Ozeane vor dem Burnout

Das Meer ist endlich. Und es ist satt oder eher schon: übersättigt. An Hitze, Lärm und Plastik. Wo es fast überall ein Zu-Viel gibt, gibt es zugleich einen Mangel:  An Sauerstoff, an intakten Lebensräume und an ungestörten Brut- und Laichgebieten. Ursache ist die Unersättlichkeit der menschlichen Begierden an den Ozeanen. 

Wir brauchen gesunde Meere. Für mehr als drei Milliarden Menschen ist Fisch eine der wichtigsten Proteinquellen. Die Ozeane sind natürliche Kohlenstoffsenken und schlucken den Großteil der menschengemachten Erderhitzung. Seegraswiesen und Korallenriffe bieten vielen Lebewesen eine Heimat. Zugleich sind widerstandsfähige und intakte Meere unsere größten Verbündeten zur Bewältigung von Klima- und Biodiversitätskrise und sie sichern Einnahmen im Tourismus.

Wir brauchen die See für unsere Wirtschaft. Fast nirgends wird dies so häufig diskutiert wie beim Ausbau der Offshore-Windenergie. Ein Thema, das leider oft für populistische Schlagabtausche herhalten muss. Meeresschutz und Klimaschutz werden in der Debatte gern gegeneinander ausgespielt. Dabei ist klar: Wir bauchen den Wind vom Meer. Nur ein 100 Prozent erneuerbares Energiesystem bewahrt uns vor den verheerenden Konsequenzen einer ungebremsten Erderhitzung, die nicht zuletzt den Meeren schadet.

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Grenzen der Ozeane

Die Linie verläuft nicht zwischen Klima- und Meeresschutz. Sie läuft zwischen industrieller Überbeanspruchung und Meeresschutz. Am Ende lautet die Frage: Was können und müssen die Ozeane stemmen, und wo braucht es dringend Grenzen?

Eine saubere Energieerzeugung ist auf Windparks im Meer angewiesen ©IMAGO / Westend

Wir können auf die Windenergie nicht verzichten. der Ausbau ist nötig,  aber nicht ohne Wenn und Aber. Strenge Umweltstandards müssen eingehalten werden, wenn Windparks geplant und umgesetzt werden. Beschleunigungsgebiete ohne Umweltverträglichkeitsprüfung auszuweisen, wie es die aktuelle Novelle der europäischen Erneuerbaren-Richtlinie vorsieht, ist ein Schnellschuss. Er schadet  den Meeren potenziell und beschleunigt die Energiewende nicht. Denn der Ausbau stockt nicht aufgrund von Umweltstandards, sondern an fehlenden Netzanbindungen und mangelndem Personal. Besonders sensible Gebiete wie Schutzgebiete müssen von industriellen Tätigkeiten ausgespart werden. Das Ausschreibungssystem ist einer der Dreh- und Angelpunkte für den naturverträglichen Ausbau der Offshore-Windenergie: Wir müssen über ambitionierte qualitative Kriterien den Schutz der Meere verbessern und die innereuropäische Windenergieindustrie stärken.

Klimaschutz ist Meeresschutz

An anderen Stellen können und müssen wir die Ozeane stärker entlasten. Zuerst natürlich beim CO2-Eintrag, der das Gleichgewicht an Land wie im Wasser durcheinanderbringt. Konsequenter Klimaschutz mit dem Ausstieg aus fossilen Energien, besserer Energieeffizienz, einem nachhaltigen Finanzsystem, Gebäude- und Verkehrswende schützen am Ende auch die Meere vor Übersäuerung und Überhitzung.

Die Ozeane versinken im Plastikmüll
Das Meer muss als Müllkippe für Plastik und andere Abfälle herhalten. © Aryfahmed / iStock-GettyImages

Stichwort Plastik: Jedes Jahr gelangen 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen Plastik in die Weltmeere. Wenn es so weitergeht , wird bis 2050 fast jeder Meeresvogel Plastikteile im Magen haben. Neben den Tieren leidet die Wirtschaft unter dem Müll: Allein für den asiatisch-pazifischen Raum entstehen der Tourismusbranche jährlich Kosten von 622 Millionen Dollar. Für jeden Dollar, den die Hersteller in die Plastikproduktion investieren, müssen Regierungen und die Gesellschaft mindestens zehnmal so viel bezahlen, um die negativen Auswirkungen zu beheben. Die Lebenszeitkosten von Plastik, das 2019 produziert wurde, schätzt ein Bericht des WWF auf 3,7 Billionen US-Dollar.

