Haie und Rochen in der Nordsee

Wenn ich über Haie spreche, merke ich oft, dass viele Menschen automatisch Bilder im Kopf haben. Meist stellen sie sich große, grimmige, graue Raubfische vor, die an Korallenriffen auf Jagd gehen. Die meisten wissen nicht, dass wir auch Haie bei uns in den deutschen Meeresgebieten haben. Und sie meistens ganz anders aussehen.

Haie und ihre engen Verwandten, die Rochen, kommen weltweit in nahezu allen Meereslebensräumen vor — von den Tropen bis in die Polargebiete, von seichten Mangrovengebieten bis in die Tiefsee. Die Süßwasserstechrochen Südamerikas oder der Gangeshai sind Bewohner tropischer Flüsse. Sie können gar nicht im Meer leben.

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Die weltweit über 1200 Arten von Haien und Rochen haben sich im Laufe ihrer 450 Millionen Jahre andauernden Entwicklungsgeschichte an viele unterschiedliche Lebensweisen angepasst. Allein ihre Körpergrößen variieren vom Zwergdornhai mit seinen 15 Zentimetern bis zum fast 20 Meter langen Walhai.

Es waren mal 18 Arten

Eine Studie der Universität Hamburg, belegte im Jahr 2017 das historische Vorkommen von 18 Arten von Haien und Rochen in den deutschen Meeresgebieten der Nord- und Ostsee. Vier Hai- und sechs Rochenarten gelten davon als heimisch. Die meisten kommen regelmäßig nur in der Nordsee vor.

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Das Erstaunlichste an den Ergebnissen der Studie ist vor allem, dass alte Literatur und wissenschaftliche Museumssammlungen zeigen, dass einige Hai- und Rochenarten bei uns früher wesentlich häufiger vorkamen. Sie waren teils sehr häufig in der Nordsee bis ins Wattenmeer zu finden.

Hai und Rochen stark zurückgegangen

Leider sind die ursprünglich häufigen Hai- und Rochenarten seit den 1950er Jahren in der gesamten Nordsee stark zurückgegangen. Die Gründe dafür liegen nicht zuletzt in der Fischerei: Der Verzehr von Hai- und Rochenfleisch war früher an den Küsten weit verbreitet. Es galt als Arme-Leute-Essen. Aber auch heute wird dies immer noch manchmal angeboten. Beispielsweise in Form von „Schillerlocken“. So mussten bereits zwei heimische Rochenarten für ausgestorben erklärt werden (Glattrochen und Stechrochen).

“Neue” Haie in der deutschen Nordsee

Es gibt aber auch gute Nachrichten. Seit dieser Bestandsaufnahme sind zwei weitere Haiarten hinzugekommen. Der Blauhai konnte nun bereits zweimal nachgewiesen werden, allerdings leider nur durch Totfunde. Der Fuchshai wurde zum ersten Mal im Sommer 2019 zwischen Borkum und Helgoland sogar in Aktion gefilmt. Überraschend ist das Vorkommen dieser beiden Hochseearten bei uns nicht, denn sie sind in anderen Teilen der Nordsee bis ins Skagerrak und Kattegat seit langem als Sommergäste und Durchzügler bekannt. Bei uns worden sie aber noch nie nachgewiesen.

Blauhai in der Nordsee
Auch wieder da: Blauhai © Joost van Uffelen / WWF

Wieder da: Riesenhaie in der Nordsee

Auch manche die wir lange nicht gesehen haben, sind wieder beobachtet worden. Darunter Riesenhaie — mit bis zu zehn Metern Länge und vier Tonnen Körpergewicht die zweitgrößten Fische überhaupt. So wurden 2016 mehrere Riesenhaie in der deutschen Nordsee gesichtet, zuletzt war dies 1984 der Fall. Ein Weißgefleckter Glatthai konnte Anfang 2019 auf Borkum aus einer misslichen Lage befreit werden. Ein Nagelrochen wurde im Sommer 2020 im Wattenmeer bei Baltrum von Wattwanderern entdeckt.

Die seltenen Hundshaie — Kinderstube Nordsee?

