Fleisch: Schmeckt es Euch noch?

Massentierhaltung kann man als Tierfreund eigentlich nur schrecklich finden. Dass in Deutschland pro Jahr 55 Millionen Schweine und noch viel mehr Hühner geschlachtet und in alle Welt exportiert werden, ist spätestens seit Corona nicht nur moralisch, sondern auch gesundheitspolitisch relevant. Die derzeitige Intensivtierhaltung ist nicht nur ethisch fragwürdig. Sie ist ein Gesundheitsrisiko.

Seit dem Corona-Skandal im Schlachthof Tönnies wissen wir alle, dass in der Fleischindustrie auch Arbeiter zur Gewinnmaximierung ausgebeutet werden. Wir haben auch alle schon davon gehört, dass zwischen Tiermast und Regenwaldabholzung ein direkter Zusammenhang besteht. Und uns schmeckt das Fleisch immer noch?

Fleisch: Schweinehälften im Schlachthof
55 Millionen Schweine werden jedes Jahr in Deutschland geschlachtet © Marina Karkalicheva / iStock / GettyImages

Die Politik ist für diese ganzen Missstände verantwortlich, sagen wir. Es muss sich etwas ändern. Stimmt. Und zwar auch bei uns selbst.

Billig hat seinen Preis

Gut und billig soll unser Fleisch sein, unsere Wurst, unser Käse, unsere Milch. Doch billig hat seinen Preis. Zum Beispiel den Preis, dass in der fleischverarbeitenden Industrie Menschen aus Osteuropa als Billiglohnkräfte verheizt werden. Und dass Tierwohl immer noch klein geschrieben wird.

Hinweis: In diesem Beitrag ist eine Umfrage eingebunden, bitte besuche die Webseite, um an der Umfrage teilzunehmen.

Wenn es um Corona geht, zeigen wir angesichts von Corona mit dem Finger in ferne Länder. Wir reden über Wildtiermärkte in Wuhan, Buschfleisch in Afrika und immer wieder über Fledermäuse. Wir schütteln den Kopf über Ernährungs- und Lebensweisen in Südostasien und Afrika. HIV, Ebola, SARS, MERS und Co. – ihr Ursprung liegt woanders, der Funke springt eben in globalisierten Zeiten schlicht schnell über. Das Problem aber sind „die Anderen“. Darauf erst mal einen leckeren Burger um die Ecke.

Wir haben als Konsumentinnen und Konsumenten mehr mit dem wachsenden Risiko der nächste Zoonose zu tun, als wir wahrhaben wollen. Der nächste Viren-Sprung von Tier zu Mensch liegt vielleicht ganz nah — im Stall um die Ecke. Die Spanische Grippe stammte wahrscheinlich aus einem nordamerikanischen Hühnerstall. Das Schweinegrippevirus von 2009 wurde erstmals unweit von einem Schweinemastbetrieb in Mexiko nachgewiesen. Nutztiere spielen weltweit eine Rolle als potenzielle Überträger von Viren. Das kann jederzeit auch in Deutschland der Fall sein.

Die Sache mit den Antibiotika…

Zur Zoonosen-Gefahr gesellt sich die Resistenz-Falle. Zwar ist der Einsatz von Antibiotika in der Schweinehaltung in den letzten Jahren zurück gegangen. Dennoch kommen insbesondere bei Mastkälbern und ‑hühnern weiter Antibiotika inklusive wichtiger Reserve-Antibiotika zur Anwendung. Im Stall bilden Keime Resistenzen; multi-resistente Bakterien können durch die Stallabluft, durch Gülle und durch das Fleisch der Tiere auf den Menschen wechseln.

Umweltrisiko Fleisch

Große Geflügel‑, Schweine- und Rindermastanlagen produzieren viel zu viel Stickstoff, der als Teil reaktiver chemischer Verbindungen Probleme schafft. Zu hohe Nitrateinträge durch Gülle und Mist auf viel zu wenig Fläche bereiten Trinkwasserversorgern vielerorts Sorge. Stickoxide sind Luftschadstoffe, ebenso wie Feinstaubverbindungen, bei denen Ammoniak im Spiel ist. Lachgas, was aus überdüngten Böden entweicht, ist wiederum ein Klimakiller.