Was braucht es? Insgesamt natürlich eine viel geringere Plastikproduktion und dann besseres Recycling, eine bessere Abfallwirtschaft. Viel Hoffnung liegt auf dem aktuell verhandelten internationalen Vertrag gegen Plastikverschmutzung, der bis Ende des Jahres verabschiedet werden soll.

Wale haben keine Ohrstöpsel

Stichwort Lärm: Besonders die Schifffahrt ist für eine enorme Lärmbelästigung der Ozeane verantwortlich. Auf die Nordsee beispielsweise entfallen fast 25 Prozent der weltweiten Schiffsbewegungen. Sie ist damit eines der meistbefahrenen Meeresgebiete der Welt. Darunter leidet unter anderem der Schweinswal. Er orientiert sich durch Echoortung und wird vom Unterwasserlärm stark gestresst. Am Beispiel einer sich nähernden Schnellfähre konnten dänische Forscher:innen nachweisen, dass Schweinswale auf den Grund abtauchen, ihre Echoortung und auch das Fressen einstellen. Neben dem Schiffsverkehr sorgt die Rohstoffförderung für Lärm.

Drama auf den Ozeanen. Wale kollidieren mit großen Schiffen
Unterwasserlärm und Kollisionen mit Schiffen gefährden das Überleben vieler Meeressäuger © IMAGO-Nature-Picture-Library

Womit wir beim nächsten Thema wären: Ressourcenabbau in den Meeren. Die Weltgemeinschaft hat auf der Klimakonferenz in Dubai 2023 die Abkehr von fossilen Energien beschlossen. Das heißt: Es darf auch keinen Abbau von Öl und Gas mehr geben. Die Bohrungen sind  ein gewaltiger Infrastruktur-Eingriff in die Meere, den wir beenden können und müssen. Und wo wir schon von Ressourcen und Rohstoffen sprechen: Zum diskutierten Tiefseebergbau darf es gar nicht erst kommen, denn er hätte voraussichtlich zerstörerische Auswirkungen. Stattdessen ist es entscheidend, alternative Materialien zu finden und sich auf die drei zentralen Schlagworte für eine nachhaltige Wirtschaft zu besinnen: Reduzieren, Wiederverwenden, Recyceln.

Das Ende der Fossilen

Und apropos Abkehr von fossilen Energien: Die aktuell geplante Infrastruktur für Flüssiggas, kurz LNG, ist viel zu weitreichend. Das belastet die Meere und hilft auch dem Klima nicht, denn es verlängert die Abhängigkeit von Gas. Eine konsequente Ausrichtung an erneuerbaren Energien würde das verhindern.

Ebenso zu weitreichend geplant, ist die Speicherung von CO2 unter dem Meeresgrund, das sogenannte Carbon Capture and Storage (CCS) . Die Carbon Management Strategie der Regierung öffnet die Türen für Speicherung von  Emissionen aus Gaskraftwerken. Das ist sowohl für das Klima als auch für die Ozeane hochriskant. CCS verlängert die Abhängigkeit von Fossilen, es schiebt Verantwortung für die sichere Speicherung auf künftige Generationen ab und wird mit einem massiven Infrastrukturzubau und damit zusätzlichen Belastungen verbunden sein. Deshalb darf die Technik  für nicht-vermeidbare Restemissionen in der Industrie zum Einsatz kommen.  Letztlich steht die Frage im Raum, warum nur die Meere herhalten sollten und nicht auch das Land.

Nachhaltige Fischerei

Und wie steht es um die Fischerei? Weltweit galten 2022 über 35 Prozent der kommerziell genutzten Fischbestände als überfischt und 57 Prozent als maximal genutzt. Im Mittelmeer und im Schwarzen Meer werden sogar 63,4 Prozent der Bestände als überfischt eingestuft.