Weiter draußen, südwestlich von Helgoland, gibt es sogar regelmäßig Hundshaie. Die bis zu knapp zwei Meter großen, bei uns stark gefährdeten Haie legen jedes Jahr weite Wanderungen zurück. Sie kommen im Frühjahr zu uns und verlassen die Nordsee zum Herbst wieder. Das Thünen-Institut in Bremerhaven arbeitet dazu in einem Forschungsprojekt, in dem Hundshaie mit Satellitensendern versehen werden, die ihre Wanderrouten aufzeichnen. Wir sind gespannt welche neuen Erkenntnisse dieses Projekt liefern wird, denn manches deutet darauf hin, dass die Tiere sogar in der Nordsee ihre Jungen bekommen!

Haie brauchen Schutz

Haie vermehren sich aufgrund ihrer Biologie nur langsam. Sie werden erst spät geschlechtsreif und bekommen nur wenige Jungtiere. Dafür brauchen sie Schutzräume. Die jungen Hundshaie aber auch Elterntiere in der Nordsee und auf ihren Wanderwegen vor der Fischerei zu schützen, könnte essenziell für ihre Population sein.

Hundshai in der Nordsee
Regelmäßig zu finden: Hundshai © IMAGO / blickwinkel

Schutzgebiete helfen!

Besonders das Natura 2000-Schutzgebiet „Borkum-Riffgrund“ nördlich von Borkum ist dabei für den Hundshai entscheidend. Aber auch die anderen Meeresschutzgebiete der deutschen Nordsee, vor allem das Schutzgebiet Doggerbank in der zentralen Nordsee, spielen eine wichtige Rolle beim Erhalt der Populationen anderer Haie und Rochen. Fischerei, insbesondere mit bodenberührendem Fanggerät, muss von mindestens der Hälfte der Schutzgebietsfläche ausgeschlossen sein. Nur so kann ein echter Rückzugsraum für die Tiere entstehen.

Fazit: Durch wirkungsvolle fischereiliche Maßnahmen und große Null-Nutzungszonen in den Schutzgebieten können bei uns selten vorkommende Hai- und Rochenarten wieder häufiger werden. Und auch das Wattenmeer zurückerobern.

Keine Panik!

Wer sich jetzt alarmiert fühlt und sich fragt, was das für den nächsten Nordseeurlaub bedeutet, braucht jetzt aber keine Angst zu bekommen! Denn bis auf den planktonfiltrierenden Riesenhai, sind alle Arten eher klein. Und kommen meist weiter von der Küste entfernt vor.

Sie sind zudem so selten, dass die Wahrscheinlichkeit, ihnen beim Baden zu begegnen, sehr klein ist. Ein Hai hätte außerdem bei einer Begegnung sicherlich mehr Angst und würde das Weite suchen! In nordeuropäischen Gewässern ist noch nie ein Vorfall zwischen Haien und Menschen verzeichnet worden.

Bedrohte Unterwasserwelt im Wattenmeer

Katzenhai Nordsee
Faszinierendes aus einer nahen, fremden Welt.

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Brasilien: Der Ablenkungsangriff auf die Indigenen

Die brasilianische Regierung versucht indigene Aktivisten mit absurden Behauptungen einzuschüchtern – um vom eigenen Versagen abzulenken.

Wir sind empört über die Einschüchterungen gegenüber Sônia Guajajara, eine der leitenden Koordinatorinnen der Vereinigung der indigenen Völker Brasiliens (APIB). Sie wurde zur Zielscheibe einer von der Bundespolizei eröffneten Untersuchung.

Anlass ist die aufsehenerregende Webserie “Maracá — Indigener Notfall”. In acht Folgen wird gezeigt, wie die indigene Bewegung versucht die Corona-Pandemie zu bekämpfen. Sônia Guajajara wird nun vorgeworfen die Zahlen der von COVID-19 betroffenen Indigenen zu fälschen. Dadurch werde das Image Brasiliens geschädigt. Der indigene Anführer Almir Suruí ist ähnlichen Vorwürfen ausgesetzt.

