Marmolada Gletscher: Tragödie mit Ankündigung

In den italienischen Dolomiten ist ein gewaltiges Stück eines Gletschers als Lawine aus Eis und Geröll ins Tal gerauscht. Die vorläufige Bilanz der Katastrophe mit Ankündigung: mindestens acht Tote und 15 Vermisste.

Niemand konnte wissen, wann und wo es passiert, aber dass es zu Katastrophen dieser Art kommen würde, war mehr als vorhersehbar. Der Ablauf der Tragödie auf dem Marmolada-Gletscher entspricht den Szenarien und Warnungen, die Glaziologen seit Jahren verbreiten. Und auch wir vom WWF waren schon seit langem davor.

Die Katastrophe am Marmolada ist kein Einzelfall

Es hat in den vergangenen Jahren auch in den europäischen Alpen schon mehrere Tragödien durch abgehende Gletscher gegeben, die schnell vergessen wurden. Erst im Mai 2022 sind bei einem Gletscherabbruch im Schweizer Kanton Wallis zwei Menschen ums Leben gekommen. Neun weitere Bergsteiger wurde verletzt.

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Luca Bonardi, Professor für Geographie und Experte des Glaziologischen Komitees der Lombardei befürchtet, dass allein in den Alpen tausende Gletscherstandorte ähnlich gefährlich sind. Der Grund: Die Erderhitzung schlägt in den Bergregionen besonders heftig zu. Gefahren, die mit der direkten Einwirkung von Eis und Schnee zusammenhängen und zu Eislawinen und katastrophalen Überschwemmungen durch das Überlaufen von Gletscherseen führen können, wie dies im Sommer 2019 durch den Einbruch des Zermatt-Gletschers in der Schweiz geschehen ist, werden zunehmen.

Gletscher unterhalb von 3500 Metern werden verschwinden

Die Alpengletscher sind dramatisch geschrumpft. Beispiel Italien:  Das Italienische Gletscherkataster zeigt, dass die Fläche der italienischen Gletscher von 519 Quadratkilometern im Jahr 1962 auf zuletzt 368 geschrumpft ist. Ein Rückgang von 40 Prozent. Es mag überraschen, dass zugleich die Zahl der Gletscher tendenziell zugenommen hat. Aber die Zunahme ist ein weiteres Zeichen der Gefährdung. Ursprünglich große komplexe Gletschersysteme wurden stark fragmentiert und sind zu kleineren Einzelgletschern zerfallen. In den letzten 150 Jahren haben einige Gletscher mehr als zwei Kilometer an Länge verloren, aber auch ihre Dicke ist geschrumpft, was in einem einzigen Sommer bis zu sechs Meter betragen kann.

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Bei den durchschnittlichen Temperaturen der letzten Jahre werden die Gletscher unterhalb von 3500 Metern innerhalb von 20 bis 30 Jahren verschwinden. Wenn die Temperaturen weiter steigen, könnten die ewigen Gletscher in den Ost- und Zentralalpen innerhalb weniger Jahrzehnte drastisch schrumpfen oder verschwinden. Nur die Westalpen, die höchsten Alpen, würden bleiben. Außerdem werden die Gletscher immer dunkler und damit anfälliger für die Sonneneinstrahlung.

Verheerende Folgen — nicht nur wegen Lawinen

Die Folgen sind verheerend. Nicht nur für die Umwelt und die Berglandschaft, sondern auch für die umliegenden Gemeinden. Der Rückzug des Eises hat gravierende Folgen für Landwirtschaft, Tourismus und Energieversorgung. Die Flüsse speisen sich im Sommer zum größten Teil aus der Gletscherschmelze. Mit dem Verschwinden der Gletscher schwindet auch ihr Beitrag zu den Alpenbächen und Flüssen, was erhebliche Auswirkungen auf die Wasserversorgung der Bevölkerung bedeutet. Landwirtschaft und Energieversorgung müssen sich auf verschärfende Wasserknappheit einstellen. Die aktuelle Dürre in Italien liefert hierfür eine Art Vorgeschmack.

Was wir verlangen

Um dem Problem zu begegnen ist eine Doppelstrategie nötig. Wir brauchen eine engagierte Klimaschutzpolitik, die sich am 1,5 Grad Ziel des Pariser Abkommens orientieren. Und wir müssen dringend Anpassungsmaßnahmen an die nicht mehr vermeidbare Erderhitzung entwickeln.

Die Daten und Analysen liegen längst vor. Es fehlt die Umsetzung.