Die Überfischung viele Fischgründe bedroht die Ozeane
Subventionierter Treibstoff industrieller Fangflotten ist Gift für lebendige Meere. © WWF-Malaysia / Mazidi Abd Ghani

Es braucht besseres Management, das sowohl die Fischbestände besser schützt als auch den Fischer:innen langfristige Perspektiven gibt. Faire Abkommen mit Drittstaaten müssen eine umweltverträgliche und nachhaltige Fischerei fördern und die Rechte und Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung  schützen. Daneben dürfen Subventionen nicht länger in die Überfischung fließen.

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Ein Weniger an schädlichen menschlichen Eingriffen von Rohstoffabbau bis hin zu Abfallspeicherung  hilft, nötige Eingriffe wie Offshore-Windparks zu ermöglichen.

Weil unseren Ozeanen aber schon derart schlecht geht, braucht es neben der Reduzierung von Belastungen massive Anstrengungen für eine Verbesserung ihres Zustands etwa durch deutlich wirksameren Schutz und der Rückgewinnung verlorener Lebensräume und natürlicher CO2-Senken wie Seegraswiesen. Nur so können wir die lebenswichtigen Funktionen der Meere für uns Menschen — und den Klimaschutz — erhalten.

Am Ende müssen wir ein Netz an geschützten Gebieten sicherstellen, die die Biodiversität in den Meeren und ihre Resilienz gewährleisten. Solch ein Netz trägt auch zum globalen Ziel bei, mindestens 30 Prozent aller Flächen an Land und auf See bis 2030 unter besonderen Schutz zu stellen.

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Green Deal: Mission possible?

Der Weg zum Mond ist ziemlich weit. Ungefähr 380.000 Kilometer, um genau zu sein. Angesichts dieser Entfernung verwundert es nicht, dass die EU mit der von ihr postulierten „Mondmission“, dem europäischen Green Deal, noch ein ziemliches Stück vom Ziel entfernt ist. Aber viel besorgniserregender ist: einiges deutet drauf hin, dass die Rakete bereits auf dem Rückweg ist, bevor sie überhaupt richtig losgeflogen ist.

Ende 2019 präsentierte die frisch gebackene EU-Präsidentin Ursula von der Leyen ihren „Green Deal“ als „Man on the Moon-Moment“. Sie kündigte ein Gesamtpaket für wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz an. Ihr Ziel war und ist es, den Kontinent bis 2050 klimaneutral umzugestalten und die europäische Wirtschaft im internationalen Wettbewerb zu stärken. Gute Idee!

Europas Mondlandung! Hat sie den Mund zu voll genommen? © IMAGO CTK Pictures

Transformation in allen Bereichen

Dafür stehen tiefgreifende Veränderungen in nahezu jedem Politikbereich an. Mobilität, Landwirtschaft, Energieversorgung, Ernährung, Kreislaufwirtschaft, Ressourcennutzung und Industriepolitik . Auch die Finanzpolitik muss dringend auf nachhaltigere Beine gestellt werden. Transformation in vielen Bereichen. Viel zu tun.

Grundlage für den Green Deal ist das “Fit für 55” Paket, ein zentrales Gesetzespaket, das eine lange Reihe von Vorschlägen zur Über­arbeitung und Aktuali­sierung von EU-Rechts­vorschriften umfasst. Ziel der Initiative ist es, die Treibhausgas­emissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Angesichts der Vielzahl der Reformen war von Anfang an klar: Der Green Deal wird kein Projekt für eine Legislaturperiode, sondern ein ziemlicher Langstreckenflug.

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Europawahl 2024

Zwischenlandung Juni 2024: Europa wählt ein neues Parlament. Die Machtverhältnisse werden sich verschieben. Ob oder in welchem Tempo die Reise zum Mond weitergeht, steht in den Sternen. Gab es 2019 noch so etwas wie Aufbruchstimmung, hat sich die politische Lage in Europa verdunkelt. Die Pandemie und die diversen geopolitischen Spannungen haben ihre Spuren hinterlassen.  Im Wahlkampf ist Populismus angesagt: „Am Bauersterben sind nur die hohen Umweltauflagen schuld. Renaturierung bedroht unser Zuhause. Ein Tempolimit bringt nichts, und billiges Fleisch ist ein Grundrecht.“ Parolen wie diese fallen vielerorts auf fruchtbaren Boden. Das zeigt sich schon an veränderten Mehrheitsverhältnissen in diversen nationalen Parlamenten.