 

Zum Glück hat jetzt ein Gericht in Brasilia das Verfahren gestoppt. Das ist ein Zwischenerfolg. Aber selbst wenn dieses Verfahren eingestellt wird, werden Angriffe auf Indigene, deren Organisationen oder Anführer nicht aufhören. Die Attacken zeigen das autoritäre Gesicht der Regierung Bolsonaro. Unabhängige Stimmen, die auf Probleme hinweisen, werden nicht geduldet. Schon gar nicht bezüglich der Pandemie, die bereits mehr als 400.000 Brasilianer das Leben gekostet hat.

Längst nicht der einzige Angriff

Nicht zum ersten Mal wird mit den Untersuchungen der Polizei direkt die Meinungsfreiheit angegriffen: Forscher, Journalisten und Umweltaktivisten, wie der Koordinator der Klimabeobachtungsstelle, Márcio Astrini, wurden bereits unter zweifelhaften Gründen zu Aussagen vorgeladen.

Dieser klare Angriff auf die brasilianische Demokratie muss ein Ende haben. Jetzt haben mehr als 1000 zivilgesellschaftliche Organisationen die andauernden Versuche der Regierung Bolsonaro verurteilt, die indigenen Organisation und ihre Führer einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen.

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Es ist bezeichnend, dass die Untersuchung viele Monate nach der Veröffentlichung der Web-Serie eingeleitet wurde. Sie kommt einem Zeitpunkt, an dem sich die Regierung mit einer parlamentarischen Untersuchungskommission auseinandersetzen muss. Dort werden Handlungen und Unterlassungen im Umgang mit der Pandemie und dem Zusammenbruch des Gesundheitssystems im Bundesstaat Amazonas unter die Lupe genommen. Da kommt der Regierung jede Ablenkung von eigenen Versäumnissen recht.

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Um es nochmal deutlich zu sagen: Für uns vom WWF sind Demokratie, Menschenrechte und Meinungsfreiheit nicht verhandelbar. Wir alle stehen solidarisch zu Sônia Guajajara, einer unverzichtbaren Führungspersönlichkeit der gesamten Indigenen-Bewegung.

Plakat Indigene mit Sonia
Der Kampf der Indigenen für ihre Rechte und ihre Heimat geht weiter © APIB

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Das Aus für Südafrikas Löwenfarmen

In Südafrika werden jedes Jahr tausende Löwen für die Nutzung in Streichelzoos und für das so genannte „canned hunting“ gezüchtet. Vieler dieser vermeintlich wilden Löwen werden dann in kleinen Gehegen von Jagdtouristen geschossen. Geht es nach dem Willen von Umweltministerin Barbara Creecy soll damit künftig Schluss sein. Am Sonntag vergangener Woche trat sie vor die Presse und verkündete das Aus für die kommerzielle Löwenzucht.

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Nach offiziellen Schätzungen gibt es im Land zwischen 250 und 350 dieser Zuchtstationen in denen etwa 8000 Tieren leben. Insidern zufolge liegt die Dunkelziffer allerdings deutlich höher.

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Um die 20.000 Euro kostet der Abschuss so eines Löwen laut den Angaben privater Anbieter. Deutsche stellen laut der Tierschutzorganisation Pro Wildlife zahlenmäßig die stärkste Gruppe der Großwildjäger, nach US-Amerikanern und Spaniern.

Löwen in Löwenfarm
Solche Löwenfarmen soll es nicht mehr geben © picture alliance / dpa / Sinikka Tarvainen

Die Tiere leben oft unter schlimmsten Bedingungen, auf engstem Raum, ohne ausreichend Nahrung oder tierärztlicher Versorgung. Ich finde die Entscheidung der südafrikanischen Regierung gut, schon alleine aus Tierschutzgründen. Für mich bleiben aber noch einige Fragen offen.

Was passiert mit den Löwen?

Was passiert mit den tausenden Löwen in Gefangenschaft, wenn die Zuchtstationen geschlossen werden? Laut südafrikanischer Regierung sollen diese human getötet werden. Was bedeutet das genau? Wer soll das tun? Und was passiert mit den getöteten Tieren?