Fleisch frisst Land

Soja Bohnen
Soja: Sollen wir weiter importieren, was dem Regenwald schadet? © David Bebber / WWF-UK

Andernorts frisst unser Fleisch Wald und Wildnis auf, weil das billige Futtermittel Soja dort riesige Flächen braucht. Die EU ist hinter China der zweitgrößte globale Importeur von Soja. In unseren Futtertrögen landet Lebensraum von Menschen und Tieren, darauf weisen wir schon seit vielen Jahren hin. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass das in die EU importierte Sojaschrot aus Gebieten mit einem hohem Entwaldungsdruck stammt wie zum Beispiel Brasilien. Neben dem Verlust einzigartiger Savannen und tropischer Wälder geht dies auch auf Kosten des Klimas. Verschwindet Wald für Acker, werden Treibhausgasen frei.

Politik gefragt – und wir alle

Keine Frage: Wir brauchen einen breiten gesellschaftlichen Dialog über den Wert von Lebensmitteln und Natur. Über die Wertschätzung für nachhaltige Tierhaltung und Landwirtschaft. Wir müssen uns bewegen und verändern. Ja, da ist die Politik gefragt. Die Ausbeutung von Menschen im Schlachthof muss per Gesetz enden. Sicher, die Bundesregierung hat den Einstieg in mehr Tierwohl und Umweltschutz im Stall und auf dem Acker jahrelang verschleppt.

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Die Verantwortung liegt aber nicht allein in den Händen der Politik, des Lebensmitteleinzelhandels oder der Landwirt:innen. Sie schließt uns alle genauso ein.

Zurzeit stammt aber beispielsweise nur knapp ein Prozent des in Deutschland verkauften Fleisches aus dem Bio-Landbau. Veränderung beginnt bei uns auf dem Teller. Es macht mir in diesem Zusammenhang Hoffnung, dass in Deutschland offenbar deutlich seltener Fleisch auf den Tisch kommt als noch vor einigen Jahren. In der Umfrage “Ernährungsreport 2020” gaben 26 Prozent an, täglich Wurst oder Fleisch zu konsumieren. Im ersten “Ernährungsreport” vor fünf Jahren waren es noch 34 Prozent.

Wir sagen es schon lange, wir sagen es weiter: Wer sich sein Fleisch weiter schmecken lassen möchte, sollte weniger davon essen. Und die Finger von Billigfleisch lassen. Für das Tierwohl, das Klima, die Weltgesundheit, für dich selbst.

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Buchenwälder: die Naturwunder vor der Haustür

Was haben das Great Barrier Reef vor der Küste Australiens, der Yellowstone Nationalpark und fünf Buchenwälder in Deutschland gemeinsam? Mehr als ihr vielleicht denkt.

Denn neben dem größten Korallenriff der Welt und dem ältesten Nationalpark der Erde gehören auch fünf deutsche Buchenwälder zum Weltnaturerbe der UNESCO – und wurden damit zu einzigartigen Naturlandschaften mit unersetzlichem Wert für die Menschheit erklärt.

Ausführlich heißt das Weltnaturerbe “Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas”. In Deutschland gehören der Grumsiner Forst in Brandenburg dazu, der Nationalpark Kellerwald-Edersee in Hessen, der Nationalpark Jasmund auf Rügen, der Serrahner Buchenwald im Müritz-Nationalpark in Mecklenburg-Vorpommern sowie der Nationalpark Hainich in Thüringen. Es umfasst aber noch über siebzig weitere Wälder in elf Ländern Europas. Die deutschen Buchenwälder wurden am 25. Juni 2011 von der UNESCO-Kommission aufgenommen. Und so ist der 25. Juni offiziell der Tag der Buchenwälder.

Doch was genau macht die Buchenwälder so besonders?

Um das zu beantworten rufe ich bei Peter Lehmann an. Lehmann ist Forstingenieur und arbeitet im Nationalpark-Zentrum Königsstuhl im Nationalpark Jasmund auf Rügen, der neben blauer Ostseeküste und den berühmten weißen Kreidefelsen einen der fünf deutschen Naturerbe-Buchenwälder umfasst. Wenn mir jemand über Buchen berichten kann, dann Lehmann – und das tut er. Buchen sind unser europäisches Erbe, „unsere Ur-Naturreferenz“, wie er sagt. Ohne das Eingreifen des Menschen wäre die Buche in Deutschland die häufigste Baumart und würde zwei Drittel des Landes bedecken. Sie ist perfekt angepasst an das mitteleuropäische Klima und würde unsere natürliche Vegetation bilden. Eigentlich.