Wer stimmte wie? Das Abstimmungsverhalten im Europaparlament zu umweltrelevanten Fragestellungen.

Von Italien bis Holland ging der Ausschlag zuletzt deutlich nach Rechtsaußen. Für die Wahlen in Europa und die Zukunft des Green Deals ist das kein gutes Zeichen. Denn Parteien wie die AfD in Deutschland, VOX in Spanien oder Italiens Neofaschisten sind in der Vergangenheit nicht als Klima- oder Umweltschützer aufgefallen. Im Gegenteil. Die klimapolitischen Vorstellungen der AfD sind zum Beispiel noch extremer als die von anderen rechtsextremen Parteien in Europa. Die Partei hält die Klimaerhitzung für einen natürlichen Vorgang. Sie lehnt Klimaschutzgesetze, CO2-Steuern, EU-Emissionshandel, Energiewende, Energieeffizienz und Erneuerbare Energien ab. Die Stromversorgung soll stattdessen weitgehend mit Atomkraftwerken erfolgen. Für die für nötigen Uranlieferungen aus Russland würde man hingegen vermutlich das rechte Auge zudrücken.

Harte Zeiten für den Green Deal

Es zu befürchten, dass solche Stimmen noch lauter werden. Harte Zeiten für den Green Deal. Ohnehin mussten diverse Gesetzesvorhaben in den vergangenen Monaten heftige Rückschläge hinnehmen. Mit dem Segen aus Berlin wurde z.B. die Flächenstilllegung, also die Bereitstellung von Agrarflächen für den Naturschutz ausgesetzt. Ein paar tausend Bauern mit Traktoren auf den Straßen genügten, um bereits  verhandelte und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Regelungen zu kippen und das Ganze auch noch als „Bürokratieabbau“ zu verschleiern.

Ein Paar Traktoren genügten, um wichtige Regelungen zu Fall zu bringen. © Picture-alliance / Hans Lucas Adrien Auzanneau

Green Deal auf  Kurs?

Trotz all dieser Rückschläge, der Kurs stimmt.  Das sehen zumindest die Experten des “European Climate Neutrality Observation” , eine auf Klimafragen fokussierte Denkfabrik so. Der rechtliche Rahmen stimme, es hapere an der Umsetzung. Was fehlt sei das Geld für Investitionen. Damit der Green Deal fliege und das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erreicht werden könne, müsse man die jährlichen Investitionen mehr als verdoppeln.

Ein Umbau schädlicher Subventionen wäre ein guter Anfang. Anstatt Milliarden in natur- und klimaschädliche Aktivitäten zu pumpen, könnten öffentlichen Gelder  umgelenkt werden. Allein zur Schließung von Finanzierungslücken zur Erreichung dringend notwendiger EU-Ziele für den Natur- und Artenschutz könnte sehr viel über die konsequente Umlenkung bestehender Mitteln in den entsprechenden Wirtschaftssektoren erreicht werden, wie ein  WWF-Report zeigt.

Ob es mit dem Flug zum Mond noch klappt, bleibt abzuwarten. In der kommenden Legislaturperiode werden Themen wie Migration, Sicherheit, Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit im Vordergrund stehen. In welche Richtung es geht, darauf deutet ein Bericht des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Enrico Letta hin. Ein neuer Deal für Wettbewerbsfähigkeit, der “New European Competitiveness Deal” zeichnet sich ab. Das muss nicht das Ende der Mondmission von Ursula von der Leyen sein. Der Green Deal kann als Treiber der europäischen Wettbewerbsfähigkeit überleben.  Unter welchem Etikett die Reformen letztendlich ausgebaut und umgesetzt werden, spielt für die Zukunft unseres Planeten keine Rolle. Hauptsache es passiert.

Die Konkurrenz schläft nicht

Wo kommt unser Strom der Zukunft her? Wo unsere Energie? Innovative Projekte gibt es schon heute!
Photovoltaikmodule kommen inzwischen meist aus China.© Asia Chang, Unsplash

Das Strategiepapier von Enrico Letta ist auch eine Reaktion auf die wirtschaftlichen Entwicklungen in anderen Teilen der Welt.  Auch außerhalb Europas hat man längst begriffen, dass Nachhaltigkeit und eine bessere Wettbewerbsfähigkeit keine Gegensätze sind. Die USA pumpen Milliarden in ihren „Inflation Reduction Act“ um High-Tech Unternehmen zu unterstützen. Und auch am anderen Ende der Welt ist man nicht untätig. Inzwischen erwirtschaftet China 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes mit Elektroautos, Solaranlagen und anderen Produkten der Cleantech-Industrie.

