Acht Gründe gegen die Weiternutzung der Atomkraft

Hilft uns Atomkraft über den Winter? Wir sagen: Nein. Und wir haben gute Gründe, die gegen jede verlängerte Nutzung von Atomkraft in Deutschland sprechen.

Fraglos: Durch den russischen Angriffskrieg befinden wir uns in einer veränderten energiepolitischen Situation. Deutschland muss die Abhängigkeit von russischen fossilen Energieträgern so schnell wie möglich beenden. Wir erleben stark ansteigende Gas- und Energiepreise, eine große Verunsicherung in der Bevölkerung und der Industrie sowie die Sorge vor drohenden Energieengpässen. Um Energieknappheit vorzubeugen, werden bereits stillgelegte Kohlekraftwerke übergangsweise wieder ans Netz genommen.

Verschiedene Parteien und Akteure fordern nun auch noch eine Laufzeitverlängerung der drei sich noch am Netz befindenden deutschen Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland.

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Hier sind die besten Gründe, warum eine verlängerte Nutzung der Atomkraft Quatsch ist und auf welche anderen Lösungen Deutschland stattdessen setzen sollte.

1.) Atomkraft kann Gas kaum ersetzen

Erdgas wird zum größten Teil zur Wärmerzeugung genutzt und kann damit nicht ohne weiteres durch Atomstrom ersetzt werden. Insgesamt könnte lediglich etwa ein Prozent des russischen Gases durch den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke eingespart werden. Deswegen wäre der Beitrag einer AKW-Laufzeitverlängerung zur Energieunabhängigkeit extrem gering.

2.) Es bleibt dabei: Atomkraft ist gefährlich

Atomkraft ist eine Hochrisikotechnologie. Das zeigt sich nicht zuletzt am ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja. Auch in Frankreich wurden in den letzten Monaten mehrere Atomkraftwerke wegen Sicherheitsbedenken vom Netz genommen. Atomkraftwerke müssen umfassend und regelmäßig überprüft werden. Die letzte große periodische Sicherheitsprüfung der deutschen Atomkraftwerke hat 2019 jedoch nicht mehr stattgefunden – mit der Begründung des baldigen Endes ihrer Laufzeit. Für einen Weiterbetrieb der Anlagen über das Jahr 2022 hinaus wäre eine neue Sicherheitsprüfung zwingend. So eine Überprüfung kann nicht mit einem kurzen Gutachten, wie kürzlich vom TÜV Süd veröffentlicht, abgetan werden. Eine verkürzte Sicherheitsüberprüfung wäre dagegen ein entscheidendes Sicherheitsrisiko für Deutschland.

3.) Atomkraft bringt uns nicht mehr Energie

Die Brennelemente in zwei der AKWs sind auf das Ende ihrer Laufzeit in 2022 ausgelegt. Die Beschaffung neuer Brennelemente könnte mindestens ein Jahr dauern. Alternativ können die verbleibenden Atomkraftwerke in einen sogenannten „Streckbetrieb“ gehen, in dem die Brennstäbe etwas länger genutzt werden. Allerdings muss hierfür ihre Leistung senken. Mit einem solchen Streckbetrieb könnten die Atomkraftwerke bis ins Frühjahr 2023 betrieben werden, würden insgesamt in der Summe allerdings nicht mehr Strom produzieren als im Betrieb bis Ende 2022. Es würde sich somit lediglich um eine zeitlich verschobene Stromproduktion handeln. Ein gewinnbringender Mehrwert ist nicht gegeben.

4.) Atomkraft braucht Gesetzesänderung

Die Atomkraftwerke müssen laut Atomgesetz bis Jahresende 2022 ihren Betrieb beenden. Für die verlängerte Nutzung braucht es eine Gesetzesänderung. Ein Weiterbetrieb käme einer Neugenehmigung durch den Bundestag gleich. Für diese Genehmigungen muss eine öffentliche Konsultation stattfinden sowie neue wissenschaftliche Gutachten erstellt werden. Unter (verfassungs-)rechtlichen Gesichtspunkten erfordert eine Laufzeitverlängerung eine neue, umfassende Risiko- und Güterabwägung des Gesetzgebers. Dies sind zum Teil sehr langwieriger Prozesse.