Doch die Realität sieht anders aus. Nur etwa fünfzehn Prozent der Bäume in unseren Wäldern sind Buchen. Und von der ursprünglichen Verbreitung der Buchenwälder in Europa sind laut Lehmann nur noch 0,02 Prozent erhalten. Nahezu nichts. Es ist „kurz vor zwölf“ mahnt der Forstingenieur.

Buchenwälder: Heimat tausender Arten

Deswegen ist es so wichtig, die letzten erhaltenen Buchenwälder zu schützen. Buchen und andere heimische Laubbäume sind unsere besten Verbündeten im Kampf gegen den Klimakollaps im Wald. Sie erhöhen den Grundwasserspiegel, sorgen für ein kühleres Waldklima und beugen so Bränden vor. Gleichzeitig sind sie meist besser gegen Stürme gewappnet und weniger anfällig für Insektenfraß.

Das gilt insbesondere für die alten, sich selbst überlassenen Wälder. Dort, wo es auch Totholz und Bäume in allen Alters- und Zerfallsstadien gibt. Urwälder von morgen. Denn echte, noch nie vom Menschen beeinflusste Urwälder, gibt es nicht mehr in Deutschland. Doch immerhin einige Wälder wie die im Nationalpark Jasmund wurden zumindest seit einer längeren Zeit nicht mehr vom Menschen genutzt – und sind deswegen auf dem besten Weg, wieder Wildnis zu werden.

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Doch diese alten Buchenwälder sind sehr selten. Das wird daran deutlich, dass viele Menschen glauben, Buchen hätten immer eine glatte, graue Rinde. Das ist bei jungen Buchen zwar richtig – doch auch sie bekommen eine rissige Rinde. Das dauert allerdings etwa 200 Jahre. Die Chance, so alt zu werden, wird den allermeisten Buchen in Deutschland nicht gegeben. Sie werden mit 100, 120 Jahren abgeholzt, „geerntet“, wie Förster:innen sagen.

In alten Buchenwäldern wie Serrahn oder Jasmund gibt es sie aber noch, die Buchen mit rissiger Rinde, sowie Totholz und Bäume in allen Zerfallsstadien. Das macht den Wald unglaublich wertvoll für die biologische Vielfalt und zu einem Lebensraum für 6700 Tierarten und 4300 Pflanzen- und Pilzarten, von denen viele wie der Knochenglanzkäfer (Trox perrisii) ausschließlich in altem Buchenwald vorkommen.

Was können wir für die Buchenwälder tun?

Durch die Waldnutzung und ‑übernutzung gibt es immer weniger gesunde, naturbelassene Wälder. Wegen der hohen Nachfrage nach Fichten- und Kiefernholz sind außerdem mehr als die Hälfte der deutschen Wälder Nadelforste. Was keinesfalls ihrer natürlich vorkommenden Ausbreitung entspricht. Nadelwälder sind schlechter gegen den Klimawandel gewappnet als Buchen und anfälliger für Schädlinge wie den Borkenkäfer.

Was können wir also für die Buchenwälder tun? Zunächst einmal sollten wir ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass uns in Europa Buchenwälder seit Jahrhunderten umgeben. Buchenwälder sind unsere Heimat, die uns alle etwas angeht und die wir aktiv schützen und verteidigen sollten. „Nur weil die fünf Wälder den Titel Weltnaturerbe tragen, heißt es nicht, dass die Gesellschaft aus der Verantwortung raus ist“, appelliert Lehmann für mehr Verantwortung. Wir brauchen wir eine größere Öffentlichkeit, die auf den Zustand der Wälder schaut und im Blick hat, was diese bedroht.

Buchenwälder Totholz
Alte Buchenwälder sind voller Arten © Lehmann / Nationalpark-Zentrum KÖNIGSSTUHL

Hinzu kommt, dass wir alle unser eigenes Verhalten so klima- und damit waldfreundlich wie möglich gestalten sollten. Die Politik sollte größere Komplexe von Buchenwälder schützen und den ökologischen Waldbau vorantreiben. Das Konjunkturprogramm der Bundesregierung muss gezielt Laubmischwälder fördern, wie sie natürlicherweise in Deutschland vorkommen. Das ist sowohl im Sinne des Naturschutzes als auch wirtschaftlich langfristig der beste Weg.

