True Story: Es war ein graudunkler Wintertag und ich glaubte meinen Augen nicht. Tatsächlich: Unser Hund Frida hatte beim Spielen im Hof tatsächlich eine Zecke eingesammelt. Im Januar, mitten im Winter! Das ist neu.
Es ist offensichtlich vorbei, dass man sich nur im Sommer vor Zecken hüten muss. Durch die vergleichsweise milden Winter sind Zecken mittlerweile ganzjährig aktiv. Eigentlich halten sie zwischen November und Februar Winterruhe. Steigen die Temperaturen jedoch auf über sieben Grad sind die Zecken wieder aktiv. Auch bei uns im Hof, mitten in Berlin.
Das ist lästig und an immer mehr Orten auch richtig gefährlich. Zeckenbisse können Krankheiten übertragen, wie zum Beispiel die Frühsommermeningoenzephalitis (FSME). Das Virus kann die Hirnhaut und das zentrale Nervensystem des Menschen angreifen.
Doppelt so viele FSME-Fälle
Und diese Gefahr wird realer. Mit 704 FSME-Erkrankungen wurde 2020 die bislang höchste Anzahl Erkrankungen seit Beginn der Datenerfassung im Jahr 2001 gemeldet. Das ist mehr als das Doppelte des jährlichen Medianwertes von 301 Erkrankungen.
In Deutschland besteht ein Risiko für eine FSME-Infektion vor allem in Bayern und Baden-Württemberg, in Südhessen, im südöstlichen Thüringen und in Sachsen. Laut des aktuellen Epidemiologischen Bulletins 9/2021 des Robert Koch Instituts kommen nun fünf neue Risikogebiete dazu — jeweils ein Kreis in Bayern, Hessen, Sachsen und Thüringen. Als erster Kreis in Sachsen-Anhalt ist jetzt auch Dessau-Roßlau Risikogebiet. Dieser Stadtkreis grenzt nicht an bestehende Risikogebiete und ist somit nach dem Landkreis Emsland in Niedersachsen ein weiteres nördlich gelegenes FSME-Risikogebiet. Jetzt sind 169 Kreise offizielle FSME-Risikogebiete.
In den FSME-Risikogebieten tragen 0,1 bis 5 Prozent der Zecken das Virus in sich. Von den Menschen, die von einer FSME-infizierten Zecke gebissen werden, erkrankt etwa jeder Dritte.
Gute Idee: FSME-Impfung
Wenn die Krankheit erst einmal ausgebrochen ist, kann sie nicht mehr durch Medikamente gestoppt werden. Es gibt zum Glück eine FSME-Impfung, die von den zuständigen Behörden Menschen, die in FSME-Risikogebieten leben oder dorthin reisen dringend empfohlen wird.
Überall in Deutschland übertragen Zecken aber auch Borreliose. Zwei bis sechs Prozent der Menschen infizieren sich durch einen Biss mit Borrelien — und diese Bakterien können bedrohliche Infektionskrankheiten auslösen. Die Lyme-Borreliose kommt am häufigsten vor. Typisches Zeichen: Rötung an der Bissstelle, die sich langsam ausbreitet (Wanderröte). Dann heißt es flugs zum Arzt. Die Borreliose lässt sich als bakterielle Erkrankung vor allem im Frühstadium gut antibiotisch behandeln.
900 Arten Blutsauger
Weltweit gibt es mehr als 900 Zeckenarten. Etwa zwanzig davon kommen aktuell in Deutschland vor, zum Beispiel die Igelzecke, die Schafzecke oder die (ursprünglich in Südeuropa beheimatete) Auwaldzecke. Wegen den veränderten Klimabedingungen drohen neue Arten nach Deutschland einzuwandern. Einer dieser Blutsauger tauchte in den letzten Jahren bereits vermehrt auf und könnte sich bei zunehmend trockenheißen Sommern in unseren Breiten noch wohler fühlen: die Hyalomma-Zecke.
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Die Superzecken in Deutschland
Diese Superzecken sind deutlich größer als die normalen heimischen Blutsauger — nämlich mit bis zu zwei Zentimeter dreimal so groß. Besonders unangenehm: Hyaloma sind Jagdzecken. Anders als heimische Zecken wartet die Hyalomma nicht auf den Wirt, sondern jagt gezielt. Sie können dabei hunderte Meter zurücklegen und scheinen es besonders auf Pferde abgesehen zu haben.
Am Niederrhein, in Brandenburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen wurden schon die Zecken mit den auffällig gestreiften Beinen entdeckt. Einige haben in Deutschland auch schon nachweislich überwintert. Was allerdings noch nicht heißt, dass sie auch in unseren Breiten heimisch werden. Hoffen wir es mal nicht: Diese Zecken sind nicht nur eklig, sondern können auch Krankheiten wie das Krim-Kongo-Fieber (CCHF) übertragen. Von den 2019 gefundenen Exemplaren der Hyalomma trägt fast jede zweite den Fleckfieber-Erreger in sich. Das Krim-Kongo-Fieber wurde bisher zum Glück nicht gefunden.
Besser schützen!
Trotzdem ist man natürlich gut beraten sich zu schützen. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie empfiehlt, in der Natur geschlossene Kleidung zu tragen. Und man soll vermeiden im Unterholz herumzukriechen — dort lauern Zecken am liebsten. Kurzfristig können Zecken-Abwehrmittel die lästigen Blutsauger vom Leibe halten. Wie man eine Zecke entfernt (und was man dann mit der Zecke macht) könnt ihr hier nachlesen.
Zecken bitte einschicken!
Was wir aber auf jeden Fall tun können ist der Wissenschaft zu helfen: Die Uni Hohenheim und das Robert-Koch-Institut bitten darum gefundene Hyalomma-Zecken einzusenden – tot oder lebendig. Die Wissenschaftler:innen können so deren Ausbreitung besser einschätzen und auch Gegenmaßnahmen entwickeln.
Die #Hyalomma #Zecke mit ihren gestreiften Beinen wird seit einigen Jahren auch vereinzelt in Deutschland gefunden, zB an Pferden. Wenn Sie ein Exemplar entdecken, kleben Sie es bitte mit Klebestreifen auf Papier und schicken es ans #RKI, ZBS1-Zecke, Seestr.10, 13353 Berlin pic.twitter.com/Jqey5TCplx
— Robert Koch-Institut (@rki_de) August 7, 2019
Oder eben per Post an: Prof. Dr. Ute Mackenstedt, Fachgebiet Parasitologie 220B, Emil-Wolff-Straße 34, 70599 Stuttgart-Hohenheim.
Wichtig: Zettel beilegen mit Fundort und Funddatum.
Auch wer eine dieser Riesenzecken gesehen, aber nicht gefangen hat, kann der Wissenschaftler helfen: Einfach eine Mail mit der Beobachtung an tropenzecken@uni-hohenheim.de schicken.
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Der Beitrag Zecken auf dem Vormarsch erschien zuerst auf WWF Blog.