besseren Zustand. Studien untermauern dieses Bild mit eindeutigen Zahlen: Nur 1,6 Prozent der Entwaldung im Amazonas der letzten Jahrzehnte betrafen Indigene Territorien. Im Amazonasgebiet fanden fast 90 Prozent der Entwaldung außerhalb von Schutzgebieten statt.

Schlüsselbiom Cerrado

Jedoch ist der Cerrado weitaus weniger geschützt als der Amazonas. Weniger als ein Zehntel steht unter Schutz, dazu kommen fünf Prozent indigene Territorien. Im Amazonas dagegen sind zusammengenommen mehr als die Hälfte des Gebiets. Deshalb setzt sich der WWF für Ausweisung neuer Schutzgebiete und für die Landrechte traditioneller und indigener Völker im Cerrado ein. Wir brauchen gemeinsame Anstrengungen, um die Entwaldung zu kontrollieren, um uns von degradierten Gebieten zu erholen. Es reicht eben nicht „nur“ den Amazonas zu schützen. Alles hängt mit allem zusammen. Wir müssen auch den Cerrado schützen, wenn wir das Pantnal und den Amazonas retten wollen.

Wir vom WWF tun alles, um auch die Regierung in Brasilien davon zu überzeugen, dass auch der Cerrado deutlich mehr Schutz braucht. Es würde mich sehr freuen, wenn ihr unsere Arbeit weiter unterstützt! Es fühlt sich heute wichtiger als jemals an.

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Vogelgrippe: Wie wir Pandemien bekämpfen müssen

Was wir über die Gefahren der Vogelgrippe sagen können — und wie wir potenziellen neuen Pandemien entgegenwirken können.

Corona ist zwar noch da, gefühlt aber von gestern. Heute diskutieren wir erneut über die Hoch Pathogene Aviäre Influenza (H5N1), auch Vogelgrippe genannt. Das vor allem für Vögel tödliche Virus kann sich mit anderen Viren kombinieren und springt auf immer mehr Säugetiere über.

Das Virus kennen schon seit Jahrzehnten. Wahrscheinlich entstand es in den 1960er-Jahren in asiatischen Geflügelfarmen und konnte von dort immer wieder auf Wildvögel übergehen. Seit März 2024 werden Infektionen bei Milchkühen in den USA bekannt. Inzwischen haben sich dort mehrere Mitarbeiter von Milchviehbetrieben infiziert. Die Vogelgrippe kommt uns Menschen immer näher.

Vogelgrippe: Das Virus hat es geschafft auf Kühe überzuspringen
Vogelgrippe: Das Virus hat es geschafft auf Kühe überzuspringen © imago

Auch wenn die Vogelgrippe bisher nur sporadisch auf den Menschen überschlägt: Sie ist eine ernste Bedrohung, die wir nicht unterschätzen dürfen. Die Schäden für Natur und Wirtschaft sind enorm. Alle Vogelarten können sich an H5N1 anstecken. Das Virus hat schon verheerende Wirkungen auf die Biodiversität bei ökologisch wichtigen Wildvögeln gezeigt, wie etwa bei Pelikanen. Und ganze Bestände von Nutztieren mussten und müssen gekeult werden.

Und wir haben ‑trotz Corona- noch immer nicht die notwendigen Schritte unternommen, um die Ursachen für die  nächste und übernächste und überübernächste Pandemie zu beseitigen.

Bei der aktuellen Vogelgrippe ist es relativ simpel das Risiko zu minimieren:

  • Kranke oder tote Vögel nicht anfassen, sondern umgehend dem Veterinäramt melden.
  • Keine Lebensmittel in der Natur zurücklassen, um die Verbreitung von Infektionen zu verhindern.
  • Überwachung von Infektionen in Wildtieren und Nutztieren. Rinder zeigen oft keine oder nur milde Symptome wie zum Beispiel geringere Milchproduktion. Ein direkter Übertrag auf den Menschen ist bisher extrem selten, aber natürlich müssen wir die Entwicklung der Lage genau beobachten.
  • Die Übertragung erfolgt nicht nur über Kot, sondern auch über Futter und Geräte von Farm zu Farm. Wir müssen für Hygiene in den Betrieben sorgen und den Kontakt von Nutztieren mit Wildvögeln vermeiden.
  • Rohe Milch von infizierten Kühen gilt als Risikomaterial — und sollte nicht vermarktet werden.

Vor allem müssen wir aber endlich Konsequenzen ziehen. Man schätzt, dass weitere 1,7 Millionen derzeit “unentdeckte” Viren in Säugetieren und Vögeln existieren, von denen bis zu 827.000 den Menschen infizieren könnten. Nach Corona bedeutet vor der nächsten Zoonose. Wir Menschen sind sehr gut beraten uns darauf einzustellen. Und damit meine ich nicht nur Notfallpläne in der Schublade zu haben und Masken bereitzustellen.

Naturschutz ist der Schlüssel gegen Zoonosen wie die Vogelgrippe

Prävention ist immer besser als Reaktion. Durch den Schutz der Natur können wir das Risiko neuer Zoonosen verringern – und das kostet nur einen Bruchteil von der Bekämpfung einer bereits ausgebrochenen Pandemie.

Der längst erforschte Zusammenhang zwischen Landnutzungswandel, insbesondere Entwaldung, und dem Auftreten von Krankheiten verdeutlicht wie wichtig dieser ganzheitliche Ansatz ist.

Die Natur ist das Bollwerk gegen Pandemien. Wenn wir Ökosysteme schützen, verringern wir das Risiko von Spillover-Ereignissen wie jetzt bei der Vogelgrippe. Wir müssen also die Verluste natürlicher Ökosysteme und der biologischen Vielfalt eindämmen, vor allem bei der Entwaldung. Der Handel mit Wildtieren muss reguliert werden. Wir müssen die Gesundheitsfürsorge für Mensch und Tier in tropischen Regionen verbessern, die Biosicherheit in der Tierhaltung stärken und die Überwachung zoonotischer Viren verbessern.

Ich kann es gar nicht oft genug betonen: Indem wir die Gesundheit von Tieren, Menschen und Ökosystemen in den Fokus rücken, helfen wir zukünftige Pandemien zu verhindern. Genau daran arbeiten wir beim WWF.

Der One Health Ansatz betont die Verbindung zwischen der Gesundheit von Nutz- und Wildtieren sowie des Menschen. Wir beim WWF engagieren uns in diesem Bereich. Und wir setzen uns nicht erst seit Corona für präventive Maßnahmen ein, um zukünftige Pandemien zu verhindern, etwa bei den Verhandlungen zu einem globalen Pandemieabkommen. Denn auch auch hier muss gelten: Prävention ist besser, nachhaltiger und auch viel, viel günstiger als Reaktion.

Ich würde mich freuen, wenn Ihr unsere Arbeit unterstützt!

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