Besuch im Buchenwald – im Urwald von morgen

Wer also noch nie in einem „Urwald von morgen“ war, der sollte eine der fünf Weltnaturerbestätten in Deutschland besuchen. Beispielsweise im Nationalpark Jasmund auf Rügen. Dort, wo „der Wald ins Meer stürzt“, bei den Hangwäldern an den Kliffen, wurde der Wald tatsächlich noch nie vom Menschen angefasst und bildet so etwas wie ein Wildnis-Relikt.

Außerdem gibt es auf Rügen ein großes Nationalparkzentrum in dem auf vier Etagen gelernt, angefasst und entdeckt werden kann, sowie ein UNESCO-Welterbeforum, das wir vom WWF und die Stadt Sassnitz gemeinsam betreiben. Im alten Waldhaus können alle noch etwas über unser Welterbe Buchenwälder lernen, wetten?

Zum Staunen muss es also gar nicht unbedingt das Great Barrier Reef oder der Yellowstone Nationalpark sein. Die Naturwunder liegen vor unserer Haustür.

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Cerrado darf nicht sterben

Cerrado? Bei Südamerika denken wahrscheinlich die meisten an den Amazonas, die Anden und vielleicht noch die Pampas. Den Savannenwald Cerrado kennt hierzulande kaum jemand. Dabei ist der Cerrado wunderschön, riesengroß, sehr besonders – und leider auch massiv bedroht.

Was ist der Cerrado überhaupt?

Der Cerrado ist eine Savanne-Wald Landschaft in Südamerika. Das bedeutet: Dichtes Gras mit vereinzelten Büschen und Bäumen, aber auch fast geschlossene Waldgebiete. Etwa 25 Prozent der Fläche Brasiliens gehören zum Cerrado. Er grenzt im Norden an den Amazonasregenwald und an die Mata Atlantica im Süden. Der Cerrado ist keine ebenmäßige Fläche, sondern charakteristisch unterbrochen von den „chapadas“, ausgedehnten kilometerlangen Plateaus. Mit gut zwei Millionen Quadratkilometern ist der Cerrado so groß wie Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien und Großbritannien zusammen. Es ist das zweitgrößte Biom Südamerikas nach dem Amazonas-Regenwald.

Cerrado: Wertvolle Biodiversität
Der Savannenwald des Cerrado © Bento Viana / WWF Brazil

Warum ist der Cerrado so wichtig?

Der Cerrado ist die artenreichste Savanne der Welt. Fünf Prozent aller Arten der Welt kommen hier vor! Und viele sind endemisch, kommen also nur hier vor. Der Cerrado versorgt auch drei der größten Wasserquellen Südamerikas: den Amazonas, Paraguay und São Francisco.

Wodurch wird der Cerrado bedroht?

Der Boden des Cerrado ist sehr arm und sauer. Bis vor 50 Jahren galt der Cerrado daher als wertlos für die Landwirtschaft. Durch moderne tropische Agrartechnik entwickelte sich der Cerrado dann aber in die lukrative Kornkammer Brasiliens. 70 Prozent des brasilianischen Soja kommen inzwischen von hier. Von den ursprünglichen Wäldern stehen nur noch 20 Prozent. Ein weiteres Drittel ist schon stark beschädigt. Der Rest wurde vor allem zu Viehweiden gemacht, die wiederum zunehmend in Sojafelder umgewandelt werden. Jährlich werden immer noch circa 90.000 Hektar gerodet. Nur fünf Prozent des Cerrado sind geschützt.

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Unglaublich, wie schnell der Mensch eine so große Naturlandschaft massiv verändert. Die Folgen für die Artenvielfalt sind immens. Noch kann man auf intensiv bewirtschafte Sojafeldern Renditen von knapp 10 Prozent erwarten. Dadurch steigt der Druck auf die noch vorhandenen Reste des Savannenwaldes.

Nicht nur ich frage mich, wie lange die Böden des Cerrados den intensiven Sojaanbau tragen. Unter anderem wegen Pestiziteinsatz und Bodenerosion. Nachhaltig ist das jedenfalls nicht. Von sozialen Fragen wie der Verdrängung von Kleinbauern ganz abgesehen. Indigene haben fast keine Landrechte im Cerrado.

Cerrado: Brandrodung für Soja
Feuer in Brasilien. Wald schwindet immer schneller für die Landwirtschaft. © David Bebber / WWF-UK

Und wie viel hat das mit uns zu tun?