Löwenknochen als Ersatz für Tiger

Bis 2018 erlaubte das Land den Export von hunderten Löwenskeletten pro Jahr. Der Großteil landete als „Tigerersatz“ auf den traditionellen medizinischen Märkten in Vietnam und China. Da aber Knochen und andere Körperteile wilder oder in Gefangenschaft gehaltener Löwen kaum zu unterscheiden sind, fördert das den Schmuggel mit Knochen von Löwen aus freier Wildbahn. Ein ganz ähnliches Problem zu den sogenannten Tigerfarmen in Asien. Wir vom WWF fördern seit Jahren deren Schließung.  

Zwar stoppten Gerichte den legale Export von Löwenknochen aus Südafrika, aber die Nachfrage bleibt. Zucht und Handel werden deswegen vermutlich illegal fortgesetzt, Händler suchen nach alternativen Quellen. So halte ich es für möglich, dass die illegale Jagd auf wilde Löwen in Zukunft zunehmen wird.

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Deutschland, Land der Luchse

Sie jagen auf leisen Pfoten. Ihre Augen sind sechsmal lichtempfindlicher als unsere. Ihre Ohren sind sprichwörtlich fein, sie hören das feinste Rascheln, wenn sie nachts durch den Wald streifen. Sie in freier Wildbahn zu sehen? Fast unmöglich. Denn sie passen natürlich auf wie ein Luchs.

Luchse sind sehr scheue Jäger. Vielleicht deshalb schlägt die Rückkehr des Luchses nach Deutschland viel weniger Wellen als beim Wolf. Außer, wenn mal wieder ein Luchs überfahren wurde. Oder erschossen. Wenn ein verliebter Luchs in ein Luchsgehege EINbricht. Oder wieder Luchse ausgewildert werden.

50 Prozent mehr Luchse als im Vorjahr!

Die Rückkehr der Luchse ist fraglos eine Erfolgsgeschichte des Naturschutz. In den letzten Jahren gab es viele Lichtblicke: Im vergangenen Monitoringjahr von Mai 2019 bis April 2020 wurden deutschlandweit rund 130 selbstständige Luchse gezählt, 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Schutzmaßnahmen – an denen auch der WWF beteiligt ist – tragen Früchte. Auch beim Nachwuchs zeigt der Pfeil nach oben: 59 Jungluchse wurden gezählt, zehn mehr als zwölf Monate zuvor.

Luchs in Deutschland im Wald auf der Jagd
Es gibt Lichtblicke © Julius Kramer / fokusnatur.de

Diese Zahlen machen uns große Hoffnung, dass die Wiedereinbürgerung der Luchse auf lange Sicht gelingt. Deutschland wird wieder Luchsland, keine Frage. Doch noch ist der leichte Bestandszuwachs kein langfristiger Trend. Wir brauchen mehr Luchse.

Es sind immer noch zu wenige Luchse

Aktuell bleibt die Situation für Luchse angespannt. Es bleibt nach wie vor viel zu tun. Noch immer sind die drei etablierten Vorkommen der Pinselohren im Pfälzerwald, Harz und in Südostbayern vergleichsweise klein und isoliert. Das bedeutet: Es gibt nach wie vor nur wenige, zu wenige Tiere, die sich fortpflanzen. Hinzu kommt die zunehmende Zerschneidung von Lebensräumen durch Straßen, Schienen, Siedlungen. Regelmäßig werden Luchse auf ihren Wanderungen überfahren. Auch die illegale Tötung der Tiere ist eine ernsthafte Gefahr, insbesondere in Bayern.

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Deshalb dürfen wir uns nicht auf unseren Erfolgen ausruhen, sondern müssen dranbleiben, bis der Luchsbestand eine stabile Größe erreicht hat.

