Greta und Friday for Future zum Trotz, die Älteren sind die eigentlichen Klimaschützer? Eine neue Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie lässt aufhorchen. Demnach seien ältere Menschen eher bereit, Abstriche fürs Klima zu machen, als Jugendliche. Erneut also eine Erhebung, die das Umweltbewusstsein der Deutschen untersucht. Vor allem die Umwelteinstellung der Jugend ist in einer kaum noch zu überblickenden Vielzahl von Umfragen immer wieder beäugt worden. Als würden alle darauf warten, dass eine Studie endlich zeigt: Die Jugendlichen sind auch keine besseren Umweltschützer. Ist es nun soweit?
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Noch zu Beginn des Jahres verkündete das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) eine Botschaft, dass für junge Menschen in Deutschland der Schutz von Umwelt- und Klima ein Top-Thema ist. Die repräsentative Studie „Zukunft? Jugend fragen“, die das Institut im Auftrag des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamtes erstellt hatte, gab bekannt: Die deutliche Mehrheit der Jugendlichen erwartet, dass die Politik mehr tut für Klima und Umwelt, und dass sie dabei auf soziale Gerechtigkeit achtet. Jugendliche engagieren und vernetzen sich, sind sich der Verantwortung des eigenen Handelns für die Zukunft aller bewusst und leben Klima- und Umweltschutz häufig ganz praktisch vor.
Was stimmt denn nun?
Das Umweltbewusstsein der jungen Generation wird wohl nicht in wenigen Monaten in sich zusammengeschrumpft sein. Die Studie des Wuppertal Instituts ist in Zusammenarbeit mit eBay Kleinanzeigen entstanden. Das Online-Anzeigen-Portal wollte wissen, wie es um die Bereitschaft der Deutschen bestellt ist, gebrauchte Artikel zu kaufen. Dabei wurden Unterschiede im Konsumverhalten jüngerer und älterer Menschen deutlich. So stimmten nur 43 Prozent der 19 bis 29-Jährigen der Aussage zu: „Ich achte im Alltag sehr darauf, Ressourcen zu schonen“. Die anderen Altersgruppen konnten sich stärker mit dieser Aussage identifizieren. Ebenso überraschend: Jede fünfte junge Person gesteht offen ein, für Umwelt und Klima keinerlei Abstriche beim privaten Konsum machen zu wollen. Ältere Menschen zeigen sich hier weitaus bereiter.
Nur Party, Handy, Reisen? Von wegen!
Schon tauchen die ersten Schlagzeilen auf, die die Umwelteinstellung der Jugend infrage stellen. Und das nervt mich. Schnell fühlen sich diejenigen bestätigt, die junge Klimaaktivist:innen ohnehin nicht ernst nehmen. Freitags fürs Klima protestieren und ansonsten Party, Handy, Fernreise – eine Diskreditierung, die immer wieder hochkocht. Das wird dem Engagement von hunderttausenden Jugendlichen aber nicht gerecht. Wer der jüngeren Generation Inkonsequenz und Hedonismus vorhält, sollte sich fragen, welche Vorgängergeneration sich bitte vergleichbar entschlossen für den Klimaschutz eingesetzt hat!
Fridays For Future mobilisiert Millionen zu friedlichen Demos. Trotz Corona bleibt die Bewegung lebendig. Ich kann den Frust der Jungen verstehen, wenn sie ihre Freizeit für den Klimaschutz einsetzen, und die Eltern fahren im SUV vorbei und wünschen bestenfalls „viel Erfolg“. Und die Bundesregierung präsentiert währenddessen ein Pillepalle-Klimapaket und desillusioniert mit dem traurigen Satz: „Politik ist das, was möglich ist“. Wenigstens werden inzwischen ein paar Jugendliche zu ergebnisoffenen Dialogen mit der Politik eingeladen. Wie muss es sich für Jugendliche anfühlen, ständig zu ihrem Umweltbewusstsein befragt zu werden, aber im politischen Diskurs nur symbolisch beteiligt zu werden?
Konstruierte Konflikte verplempern unsere Zeit
Ja, es ist wichtig, den Einstellungen und Werten in der Gesellschaft immer wieder auf den Grund zu gehen. Als studierter Soziologe erkenne ich die Bedeutung von Umfragen gerne an. Doch wenn wir eine Umfrage nach der nächsten produzieren, ohne dass Politik und Wirtschaft daraus Konsequenzen ziehen, bleibt das ziemlich witzlos. Entscheidend ist doch, dass seit Jahren alle Studien ein steigendes Bewusstsein für mehr Klimaschutz aufzeigen. Immer mehr Menschen wollen einen Wandel hin zur Nachhaltigkeit. Immer mehr verändern auch ihr eigenes Verhalten, um ihren Teil dazu beizutragen. Wer mit diese Erkenntnisse Generationenkonflikten konstruiert, der verplempert unsere Zeit. Denn für wirksamen Klimaschutz gibt es keinen Aufschub mehr. Die Mehrheit unserer Gesellschaft – jung wie alt – erkennt diese wissenschaftliche Schlussfolgerung an.
Jetzt die Petition gegen die Entwaldung unterschreiben! Danke!
Es geht nicht darum, wer eine blütenreine Ökoweste hat. Jugendliche sollen möglichst viel Auslandserfahrung sammeln. Jugendliche werden wie keine andere gesellschaftliche Gruppe von Werbekampagnen bedrängt. Ich finde: Auch Jugendliche, die für ein Auslandssemester ins Flugzeug gestiegen sind, dürfen Klimaschutz einfordern. Auch Jugendliche, die sich ein neues Handy kaufen, dürfen ihre Stimme für eine zukunftsfähige Klimapolitik erheben. Längst nicht alle Jugendlichen hängen dem Konsum nach und beschäftigen sich selbstkritisch mit Alternativen zum Höher-Schneller- Weiter, das die Generationen davor zum Ideal erhoben hatten. Und dennoch gibt es natürlich auch in dieser jungen Generation Widersprüche und hedonistische Lebenskonzepte. Aber wer lebt sie ihnen vor, und wer verdient daran? Bevor wir die Fehler bei ‚der‘ Jugend suchen, sollten wir uns selbst beurteilen.
Die WWF Jugend hat übrigens gerade ein Positionspapier zum Klimaschutz veröffentlicht. Darin fordert sie unter anderem mehr Jugendbeteiligung in den Institutionen. Jugendliche, die konstruktiv nach Lösungen suchen, was wollen wir uns mehr wünschen? Doch Moment, gab es da nicht einmal eine Studie zur Politikverdrossenheit bei Jugendlichen?
Jugendrat und Aktionsteam — hier kannst Du mitmachen!
Wir nehmen diese Forderung auch für uns selbst ernst. Der WWF hat bereits einen Jugendrat etaliert. Hier sprechen Jugendliche auf Augenhöhe mit der Geschäftsleitung und bringen ihre Perspektive in den WWF. Eine solche Beteiligung sollte in allen Organisationen, Firmen und Gremien selbstverständlich sein. Und auch in der Öffentlichkeit können Jugendliche bei uns ehrenamtlich aktiv werden. Der Ort hierfür ist schon seit zehn Jahren das Aktionsteam der WWF Jugend. Hier können Jugendliche Aktionen planen, Vorträge organisieren und an Veranstaltungen mit politischen Institutionen teilnehmen. Dieses Team ist immer offen für Verstärkung. Wäre klasse, wenn wir uns dort sehen!
Der Beitrag Alt gegen jung: Wer nimmt mehr Rücksicht aufs Klima? erschien zuerst auf WWF Blog.