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G7: Raus aus den Fossilen, rein in die Zukunft

Wenn die die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten in Elmau an diesem Wochenende zusammenkommen, kann es nur eines zu besprechen geben: Wie geht es schneller mit dem Ausstieg aus fossiler Energie, mit der Energiewende und dem internationalen Klimaschutz? Wann starten wir endlich durch in eine gesicherte Zukunft der erneuerbaren Energien? Denn hierfür stehen wir längst und schon viel zu lange in den Startlöchern.

Wir müssen uns unabhängig machen von autokratischen Staaten und die Konsequenz aus dem russischen Angriffskrieg ziehen.

Das heißt auch, dass die Regierungschefs der G7 uns entscheidend weiterbringen müssen auf dem Weg zur nächsten internationalen Klimakonferenz im November in Ägypten. Die G7 sind als Industrienationen die historischen Hauptverursacher der Klimakrise. Sie müssen ambitioniert vorangehen und so Vertrauen für die kommenden Verhandlungen schaffen.

G7 Länder tragen historische Verantwortung für Klimakrise

Der aktuelle IPCC Bericht führt uns vor Augen, dass wir die entscheidenden Jahre zur Umsetzung des Klimaschutzes erreicht haben und schneller handeln müssen. Für eine echte Kehrtwende bleiben nur noch wenige Jahre. Das 1,5 Grad Ziel rückt in immer weitere Ferne.

Dabei hat jedes Zehntelgrad mehr Erhitzung, das wir zulassen, enorme Konsequenzen für Extremwettereignisse weltweit, für die Artenvielfalt unseres Planeten, für bleibende Schäden und Verluste – besonders und zuerst bei denjenigen, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, den Menschen auf der südlichen Halbkugel.

Deswegen ist unser Auftrag an die G7-Länder klar:

1) Mehr Ambition beim Klimaschutz

Sie müssen bei sich zu Hause ihre Klimaziele nachschärfen und den Ausbau der erneuerbaren Energien drastisch beschleunigen. Klimaneutralität bis 2050, wie es die meisten Staaten anstreben, ist viel zu spät, wenn man anderen Staaten mit weniger Verantwortung für die Krise einen langsameren Wandel zugestehen will.

Dazu gehört: Ein Kohleausstieg bis 2030 und den Geldhahn für fossile Energiequellen zudrehen! Weder national noch international darf Geld in längst veraltete Technologien fließen, die uns auf dem 1,5 Grad Pfad den Weg verstellen. Rund eine Billion Euro verfeuern die G7 Staaten jährlich für fossile Infrastruktur! Damit halten sie sich selbst vom Fortschritt ab. Damit blockieren sie beispielweise auch Investitionen in eine echte Verkehrswende, in einen bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr.

Wir laufen Gefahr, neue Einfallstore für fossile Infrastruktur zu schaffen, wie etwa für Wasserstoff auf Basis von Erdgas, die uns wieder langfristig bindet. Sollen wir allen Ernstes eine neue Gas-Pipeline im Namen der Nachhaltigkeit aus öffentlichen Geldern finanzieren?

Was es braucht, ist vielmehr grüner Wasserstoff mit klaren Nachhaltigkeitskriterien, der die Industrie transformiert und auf Klima-Kurs bringt. Ich erwarte von den G7-Staaten hier und heute, dass sie sich dafür entschieden einsetzen. Wer Energie sichern will, muss auf den Ausbau der Erneuerbaren setzen und nicht immer wieder nach neuen versiegenden Quellen für fossile Energien suchen.

2) Glaubwürdigkeit bei der internationalen Klimafinanzierung schaffen

Die G7 muss sich noch klarer vor Augen führen, dass wir es mit einer globalen Krise zu tun haben, die wir nur gemeinsam lösen.

Dazu gehört, dass sich die G7 an das Versprechen der Industrieländer erinnern – und es halten:

Sie haben zugesagt, den besonders verwundbaren Ländern bis 2025 100 Milliarden US-Dollar jährlich für die Bekämpfung und Anpassung an den Klimawandel bereitzustellen. Gerade Deutschland muss hier Versäumtes nachholen und deutlich nachlegen. Ansonsten kommt es zum Vertrauensverlust auf der nächsten Klimakonferenz. Da gilt es eben vor allem auch anzuerkennen, dass es Schäden und Verluste gibt, die unwiederbringlich sind und die angemessen entschädigt werden müssen. Zusammenarbeit basiert auf Verantwortung und Transparenz.

Den Fortschritt müssen wir überprüfen können.