Europa hat Nachholbedarf. Viel zulange klammert man sich an Verbrennungsmotoren und hält an umwelt- und klimaschädlichen Subventionen fest. Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern wird verzögert, der Ausbau von Erneuerbaren vielerorts blockiert. Stattdessen träumen viele europäische Politiker:innen noch immer von Flugtaxis und Kernfusion. Es ist an der Zeit, aufzuwachen.

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Hurra, Hurra, der Luchs ist da!

Er ist wieder da: Der Luchs. Zumindest zwei von ihnen streifen jetzt wieder durch den Thüringer Wald. Weitere  18 Tiere sollen folgen und den Grundstein für eine gesunde Luchspopulation in der Region legen.

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Die Vorgeschichte der beiden tierischen Protagonist:innen könnte unterschiedlicher kaum sein: “Aristocats” in echt.  Zum einen ist da Frieda, eine “Luchslady” aus dem  Wildkatzendorf Hütscheroda. Sie ist schon im Gehege geboren. “Vollpension” und “Gesundheitsversorgung” inclusive. Die Freiheit hat das Tier hingegen nie gesehen. Frieda hat sich ihre extreme Scheu bewahrt und genau dadurch ist sie für das Auswilderungsprojekt geeignet.

Die ersten Schritte in die Freiheit. Frieda, ein Luchsweibchen aus dem Gehege im Wildkatzendorf Hütscheroda startet in ihr neues Leben im Thüringer Wald. © Max Kesberger / Luchs Thüringen

Nicht ganz freiwilliger Zuwanderer

Bei ihrem potenziellen Partner Viorel ist das anders. Scheu ist auch er, aber vor allem wild. Viorel tappte erst im März rumänischen Naturschützern von der Vereinigung zum Erhalt der Biodiversität (ACDB), in eine Kastenfalle. Gefangenschaft auf Zeit. Von den Karpaten ging seine Reise ins Auswilderungshege nach Thüringen. Dort winkte schon bald die Freiheit. Nach wenigen Wochen Eingewöhnungszeit. Gesundheitscheck und Besenderung konnte der wilde “Kuder”, so werden männliche Luchse genannt, in seinem neuen Revier wieder auf die Jagd nach Rehen gehen.

Geht die eine Tür zu, geht eine andere Tür auf: Der Luchs “Viorel” aus den Karpaten auf dem Weg in sein neues Revier. © Max Kesberger / Luchs Thüringen

Freiheit auf Raten

Damit sich Frieda und Viorel schon einmal beschnuppern konnten, wurden sie einige Wochen in zwei voneinander getrennten Einheiten eines kleinen “Soft-Release-Geheges” untergebracht. Am 15. Mai öffnete man die Türen. Jetzt heißt es: Daumen drücken, dass die Tiere sich einleben und sich hoffentlich gut riechen können!  Ob die olfaktorische Eheanbahnung funktioniert hat, müssen die nächsten Monate zeigen. Mittelfristig dürfte das Angebot an passenden Partnern vielfältiger werden. Denn es stehen bis 2027  weitere Auswilderungen an.

Das Projekt

Die Freilassung ist der Auftakt des größeren Projekts “Luchs Thüringen”. Das Comeback des Luchses wird vom Freistaat und der EU mit Mitteln aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds (EULER) finanziert. Ziel ist es, den Luchsen im Thüringer Wald eine dauerhafte Zukunft zu geben. Aktuell leben in Deutschland rund 130 selbständige Luchse, die sich vor allem auf drei Verbreitungsgebiete verteilen: den Bayerischen Wald, den Harz, und seit wenigen Jahren auch den  Pfälzerwald. Alle drei Regionen sind jedoch mindestens 250 km voneinander entfernt und auch von anderen europäischen Luchsvorkommen weitgehend isoliert.