Einen guten Ort für den Atommüll gibt es nicht. © IMAGO / imagebroker

5.) Weiter ungeklärt: Was passiert mit dem Atommüll?

Bis 2031 muss laut Gesetz ein Endlager-Standort gefunden sein. Das hält aber nicht nur der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung Wolfram König jedoch für unrealistisch. Alle bisherigen Zwischenlager haben nur zeitlich begrenzte Sicherheitsgarantien. Die radioaktiven Abfälle bedeuten große gesamtgesellschaftlichen Kosten — und Risiken. Das Problem wird durch eine Laufzeitverlängerung nur größer, die Kosten werden auf kommende Generationen abgewälzt.

6.) Atomstrom ist eben nicht ökologisch

In der gesamten Wertschöpfungskette von Atomstrom wird eine erhebliche Menge Energie benötigt, zum Beispiel beim Uranabbau und der Atommüllendlagerung. Atomkraft ist also keineswegs CO2- neutral. In Frankreich werden die schädlichen Umweltauswirkungen von Atomreaktoren gerade an der kritischen Kombination mit der Erderhitzung deutlich: Während der stark zunehmenden Hitzewellen müssen die französischen Atomreaktoren stärker gekühlt werden. Dies geschieht mit dem Wasser aus bereits hitzegeplagten Flüssen, die sich dadurch noch weiter aufheizen und stärker austrocknen – mit gravierenden Folgen für das gesamte Ökosystem.

7.) Atomkraft ist zu teuer

Die enorm hohen gesamtgesellschaftlichen Kosten liegen im Bau der Kraftwerke und bei der Entsorgung und Endlagerung des Atommülls. Gerade bei einer kurzfristigen Verlängerung der AKW-Laufzeiten sind die hohen Kosten nicht zu rechtfertigen. Die erneuerbaren Energien bilden schon heute eine sichere und günstigere Alternative für die Stromproduktion. Oberste Priorität sollte daher ganz klar auf den schnellen Ausbau der Erneuerbaren liegen.

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8.) Es gibt umweltfreundlichere, sichere und günstigere Alternativen

In Europa ging die Erzeugung von Atomstrom von 2005 bis 2020 um ein Viertel zurück. Und auch weltweit wurden seit 2000 kaum neue Kraftwerke gebaut. Stattdessen stieg die installierte Leistung von Windenergie und Photovoltaik deutlich an. In der EU wurden seit der Jahrtausendwende 167 Gigawatt Windenergieleistung und knapp 150 Gigawatt PV-Kapazität zugebaut. Angesichts der sich verschärfenden Klimakrise muss das noch deutlich, deutlich verstärkt werden. Aber klar ist: Erneuerbare Energien sind die zukunftsfeste, sichere und klimafreundliche Alternative zur Energiegewinnung. Auch jetzt müssen wir konsequent darauf setzen.

Wie immer man es auch wenden mag: Atomkraft kann keinen relevanten Beitrag zur Überbrückung der aktuellen Energiekrise leisten. Zahlreiche praktische, sicherheitsrelevante, finanzielle, rechtlich und politische Faktoren sprechen gegen einen Weiterbetrieb der Atomkraft. Gerade angesichts der nur sehr geringen Mengen an Atomkraft, die kurzfristig keinen relevanten Beitrag zur Überbrückung der Energiekrise leisten kann, muss der Schutz vor der Radioaktivität Priorität haben. Stattdessen sollte Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen und anderen Ländern darlegen, wie Energiesparmaßnahmen und erneuerbare Energien langfristig zu einer klimaneutralen Zukunft beitragen können — ohne radioaktiven Müll zu erzeugen.

Der Beitrag Acht Gründe gegen die Weiternutzung der Atomkraft erschien zuerst auf WWF Blog.