Neuer Partner für die Luchse

Es freut mich, dass wir dafür einen neunen Partner gefunden haben. Seit Anfang 2021 unterstützt uns Sante, worüber ich mich sehr freue. Dank der mehrjährigen Zusage von Naturkosmetik Sante, die Luchs-Arbeit des WWF zu unterstützen, können wir unser Engagement nun weiter – sogar über Deutschland hinaus – weiter ausbauen. So können wir jetzt auch das wichtige Projekt LIFE Lynx unterstützen, in dem Luchse aus Rumänien und der Slowakei in die Südostalpen und die Dinariden gebracht werden. Gerade in diesen Wochen werden fünf Luchse im Umkreis des slowenischen Triglav-Gebirges ausgewildert! Diese Luchse werden in ein paar Jahren – so die Hoffnung – auch den Luchsen in Deutschland zu Gute kommen, denn sie bilden eine  Brücke zwischen den Luchsvorkommen in der Schweiz und in Südosteuropa. Und genau diese Brücken brauchen wir

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Wir hoffen, dass eines Tages die meisten Vorkommen von Luchsen in Europa miteinander vernetzt sind. Das ist enorm wichtig, um den Genpool der Luchse aufzufrischen und dafür zu sorgen, dass die Art langfristig überlebensfähig ist. Wie gesagt: Es gibt viel zu tun. Aber wir kommen voran. Dank der Kooperation mit Sante können weiter für den Luchs im Bayerischen Wald arbeiten. Wir werden außerdem ein Gehege für Waisenluchse im Pfälzerwald bauen.

In den vergangenen Jahrhunderten wurde der Luchs gnadenlos bejagt. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts war er aus weiten Teilen Mittel- und Südeuropas verschwunden. Lasst uns dafür sorgen, dass der Luchs im 21. Jahrhundert wieder ganz natürlich leben kann. In Europa, in seinem Luchsland Deutschland. Dafür können wir immer noch jede Hilfe brauchen.

 

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Wale, unsere Verbündeten im Klimaschutz

Aus den Gefilden nahe den Azoren kommend, schwimmt ein Blauwal in Richtung der kalten polaren Gewässer. Wenn er sich auf dieser Reise erleichtert, hinterlässt er riesige Wolken aus Kot und Urin. Der bis zu 200 Tonnen schwere Gigant ist deshalb nicht nur ein wahrer Kosmopolit, sondern auch ein geborener Klimaschützer.

Was Wale ins Wasser pumpen nutzt unzähligen Meereslebewesen

Im letzten Jahrzehnt untersuchten Wissenschaftler:innen vermehrt die Rolle von großen Walen für das Klima und die Lebensräume unserer Meere. Durch ihre Nahrungssuche in tiefen Gewässern bringen Wale Nährstoffe an die Meeresoberfläche, wenn sie zum Atmen auftauchen. Ihre Fäkalien düngen regelrecht die Meeresoberfläche und liefern die Nährstoffe, die Phytoplankton zum Wachsen braucht. Diese Kleinstlebewesen bilden die Nahrungsgrundlage für unzählige Meereslebewesen. Und mehr Phytoplankton kann auch mehr Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden. Die Wissenschaft nennt das die ‚Wal-Pumpe‘. Ein ähnlicher Effekt gilt für die Wanderungen der großen Wale, auf denen sie Nährstoffe in nährstoffärmere Regionen bringen – das famose ‚Wal-Förderband‘.

Dies ist nur ein kleiner Teil dessen, wie der Ozean mit seinen bunten Lebensformen zu einem stabilen globalen Klima beiträgt. Das Phytoplankton ist die treibende Kraft in einem Prozess, der sogenannten biologischen Kohlenstoffpumpe, der im gesamten Ozean stattfindet.

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Organismen wie das Phytoplankton fixieren Kohlenstoff aus der Atmosphäre und überführen ihn ins Innere des Ozeans. So entzieht der Prozess Kohlenstoff aus der Atmosphäre – für mindestens mehrere tausend Jahre. Global gesehen enthält unser Ozean etwa das 49-fache der Kohlenstoffmenge, die sich in der Atmosphäre befindet. Doch schon kleine Veränderungen in diesen Prozessen könnten die Fähigkeit des Ozeans, Kohlenstoff aufzunehmen, erheblich beeinflussen – und somit das globale Klima.

Das Meer wurde in der Klimapolitik vernachlässigt

In der internationalen Klimapolitik spielen marine Lebensräume und Lebewesen bislang eine Nebenrolle. Auf internationaler Ebene ist Deutschland zwar einigen Koalitionen mit stolzer Brust beigetreten, darunter die High Ambition Coalition oder die Global Ocean Alliance. Das Versprechen: wirksamer Schutz von mindestens 30 Prozent der Weltmeere bis 2030. Deutschland und die EU als Ganzes schützen aber nicht einmal ihre eigenen Gewässer ausreichend, sodass Maßnahmen nicht zur Genesung wichtiger Ökosysteme führten – das zeigte kürzlich ein Bericht des Europäischen Rechnungshofes.