Der Thüringer Wald soll eine Art Brücke bilden. Zwar tauchen hier  gelegentlich männliche Tieren aus dem Harz oder dem Bayrischen Wald auf, doch die sind meist nur auf der Durchreise. Eine Population kann jedoch nur entstehen, wo es auch Weibchen und Nachwuchs gibt. Junge Luchsweibchen richten ihre Reviere allerdings in der Regel nur in direktem Kontakt zu Revieren von Artgenossen ein, so dass sich die Art nur sehr schlecht ausbreiten kann.  Die angesiedelten Artgenossen sollen das beschleunigen. Wir möchten eine Brücke zwischen den Luchspopulationen im Harz und im Bayerischen Wald entstehen lassen, um einen genetischen Austausch zu ermöglichen und somit die Diversität und Stabilität der Luchspopulationen in Europa zu fördern.

Dem Luchs auf die Sprünge helfen. Die Ansiedelung der Tiere in Thüringen soll helfen, die bestehenden Populationen miteinander zu vernetzen.  © WWF Deutschland

 

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Die Wiederansiedlung der Pinselohren in Thüringen ist ein Gemeinschaftsprojekt. Neben BUND Thüringen und dem WWF engagieren sich acht weitere Projektpartner aus Deutschland und Rumänien  für eine dauerhafte Rückkehr der Luchse.

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Essen ist politisch

Essen ist nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern auch eine politische Angelegenheit. Wie wir uns ernähren, beeinflusst unsere Gesundheit und hat Folgen für Klima, Artenvielfalt und soziale Gerechtigkeit. In einer Welt, in der Milliarden von Menschen immer noch nicht ausreichend und gesund ernährt sind, müssen wir verstehen, dass unsere Essgewohnheiten Auswirkungen haben, die weit über den eigenen Tellerrand hinausgehen. Aber  zum Teil dort auch beginnen.

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Die Macht der Mahlzeiten

Forschungsergebnisse zeigen, dass wir ungefähr 200 Mal am Tag über Essen nachdenken. Die ständige Präsenz des Themas unterstreicht die Bedeutung unserer Essensentscheidungen für unsere Gesundheit, unsere Umwelt und unsere Gesellschaft. Indem wir uns bewusst für eine nachhaltige und faire Ernährung entscheiden, können wir nicht nur unser eigenes Wohlbefinden verbessern, sondern zugleich einen Beitrag zu einer besseren Welt leisten.

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Was Essen wir heute?  Eine Frage, die sich immer wieder neu stellt. © Gopixa / iStock / Getty Images

Nicht deklarierte Zusätze: Klimawandel und Artensterben

Unsere  Ernährungsweise hat direkte Auswirkungen auf das Klima und die Biodiversität. Ein Beispiel: Die Massentierhaltung ist ein Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen und führt  zur Entwaldung und Zerstörung natürlicher Lebensräume. Der Anbau von Monokulturen für Tierfutter führt zur Ausbeutung von Böden und zur Reduzierung der Artenvielfalt. Andererseits können wir durch den Konsum von lokal produzierten und saisonalen Lebensmitteln unseren ökologischen Fußabdruck verringern. Eine pflanzenbasierte Ernährung hilft beim Erhalt der Biodiversität.

Gerodete Wälder, ausgetrocknete Böden und verschmutztes Wasser gehören zum “Beigeschmack” vieler Lebensmittel. © iStock-Getty-Images

Trotz voller Teller leere Bäuche

Es ist eine traurige Realität, dass trotz der Überproduktion von Lebensmitteln weltweit Millionen von Menschen hungern oder unter Mangelernährung leiden. Gleichzeitig gibt es in vielen Teilen der Welt ein Problem mit Übergewicht und Fettleibigkeit. Diese Ungleichheiten in der Ernährung sind oft das Ergebnis von sozioökonomischen Faktoren, wie dem Zugang zu gesunden Lebensmitteln, Bildung und Einkommen. Die Politik spielt eine entscheidende Rolle dabei, sicherzustellen, dass alle Menschen Zugang zu einer ausgewogenen und erschwinglichen Ernährung haben.