Tonnenweise. Ein Großteil des angebauten Sojas geht in die Massentierhaltung nach China und Europa. Dieses Fleisch wird dann vor allem in Supermärkten an uns Verbraucher verkauft. Mit Soja werden vor allem Schweine und Hühner gefüttert. China importierte 54 Millionen Tonnen, die EU 13 Millionen Tonnen im Jahr 2017. Wer sein täglich Fleisch braucht, muss wissen: Wir tragen mit unserer Massentierhaltung, die nur mit Sojakraftfutter zu den heutigen Preisen möglich ist, erheblich zur Entwaldung bei.

Achtung, jetzt kommt ein Satz zum Merken: Der Sojaanbau nimmt eine noch viel größere Fläche in Beschlag als der Anbau von Palmöl.

Wie können wir den Cerrado retten?

Eine Idee zur Rettung liegt darin, die Strategie aus dem Amazonas zu kopieren: eine Verpflichtung aller nicht weiter für Soja zu roden. Hat im brasilanischen Amazonas zumindest in Bezug auf Soja funktioniert. Seit 2006 gelang es dort, die Sojaproduktion auf bestehenden Flächen um 400 Prozent zu steigern. Dadurch ging der Anteil an der Regenwaldrodung für den Sojaanbau von 30 auf 1,5 Prozent zurück.

Auch im Cerrado würde sich eine freiwillige und privatwirtschaftliche Lösung anbieten. Die großen Soja-Unternehmen können sich zusammentun und sehr schnell auf entwaldungsfreie Lieferketten umstellen. Das geht unter anderem, weil wir ein Oligopol von nur sechs bis acht Unternehmen bei den Sojahändlern haben und weil in Brasilien ein jährliches Entwaldungsmonitoring auf Farmebene möglich ist. Stark vereinfacht: Wir können jährlich überprüfen, ob für eine Farm Flächen gerodet wurden. Wenn die Händler deshalb das Soja nicht mehr kaufen, dann ist das Problem gelöst. Zumindest das Problem der Entwaldung. Diese Lösung wäre ein großer Schritt. Es wäre dennoch nur ein Mindeststandard. Soziale und weitere Umweltprobleme sind dadurch nicht gelöst.

Cerrado: Soja soweit das Auge reicht
Cerrado: Soja soweit das Auge reicht

Eine gemeinsame Lösung zum Stopp der Entwaldung haben sich Ende 2019 mehr als 150 Unternehmen und Investoren zum Ziel gesetzt. Eine entsprechende Absichtserklärung wurde unterzeichnet. Doch die großen brasilianischen Sojaverbände ABIOVE und ANEC sind vor der finalen Unterzeichnung abgesprungen.

Was die Politik tun muss: Lieferketten und Mercosur

Ein ganz anderer Lösungsansatz liegt bei den Handelspartner Brasiliens. Deutschland diskutiert jetzt endlich ernsthaft ein Lieferketten-Gesetz, stellt aber bis jetzt keine Umweltkriterien auf. Die EU entwickelt ebenfalls ein Lieferkettengesetz. Wir können noch hoffen, dass dies wirkungsvoll die weitere Entwaldung verhindert.

Es kann schlicht nicht sein, dass die EU und insbesondere Deutschland Entwaldung und andere Umweltfragen im Rahmen des EU-Mercosur Freihandelsabkommens überhaupt nicht ernst nehmen. Dort ist gibt es keinerlei Verbindlichkeit im Umweltkapitel — das muss sich unbedingt ändern!

Deklaration der deutschen Lebensmittelkonzerne 

Ich kann nur begrüßen, dass sich jetzt in Deutschland Lebensmittelhändler für einen Stopp der Entwaldung einsetzen. In einer gemeinsamen Deklaration fordern Aldi-Nord, Aldi-Süd, EDEKA, Kaufland, Lidl, Metro, Netto Marken-Discount und Rewe die brasilianischen Sojahändler auf, die Entwaldung zu beenden. Die deutschen Lebensmittelhändler rufen die Sojakonzerne auf den Verhandlungstisch zurückzukehren, damit Vereinbarungen für eine entwaldungsfreie Sojaproduktion so schnell wie möglich in Kraft treten können. Aus anderen europäischen Ländern wie Norwegen, Frankreich und Dänemark kommen aktuell gleichlautende Appelle.

