Ausbau kleiner Wasserkraft? Können wir uns sparen!

Der Schaden ist groß, der Nutzen gering. Den Ausbau kleiner Wasserkraft können wir uns sparen. Im EEG 2203 hat er nicht zu suchen.

Lachse, Aale, Störe, Stinte: Die großen Wanderungen der Fische in ihre Laichgebiete, vielfach von den Meeren in die Flüsse, sind ein Phänomen, das es in buntester Vielfalt fast auf der ganzen Welt zu bewundern gibt. Oder es zumindest zu bewundern gab: Das Verschwinden der Wanderfische ist ja geradezu ein Inbegriff der Biodiversitätskrise. Dennoch haben sie in vielen Kulturen einen festen Platz, in manchen haben die aus dem Ozean wiederkehrenden Fische sogar eine religiöse Bedeutung. So wie auch die Flüsse selbst.

Mitte Mai wurde der Welttag der Wanderfische gefeiert, der World Fish Migration Day 2022. Wir waren Mitveranstalter eines Filmabends in Berlin unter dem Titel „Wildflüsse oder Wasserkraft“. In der anschließenden Diskussionsrunde ging es um die Wasserkraft in Deutschland und um das Gesetz zum Ausbau erneuerbarer Energien, das EEG. Es regelt die künftige Förderung für Strom aus Wasserkraft. Das EEG ist Teil des Osterpakets, über das der Bundestag derzeit berät. Und wieder einmal tobt um die Förderung der sogenannten kleinen Wasserkraft ein großer Streit. Hier ist unsere Kommentierung dazu.

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An unserer Diskussion nahm ein befreundeter Fischökologe teil. Er hat seine Doktorarbeit zu einem bedrückenden Thema geschrieben, nämlich zur Mortalität von Fischen an Wasserkraftwerken. Drei Jahre Forschung über Sterberaten und ‑risiken, darüber, wie Tiere auf ihren Wanderungen in Turbinen zerteilt werden, an Rechenanlagen gequetscht verenden oder später an den Folgen ihrer Verletzungen zugrunde gehen. Oder am Barotrauma, verursacht durch die großen Druckunterschiede bei der Passage durch die Turbine. Das Risiko ist groß: Einer von fünf Fischen stirbt, wenn er auf seiner Wanderung durch ein Wasserkraftwerk schwimmen muss. Wer überlebt, darf zum nächsten Kraftwerk weiterwandern. Bei einer Kette von Kraftwerken ergibt sich also für Wanderfische ein kumulativer Effekt mit dramatischen Folgen.

Aale: Tod im Wasserkraftwerk
Der Aal ist inzwischen eine vom Aussterben bedrohte Tierart. Auf der Wanderung flussabwärts Richtung Meer kommen viele Aale in Wasserkraftwerken um © Timon Polli

Kleine Wasserkraft richtet großen Schaden an

Die gute Nachricht aber lautet: Wir können uns das sparen! Zumindest den Neubau von kleinen Wasserkraftwerken. Die richten überproportional großen Schaden an. Die kleine Wasserkraft trägt weniger als ein halbes Prozent zur Stromerzeugung in Deutschland bei. Das Ausbaupotenzial für neue Anlagen ist winzig. Es liegt bei weniger als einem Promille. Können wir uns ein Promille Strom nicht sparen, zugunsten lebendiger Flüsse und wandernder Fische? Der Gesetzentwurf sieht das tatsächlich vor: Ab 2023 soll es keine EEG-Förderung für neue kleine Wasserkraftwerke mehr geben, konkret solche mit einer Leistung kleiner als 500 kW. Auch der Bundesrat hat sich gerade dafür ausgesprochen. Hoffen wir, dass diese gute Neuregelung auch im Bundestag eine Mehrheit findet.

 

Ausbaupotenzial kleine Wasserkraft Deutschland WWF Grafik
Das Potenzial der Kleinen Wasserkraft muss man mit der Lupe suchen. Ihre Förderung hat im EEG 2023 nichts zu suchen © WWF

Hier noch ein Zahlenbeispiel aus Brandenburg. Sicher, Brandenburg ist kein Wasserkraftland. Es gibt hier kaum Gefälle und nur sehr wenig Niederschlag. Aber umweltschädliche Subventionen einer falschen Förderpolitik können auch da noch viele Gewässer und ihre Fischbestände zerstören, wo sich Wasserkraftwerke wirklich nicht lohnen. Insofern ist Brandenburg ein gutes Beispiel. Außerdem ist Brandenburg mit den großen Strömen Elbe und Oder für Wanderfische nicht uninteressant. Kein Hindernis bis zur Ostsee und nur ein einziges Wehr bis zu Nordsee!

Für eine Handvoll Windräder

Aber es gibt auch in Brandenburg Strom aus Wasserkraft, ausschließlich aus kleinen Kraftwerken. Die installierte Leistung aller Wasserkraftwerke in Brandenburg zusammen beträgt 5 MW. Das entspricht etwa anderthalb modernen Windrädern. Nehmen wir mal völlig unrealistisch an, diese Leistung ließe sich durch Ausbau aller Wasserkraftpotenziale im Land um verdoppeln: Dann kämen anderthalb Windräder dazu. Im Nachbarland Mecklenburg-Vorpommern und in Schleswig-Holstein sieht es ähnlich aus, dort käme auch allenfalls eines dazu.

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Ich habe nun meinen Bekannten, den Fischökologen, gefragt, wie hoch eigentlich die Mortalität von Fischen an Windkraftanlagen ist. Er hat mir erläutert, dass die zwar noch nicht erforscht ist, sie dürfte nach seiner Einschätzung aber Richtung null gehen.

Mein Fazit lautet: Den Ausbau der kleinen Wasserkraft können wir uns sparen. Oder durch sehr wenige Windräder ersetzen.

Fische würden Windkraft kaufen.

Der Beitrag Ausbau kleiner Wasserkraft? Können wir uns sparen! erschien zuerst auf WWF Blog.