 

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Politik: Koch oder Kellner

Die Politik kann einen Rahmen schaffen, der nachhaltige Ernährungspraktiken fördert und die soziale Gerechtigkeit unterstützt. Dies beinhaltet Maßnahmen wie Subventionen für ökologische Landwirtschaft, Regulierungen zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung und Programme zur Förderung von Bildung und Zugang zu gesunden Lebensmitteln. Es liegt nicht allein in der Verantwortung der Einzelnen, gesunde Entscheidungen zu treffen, sondern auch darin, sicherzustellen, dass diese Entscheidungen für alle Menschen zugänglich sind.

Meistens eher ungesund: Kantinenessen in Deutschland © lakshmiprasad-S-iStock-Getty-Images

Die politische Speisekarte

Gegessen wird, was auf den Tisch kommt? Das muss nicht sein. Am 9. Juni haben wir die Wahl. Es liegt an uns, bei den Wahlen zum Europarlament mit unserer Stimme Menschen zu unterstützen , die sich für eine nachhaltige Ernährung und soziale Gerechtigkeit einsetzen. Es ist wichtig, demokratische Parteien zu wählen, die sich für die Schaffung eines Ernährungssystems einsetzen, das die Bedürfnisse von Mensch und Umwelt gleichermaßen berücksichtigt. Indem wir unsere Stimme abgeben, können wir dazu beitragen, eine Zukunft zu gestalten, in der Essen nicht nur eine Frage des Geschmacks ist, sondern auch ein Instrument des Wandels für eine gesündere und gerechtere Welt.

Frisch gekocht, schmeckt besser und ist meisten auch gesünder © Lyndon-Stratford /iStock/Getty-Images

Der etwas andere  Kochkurs

Um das Bewusstsein für diese Zusammenhänge zu schärfen, bieten wir einen kostenlosen Onlinekurs an. WWF-Expert:innen und führende Wissenschaftler:inner die Zusammenhänge erklären. Der Kurs bietet Einblicke in die komplexen Beziehungen zwischen Ernährung, Umwelt und Gesellschaft. Er zeigt auf, wie wir als einzelne und als Gemeinschaften positiven Wandel herbeiführen können.

Kostenlose Anmeldung: wwf.de/foodkurs

Setzen wir uns gemeinsam für eine nachhaltige und faire Ernährungszukunft ein!

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Klimakrise: Leichen pflastern ihren Weg

Auf dem Totenschein steht Herz-Kreislauf-Versagen, Schlaganfall oder Lungenkrebs. Ärzt:innen diagnostizieren Bluthochdruck, Diabetes oder Demenz. Zivilisationskrankheiten! Zu den Gründen für ein vorzeitiges Ableben gehören aber nicht nur ungesunde Ernährung, anfällige Gene oder ein exzessiver Lebensstil, sondern immer öfter auch die Klimakrise.

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Luftverschmutzung

Der Smog in unseren Städten ist eine Nebenwirkung des fossilen Zeitalters, das noch immer nicht zu Ende geht. Abgase aus Fabriken, Schornsteinen, Kraftwerken und Auspuffen nehmen uns die Luft zum Atmen. Fünf Millionen Tote gehen jedes Jahr auf das Konto verschmutzter Luft. Infarkte, Herz-Rhythmus-Störungen und Asthma gehören zum Krankheitsbild Etwa zwei Drittel der Luftverschmutzung stammen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Deshalb ist Klimaschutz gleichzeitig ein Rezept gegen diverse Zivilisationskrankheiten.

Hitze

Die verdreckte Luft ist nicht der einzige Krankmacher, der direkt mit der Klimakrise zusammenhängt. Auch die Erderwärmung selbst macht uns zunehmend zu schaffen. Im Jahr 2023 wurden die höchsten globalen Temperaturen seit mehr als 100.000 Jahren beobachtet. Das zurückliegende Jahrzehnt war die heißeste jemals registrierte Dekade, und auf allen Kontinenten wurden regelmäßig Hitzerekorde gebrochen.

Das Wetter wird immer extremer und das hat oft fatale Folgen © AL-Travelpicture / iStock-Getty / Images

Das bleibt nicht ohne Folgen: Gesundheitsgefährdende hohe Temperaturen treffen vor allem ältere oder ohnehin angeschlagene Menschen. Hitze schwächt den Körper und führt zu Schwindel, Bewusstlosigkeit, Herz-Kreislauf-Problemen bis hin zum Tod.