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Das gefährliche Leben der Meeresschildkröten

Abschied ins Meer

Das Leben mit dem Panzer wirkt beschwerlich, doch Schildkröten gibt es schon sehr lange auf der Welt, etwa 200 Millionen Jahre. Von den rund 350 Schildkrötenarten auf der Erde leben nur sieben im Meer. Sie stammen aber von den Land- respektive Süßwasserschildkröten ab. Sie haben sich vor mehr als hundert Millionen Jahren ins Meer verabschiedet. Und haben alle tropischen und subtropischen Meere besiedelt.

Schlafen unter Wasser

Meeresschildkröten sind für das Leben im Wasser perfekt angepasst. Ihr Panzer ist flacher und stromlinienförmiger als der ihrer Verwandtschaft an Land. Die Füße sind flossenartig. Manche haben Schwimmhäute zwischen den Krallen. Sie tauchen zwischen 5 und 40 Minuten lang – und können beeindruckende 4 bis 7 Stunden schlafend tauchen, bevor sie wieder an die Oberfläche müssen. Sie verlangsamen dabei ihren Stoffwechsel erheblich.

Meerschildkröte taucht auf
Tief Luft holen! © Antonio Busiello / WWF-US

Eine halbe Tonne Schildkröte!

Die Lederschildkröte ist die Größte der Meeresschildkröten: Sie kann bis zu 1,8 Meter lang und 500 Kilogramm schwer werden. Die kleinste: Kemp’s Bastardschildkröte (Lepidochelys kempii) mit 50–80 Zentimetern Panzerlänge.

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Bastard! Unecht!

Bastardschildkröten haben ihren wenig freundlichen Namen, da sie früher als Hybriden zwischen der Suppenschildkröte und der Unechten Karettschildkröte galten. Die unterscheidet sich von der Echten Karettschildkröte wiederum durch einen größeren Kopf. Es ist kompliziert.

Die Panzer, das Meer und die Heimat: Wie pflanzen sich Schildkröten fort?

Kompliziert ist auch die Fortpflanzung, nicht nur wegen der Panzer: Meeresschildkröten sind meist Einzelschwimmer, verbringen ihr ganzes Leben im Meer und legen dabei Tausende von Kilometern zurück. Die Paarung findet meist an der Wasseroberfläche statt. Dann wird es anstrengend für die Weibchen: Nur sie kommen zur Eiablage an Land – und zwar an jenen Strand, an dem sie selbst geschlüpft sind. Je nach Art kehren die Tiere in Abständen von etwa drei Jahren zur Paarung in Küstengewässer zurück. Meist legt ein Weibchen bis zu dreimal in einer Nistsaison Eier ab – je nach Art etwa 50 bis 200 runde, weiße Eier.

Wie finden Schildkröten ihren Geburtsstrand wieder?

Die Schildkröten orientieren sich am Magnetfeld der Erde, wie die Forscher_innen er Universität North Carolina herausgefunden haben. Ganz ähnlich machen es übrigens Zugvögel.

Das Salz muss wieder raus

Stichwort Anpassung: Über Salzdrüsen an den Augen scheiden sie ständig Salz aus, das die Meeresschildkröten über das Meerwasser aufnehmen und wieder loswerden müssen.

Suppe und Brillen

Der Mensch hat die Meeresschildkröten in den letzten Jahrhunderten schwer dezimiert. Der grauselige Name der Art Australische Suppenschildkröte (Natator depressus) erinnert noch daran, dass sie sehr gerne gegessen wurden. Dabei hat früher die traditionelle und lokale Nutzung der Schildkröte als Eiweißquelle den Bestand nie ernsthaft gefährdet. Erst seit Schildkrötensuppe zu einer Delikatesse und Schildpatt zu exklusiven Brillen und Schmuckstücken verarbeitet wurde, begann der bedrohliche Niedergang vieler Populationen. Übrigens: Noch in den 1970er Jahren stand auch in Deutschland Schildkrötensuppe auf der Speisekarte.

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Was bedroht Meeresschildkröten?

Meeresschildkröten können wahrscheinlich bis zu hundert Jahre alt werden. Fressfeinde haben sie wenige, wenn sie erst mal die gefährliche Kindheit überstanden haben. Es drohen aber viele Gefahren. Jedes Jahr enden hunderttausende Tiere als ungewollter Beifang in Fischernetzen oder an Langleinen. Außerdem werden die Brutgebiete der Reptilien vielerorts Opfer einer ungebremsten Strandbebauung und intensiver touristischer Nutzung.

Der internationale Handel mit Fleisch, Eiern und Schildpatt sind eigentlich seit 1979 weltweit verboten. Dieses Verbot wurde aber erst 1994 wirklich durchgesetzt.

