Windenergie und Artenschutz verbinden

Das große Ziel ist die Treibhausgasneutralität bis spätestens Mitte des Jahrhunderts. Auf dem Weg in eine klimaneutrale Gesellschaft benötigt Deutschland, immerhin die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt, weitreichende Veränderungen. Bis zum Jahr 2030 müssten mindestens 65 Prozent des Bruttostromverbrauches (also des gesamten, in Deutschland verbrauchten Stromes) aus Erneuerbaren Energien bezogen werden. Neben einer drastischen Erhöhung der Energieeinsparungen in allen Sektoren (Industrie, Handel, Verkehr, Haushalt) wird vor allem ein massiver Ausbau Windenergie an Land benötigt. Doch genau in diesem Bereich ist der Ausbau im Vergleich zum Durchschnitt der vergangenen Jahren um mehr als 80 Prozent eingebrochen.

Windenergie: Vom Hoffnungsträger zum Sorgenkind

Tatsächlich droht in Deutschland dieser Zukunftsindustrie im Kampf gegen die Klimakrise das Aus. Dabei ist die Akzeptanz für Windenergieanlagen seit Jahren unvermindert hoch, gerade auch bei Menschen, die im direkten Umfeld der Anlagen wohnen. Die Wissenschaft wird indes nicht müde zu betonen, dass pauschale Mindestabstände zu den Anlagen keinen Einfluss auf die Akzeptanz haben.

Ausbau wird verkompliziert

Aktuell erzeugen in Deutschland etwa 30.000 Windenergieanlagen an Land schätzungsweise 92 Terrawattstunden sauberen Strom. Bis zum Jahr 2050 wird mindestens die vierfache Strommenge benötigt. Anstelle der Windenergie zu neuem Auftrieb zu verhelfen, verkompliziert die Bundesregierung die Lage unnötig und erhöht die bestehende Rechtsunsicherheit. Es gibt ohnehin schon genügend Ausbauhemmnisse. Nun kommen Mindestabstände zu “dörflichen Strukturen mit signifikanter Wohnbebauung” und kommunal gesondert auszugestaltende Grundsteuerhebesätze hinzu.

Artenschutz als Klagegrund gegen Windenergie

Gerade die Rechtsunsicherheit erweist sich als besonders große Windenergiebremse. Immer öfter kommt es zu Klagen gegen Bauvorhaben. Häufig wird der Artenschutz als Klagegrund herangezogen. Es erweckt den Eindruck, als würden Artenschutzbelange instrumentalisiert, um ungeliebte Windenergie-Projekte zu verhindern. Die (raum-)planerische Steuerung und die behördliche Genehmigungspraxis genießen derzeit keine ausreichende Rechts-und Verfahrenssicherheit. Und die Vorschläge der Bundesregierung tragen eher zu einer Verschärfung als zu einer Deeskalation der Situation bei.

Aktuell gibt es weder Artenschutz noch Ausbau der Windenergie

Klar ist: aktuell wird weder der dringend benötigte Ausbau der Windenergie vorangetrieben, noch wirksamer Artenschutz betrieben. Die bundespolitischen Ausbauziele für die Erneuerbaren sollten in möglichst konkrete länderspezifische Strommengen- und Flächenziele – Stichwort Zwei-Prozent-Ziel – für die Windenergienutzung übersetzt werden. Die Länder sollten auf Grundlage landschafts- und artenschutzbezogener Raumbewertungen nach bundesweit einheitlichen Kriterien darlegen, wie sie diese Ziele zu erreichen gedenken und entsprechende Flächen ausweisen und nutzbar machen.

Bessere Planung erforderlich

Die geplanten Mindestabstände würden den Ausbau der Windenergie weiter verkomplizieren. © Canetti / iStock / Getty Images Plus

Eine solche kaskadenförmige Ableitung raumplanerischer Zielsetzungen für die Windenergienutzung kann zudem akzeptanzfördernd wirken. Bei der vollziehenden Umsetzung regionalplanerischen Festlegungen und der Bewältigung von Konflikten mit Anwohnern würde die kommunale Bauleitplanung entlastet.

Keine Windenergie in Dichtezentren

Um die Ziele des Artenschutzes zu stärken, benötigen wir öffentliche Artenschutzprogramme auf Länderebene, die den Erhaltungszustand der bedrohten Arten stabilisieren und langfristig verbessern. Wir setzen uns für eine bundesweite Anwendung des sogenannten Dichtezentren-Ansatz aus. Außerhalb von Schutzgebieten, in denen der Ausbau der Windenergie gesetzlich sowieso tabu ist, sollten hohe Vorkommensdichten besonders schützenswerter Arten (Rotmilan) in Dichtezentren mit bestandsstabilisierenden Maßnahmen geschützt werden. Diese Dichtezentren sollten von der Windenergienutzung freigehalten werden. So kann ein wirksamer populationsbezogener Artenschutz gewährleistet werden.

In Deutschland besteht im Artenschutz ein individuenbezogener Schutzansatz und ein individuenbezogenes Tötungsverbot (Art. 45 (7) BNatschG).

Aus Sicht des WWF gilt jedoch:

Werden die Windkraftanlagen auf Flächen, die räumlich von diesen Dichtezentren entfernt sind, geplant und errichtet, sollten in diesen ausgewiesenen “Windkonzentrationszonen” regelmäßige Ausnahmen vom individuenbezogenen Tötungsverbot nach 45 (7) BNatschG ermöglicht werden. Und zwar ausschließlich nach einer sachgemäßen Bearbeitung der rechtlichen Alternativenprüfung durch die verantwortlichen Behörden.

Artenschutzfachliche Einzelprüfungen

Grundlage einer sachgemäßen Bearbeitung durch die Genehmigungsbehörden bleibt allerdings die Erarbeitung untergesetzlicher und allgemein anerkannter Methodenstandards, um eine möglichst rechtssichere artenschutzfachliche Einzelfallprüfung zu gewährleisten.

Die Konflikte sind lösbar

Die Energiewende, aber auch die allgemeine Modernisierung des ländlichen Raumes, bringt Konflikte mit sich. Doch sie sind lösbar. An klugen Ideen und Lösungsvorschlägen ist kein Mangel, allein: Es fehlt der Mut zum Fortschritt. Unterschätzt wird die Akzeptanz und Unterstützungsbereitschaft Vieler für eine ökologische Modernisierung. Überschätzt wird hingegen der Strukturkonservatismus. Es ist Aufgabe der Politik, den vom Wandel betroffenen Menschen, die Notwendigkeit zu Veränderungen zu erklären und sie von den Vorzügen einer klimafreundlichen Transformation zu überzeugen. Aller Erfahrung nach gelingt das am besten, wenn man sie dazu einlädt, diese Prozesse mitzugestalten und davon zu profitieren.

 

 

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