Eine Expertenkommission der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet  setzt sich regelmäßig mit der Thematik auseinander. In ihrem Bericht von 2023 konstatieren die Wissenschaftler:innen eine 85prozentige Zunahme der hitzebedingten Todesfälle bei Kleinkindern und Menschen über 65 Jahren; in nur einem Jahrzehnt! Beunruhigend sind auch die Zahlen des Robert Koch Instituts. Demnach forderte die Sommerhitze 2023 allein in Deutschland über 3.000 Todesopfer. Das dürfte kein Ausnahmejahr bleiben. Die Expert:innen von The Lancet befürchten, dass sich die hitzebedingten Todesfälle bis Mitte des Jahrhunderts mehr als verdreifachen.

Extremwetter macht krank

Hitze, Wind und Trockenheit führen zu immer extremeren Bränden. © Andrii / iStock-Getty / Images

Es wird nicht nur immer wärmer, sondern das Wetter wird auch immer extremer. Gewaltige Überflutungen wechseln sich ab mit lang anhaltenden Dürren. Wirbelstürme und Waldbrände richten gewaltige Schäden an und verschlingen Unsummen für den Wiederaufbau. Sie kosten zugleich Millionen Menschen das Leben. Nicht nur akute Naturkatastrophen fordern ihren Tribut. Immer häufigere Hitzewellen und Dürren führen dazu, dass der Hunger wieder zunimmt. Die Zahl der Unterernährten hat in wenigen Jahren um mehr als 120 Millionen zugenommen. Die Klimakrise führt zu Hunger, und Hunger macht krank.

Trockenheit führt zu Ernteausfällen und die wiederum zu Hunger und Hunger macht krank. © altanakin / iStock-Getty / Images

Infektionskrankheiten

Mit dem Klima verändert sich das Verbreitungsgebiet von Krankheitserregern. Blutsaugende Insekten dringen in Gegenden vor, in denen sie bislang wenig Überlebenschancen hatten. Und sie bringen Krankheiten mit, die man bislang nur aus den Tropen kannte. Das Vordringen der Tigermücken oder die Vermehrung von Zecken fördern die Verbreitung von Infektionskrankheiten wie Dengue, Zika oder das West-Nil-Fieber. Auch vereinzelte Fälle von Malaria wurden bereits in Europa beobachtet. In dem schon genannten Lancet Bericht rechnen die Mediziner:innen damit, dass das Übertragungsrisiko für das Dengue-Fieber – eine fiebrige Krankheit, die mit Kopf‑, Muskel‑, Glieder‑, Knochen- oder Gelenkschmerzen einhergeht bis Mitte des Jahrhunderts um über 35 Prozent zunimmt.

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Durch die Erwärmung der Weltmeere  gehören krankmachende Vibrionen zu den Gewinnern der Klimakrise. Es handelt sich um Bakterien, die in den Ozeanen vorkommen und sich bei höheren Temperaturen besonders stark vermehren. Gelangen sie in den Körper, können sie Brechdurchfall und Infektionen verursachen. Durch die ansteigenden Meerestemperaturen finden die Bakterien optimale Bedingungen. Inzwischen leben 1,4 Milliarden Menschen in gefährdeten Küstenabschnitten und sind dem Risiko ausgesetzt, sich mit den Erregern zu infizieren.

 

Klimaziele: Sturm über der Karibik
Wärmere Ozeane bieten optimale Bedingungen für die Vermehrung von Krankheitserregern wie Vibrionen © Valio84sl / iStock/GettyImages

Die Klimakrise birgt  gewaltige Herausforderungen für die Gesundheitssysteme, insbesondere in den Entwicklungsländern. Das erfordert viel Geld und ein ganzheitliches Denken. Die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt ist eng miteinander verbunden. Mit dem so genannten „One-Health-Ansatz“ wird versucht, darauf zu reagieren. Ziel ist es, die Bedrohungen für die Gesundheit und den Zustand unserer Ökosysteme gemeinsam in den Blick zu nehmen und Maßnahmen gegen die Klimakrise auf den Weg zu bringen. Es spricht vieles dafür, dass sich dieser integrierte Ansatz noch einigen Herausforderungen stellen muss. Denn es wird immer deutlicher: Die Klimakrise ist auch eine Gesundheitskrise.

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