Meeresschildkröten sind besonders gefährdet durch Plastikmüll

Der Tisch der Meeresschildkröten ist reich gedeckt. Je nach Art und Lebensabschnitt fressen sie Plankton, Algen, Seegras, Muscheln, Tintenfische, Pflanzen, Schnecken, Fischeier, Quallen, Korallen, Tintenfische, Krebstiere, Krabben und noch manch anderes mehr. Ihr Appetit auf Quallen kann ihnen allerdings zum Verhängnis werden. Treibende Plastiktüten sehen Quallen leider zum verwechseln ähnlich aus – und immer mehr Schildkröten verenden daran.

Meeresschildkröte mit Plastiktüte
Meeresschildkröten halten Tüten für Quallen © Troy Mayne / WWF

Hilfe hilft!

Bei den Meeresschildkröten haben wir es sogar wissenschaftlich bestätigt, dass sich unsere Arbeit, die Arbeit aller Naturschützer lohnt. Es gibt Projekte fast überall, wo Schildkröten leben, vom Peloponnes bis zu den Philippinen. Strände werden bewacht, Nester beschützt, Fischerei umgestellt. Langsam, langsam scheinen sich manche Bestände zu erholen, wie das Science Mag schreibt.

Bald nur noch Männchen?

Alle diese wunderbaren Erfolge könnten jedoch durch den Klimawandel aufgefressen werden. Bei Schildkröten ist die Verteilung der Geschlechter nämlich von äußeren Bedingungen abhängig. Wärme und Feuchtigkeit des Nests bestimmen, ob sich die Embryos in den Schildkröteneiern zu Männchen oder Weibchen entwickeln. Durch die zunehmende Erwärmung verschiebt sich das Geschlechtsverhältnis. Bei wärmeren Temperaturen schlüpfen mehr Weibchen. An einigen Stränden schlüpfen inzwischen zu 99 Prozent Weibchen. Bei Krokodilen ist es übrigens umgekehrt: Hier sind die Nachkommen durch die höheren Temperaturen immer öfter männlich.

Meeresschildkröte durch den WWF gerettet
Im Fischernetz gefangene Schildkröte befreit und wieder freigelassen © Peter Denton / WWF

Was macht der WWF?

Alles hängt mit allem zusammen, wie schon der alte Humboldt erkannte. Besonders gut zu erkennen beim Schutz der Meeresschildkröten. Es ist wichtig, die Strände zur Eiablage zu beschützen. Ja, das Handelsverbot muss konsequent umgesetzt werden. Wir brauchen eine andere Fischerei. Durch sogenannte „turtle excluder devices“ (TEDs) in den Netzen können Schildkröten entkommen. In der Langleinen-Fischerei hilft der Einsatz von speziellen runden Haken, um den ungewollten Beifang zu verhindern. Wir setzen uns dafür ein, bis 2030 ein Drittel der Weltmeere unter Schutz zu stellen. Der stetige Eintrag von Plastikmüll muss nachhaltig enden. Und letztendlich wird nur eine Verringerung des CO2-Ausstoßes und die Bekämpfung der Klimakrise das Meer retten. Wir arbeiten an all diesen Stellschrauben. Es ist komplex. Und wir sind für jede Hilfe dankbar.

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Glühwürmchen: wie sie leben und warum sie leuchten

Das Leben der Glühwürmchen ist ein Leben voller Glanz, Leidenschaft und romantischer Tragik.  Rund um den Johannistag am 24. Juni haben sie ihren großen Auftritt.

Jedes Jahr im Juni schwärmen die kleinen, grünen Fackelträger auf der Suche nach einer Partnerin durch unsere Wälder. Jetzt ist die ideale Zeit, in lauen Sommernächten Glühwürmchen zu beobachten — und zu staunen über die Hingabe, mit der die kleinen Tiere jede Nacht um ihr Leben leuchten.

Glühwürmchen Männchen
Wo ist mein Weibchen? © Yitao / iStock / Getty Images

Was sind Glühwürmchen überhaupt?

Glühwürmchen sind eigentlich gar keine Würmchen, sondern Käfer, weshalb die verschiedenen Arten offiziell auch unter dem Oberbegriff Leuchtkäfer (Lampyridae) zusammengefasst werden. Bei uns nennt man sie Glühwürmchen, weil das Weibchen an einen Wurm erinnert, oder Johanniswürmchen, weil sie um die Johannisnacht vom 23. auf den 24. Juni besonders aktiv ausschwärmen. In unseren Breiten sind drei verschiedene Arten heimisch: der Kleine Leuchtkäfer, der Große Leuchtkäfer und der Kurzflügel-Leuchtkäfer.