Das blaue Herz

Angesichts der vergangenen Fehlschläge müssen wir erkennen, dass wir nicht nur die wunderbare natürliche Welt der Meere schützen, wie wir sie aus abendlichen TV-Dokus kennen: Wir schützen uns selbst. Der Ozean ist das blaue Herz unseres Planeten und sein größtes Ökosystem. Als größte aktive Kohlenstoffsenke der Welt ist er die größte naturbasierte Lösung für den Klimaschutz und seine Lebensräume bieten uns wichtige Anpassungsmöglichkeiten. Wir verdanken dem Ozean jeden zweiten Atemzug und können ohne ihn schlicht nicht leben.

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Ebenso wenig können wir ihn ohne den Schutz des Klimas in seinen wichtigen Funktionen erhalten. Die Staatengemeinschaft muss seinen Schutz stärker in die Klimapolitik aufnehmen. Wir brauchen unter anderem ein starkes Instrument zum Schutz von Meeresgebieten jenseits nationaler Rechtszuständigkeit. Außerdem müssen Meeresschutz und ‑politik die Rechte lokaler Gemeinschaften achten und einbeziehen – zu oft sind sie noch blind für Fragen der Gerechtigkeit. Die Gesundheit des Ozeans ist eng mit gerechteren Gesellschaften verknüpft, insbesondere für Küstengemeinden. Derzeit sind mehr als drei Milliarden Menschen für ihren Lebensunterhalt auf die biologische Vielfalt der Meere und Küsten angewiesen. Rund 680 Millionen von ihnen leben in niedrig gelegenen Küstengebieten.

Der Mensch ist überall

Die großen Wale wurden im Zuge des industriellen Walfangs an den Rand der Ausrottung gejagt. Forscher:innen schätzen, dass ihre Bestände um bis zu 90 Prozent sanken. Bohrten sich früher Harpunen in die Fettschichten der Wale, stehen sie heute neuen Gefahren gegenüber: Kollisionen mit Schiffen, Plastikmüll und Lärmverschmutzung, Geisternetze oder die Folgen des Klimawandels, zum Beispiel knappere Nahrungsvorkommen.

Wal kackt ins Meer
Was der Wal ins Meer pumpt… © Peter Schneider

Nahezu der gesamte Ozean, mehr als 97 Prozent, ist von vom Menschen verursachten Stressfaktoren betroffen. Es ist unser Handeln, das die Gesundheit der Meere und seiner Bewohner bedroht: unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, unser Plastik, unsere Lieferketten. Im Jahr 2019 strandete ein junger Cuvier-Schnabelwal an der philippinischen Küste. Er trug 40 Kilogramm Plastik in sich und verhungerte.

Verbünden wir uns!

Wale sind nicht die Lösung in unserer Klimakrise. Der in Walpopulationen gespeicherte Kohlenstoff ist nur ein kleiner Teil des gesamten Kohlenstoffs in marinen Ökosystemen. Ihr Beitrag zu den globalen Flüssen von Kohlenstoff und Nährstoffen ist aus globaler Sicht verhältnismäßig klein. Doch sie zählen wohl zu den charmantesten Verbündeten, die wir haben. Sie zeigen wie die Stabilität des Ozeans vom Zusammenspiel seiner Lebewesen abhängt und dass wir Menschen sie stören.

Der Ozean in seiner Grenzenlosigkeit gehört allen Lebewesen – schützen wir ihn, so schützen wir uns. Die Wale machen es uns vor. Die diesjährige Klima- und die Biodiversitätskonferenz sind die wichtigsten Treffen seit Generationen. Und eine Chance für walhaftige Veränderungen.

 

Heike Vesper: Wenn wir die Meere retten, retten wir die Welt; Rowohlt Verlag 2021, 256 Seiten, 16 €

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