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Bei allen Glühkäfern können die Weibchen leuchten, die Männchen allerdings leuchten ausgeprägt nur bei Exemplaren der Art des Kleinen Leuchtkäfers. Da nur die Männchen fliegen können, handelt es sich bei in unseren Breiten fliegenden Glühwürmern immer um die Männchen des Kleinen Leuchtkäfers.

Wo finde ich Glühwürmchen?

In Deutschland zwischen Juni und Juli sind die kleinen Tierchen an Waldrändern und Gebüschen, in Wiesen, Gärten und Parks zu finden. Sie leben oft in der Nähe von offenem Wasser, nie jedoch in dichtem Wald und auch niemals in Nadelwäldern.

Warum leuchten Glühwürmchen?

Das Leuchten wird durch die Zersetzung einer kompliziert gebauten Carbonsäure namens Luciferin durch das dazugehörige Enzym Luciferase erzeugt. Seinen Namen hat das Luciferin übrigens vom Lateinischen „lux“ (Licht) und „ferre“ (tragen, bringen) – der Lichtbringer-Stoff also. Dieser Prozess der selbstständigen Lichterzeugung wird auch Biolumineszenz genannt und ist ziemlich kompliziert. Interessant ist aber, dass der Glühwurm chemische Energie nahezu verlustfrei in (kaltes) Licht umwandelt. Zum Vergleich: Eine Glühbirne macht aus elektrischer Energie nur zu etwa fünf Prozent Licht und zu 95 Prozent Wärme. Vom Glühwürmchen könnten wir in puncto Energieeffizienz viel lernen.

Glühwürmchen Weibchen leuchtet
Auch manche Weibchen geben Lichtsignale © Igor Krasilov / iStock / Getty Images

Das Leuchten dient bei unseren heimischen Glühkäfern (vermutlich) schlicht dem Zweck der Partnersuche. Das Weibchen, das am hellsten leuchtet, lockt am meisten Männchen an. Diese fliegen in etwa zwei Metern Höhe herum und lassen sich zielgenau auf ein Weibchen fallen, wenn sie eines erspäht haben.

Wie lange leben Glühwürmchen?

Die meiste Zeit seines Lebens verbringt ein Glühkäfer als Larve. Ganze drei Jahre dauert dieses Entwicklungsstadium. Dies ist auch die Zeit des großen Fressens: Glühwürmchen ernähren sich von Nackt- und Gehäuseschnecken, die sie mit einem Giftbiss überwältigen. Irgendwann verpuppt sich das Würmchen und verbringt eine Woche im Puppenstadium, bevor es zwischen Juni und Juli in seinen leuchtenden Lebensabschnitt eintritt. Dann frisst es gar nichts mehr, sondern zehrt von seinen Fettreserven aus der Larvenzeit. Leider ist sein glänzendes Dasein nur von kurzer Dauer, denn kurz nach der Paarung verglüht sein Liebeslicht und das Glühwürmchen stirbt.

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Warum sind Glühwürmchen gefährdet?

Leuchtkäfer leben auf allen Kontinenten mit Ausnahme der Antarktis. Es gibt über 2000 Arten. Ihre Bestände nehmen vermutlich ab. Dies liegt zum einen am schwindenden Lebensraum durch die Intensivierung der Landwirtschaft. Zum anderen macht dem Glühwurm die steigende Lichtverschmutzung zu schaffen. Hell beleuchtete Stadtparks zum Beispiel sind kein Ort, an dem eine Glühwürmchendame auf einen Partner hoffen darf, denn die Männchen meiden das Licht so gut es geht. Auch die Larven brauchen Dunkelheit.

Die Corona-Pandemie könnte für einige Glühwürmchen allerdings ein Segen sein. Aus den USA wird beispielsweise berichtet, dass viele Nationalparks in diesem Jahr nahezu menschenleer sind. Die Leuchtkäfer können sich in diesem Corona-Sommer ohne Lichtverschmutzung ungestört in den Wäldern finden und paaren.

Und was kannst Du tun?

Das ist diesmal ganz einfach: Licht aus, Vorhang auf für das romantische Schauspiel der Glühwürmchen — vor allem in der Johannissnacht.

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