3) Mehr Geld für Biodiversität und ökologischen Fußabdruck halbieren

Bei der Rettung der biologischen Vielfalt klafft einen Finanzierungslücke. Die G7 haben jetzt die Chance, eine Aufstockung der Mittel verbindlich zu beschließen und die globale Lücke zu schließen. Und diese neuen Mittel müssen leicht zugänglich gemacht werden, damit es uns gelingt, unseren globalen Fußabdruck in der Produktion und im Verbrauch bis 2030 zu halbieren!

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Die G7 sollen jetzt nicht ausgerechnet an nachhaltigen Produktions- und Verbrauchsweisen sparen, sondern erkennen, dass es hierbei um Investments in den Erhalt unserer Zukunft geht.

Allein in Deutschland müssen wir unsere Emissionsminderung verdreifachen und den Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis 2030 fast verdoppeln. Die G7-Länder sind die Hauptverursacher der Klimakrise. Sie haben ein Drittel der weltweiten CO2-Emissionen in die Welt gebracht.

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Deshalb rufen wir direkt nach Elmau: Übernehmt die Verantwortung und, lasst die fossilen Energien hinter euch, dreht den Geldhahn dafür zu und dreht ihn auf für die Unterstützung der verwundbarsten Länder und das Leben auf unserem Planeten!

Raus aus Kohle, Öl und Gas!

Und eine gerechte Transformation für alle!

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Morde am Amazonas

Wir sind entsetzt von den Morden im Amazonas. Entsetzt, aber nicht überrascht. Der Amazonas stirbt — und seine Verteidiger werden immer öfter umgebracht.

Am Mittwochabend (15. Juni 2022) wurden die sterblichen Überreste des Forschers Bruno Araújo Pereira und des britischen Journalisten Dom Phillips, der für die Zeitung The Guardian arbeitete, in der Region Vale do Javari im Amazonasgebiet gefunden. 70 Prozent der weltweit isoliert lebenden Indigenen haben hier ihre Heimat. Die beiden Opfer haben im Javari-Tal für ein Buch über Gewalt gegen Indigene und einen nachhaltigen Schutz des Regenwalds recherchiert.

Zwei festgenommenen Verdächtige sollen der Polizei gestanden haben, an der Tötung von Phillips und Pereira beteiligt gewesen zu sein.

Amazonas verlieren Indigene: Exhumierung der Leichen
Exhumierung der beiden Opfer ©
Bruno Kelly / picture alliance / REUTERS

Zusammen mit dem WWF-Brasilien möchte ich zunächst meine Solidarität und Unterstützung für die Familien, Freunde und Kollegen dieser Waldschützer zum Ausdruck bringen.

So kann es nicht weitergehen im Amazonas!

Was Bruno und Dom angetan wurde, macht deutlich, dass der Amazonas dem Gesetz der Mächtigen ausgeliefert ist, in dem Brutalität die Regel ist. Wir sind zutiefst empört, in welcher Situation die Völker des Waldes und ihre Verteidiger vom brasilianischen Staat zurückgelassen wurden. Dazu gehören brutale Morde ohne Aufklärung und eine auf Zwang und Gewalt basierende Herrschaft durch Kriminelle: Drogenhändler, illegale Bergleute, Landräuber, illegale Holzfäller, Jäger und illegale Fischer.

Hilf uns dem Amazonas zu helfen

Amazonas: Entwaldung im Luftbild
Es wird viel mehr abgeholzt © Staffan Widstrand / WWF

Zusammen schützen wir den Regenwald als Klimaanlage der Welt! Jetzt mitmachen!

Der Staat lässt die Verteidiger des Amazonas im Stich

Wir haben eine Reihe von Morden erlebt, ohne dass sich der Staat um die Aufklärung und Bestrafung bemüht hätte. Im Fall von Dom und Bruno wurde sogar gezögert, die Ermittlungen aufzunehmen. Es ist die Missachtung der Regierung gegenüber dem Amazonas und seinen Beschützern, die die Ermordung von Dom und Bruno und unzähligen Personen ermöglicht hat: Ari Uru Eu Wau Wau, Paulino Guajajara, Maxciel Pereira dos Santos, Zé do Lago und Familie. Laut einer Erhebung der Nichtregierungsorganisation Global Witness liegt Brasilien auf Platz vier unter den Ländern, in denen am meisten Umweltaktivisten umgebracht werden.

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In den letzten Jahren wurden alle Instanzen des Schutzes der Waldvölker und der Umwelt systematisch abgebaut und diskreditiert. Die Gewalt hat in den letzten drei Jahren exponentiell zugenommen. Unternommen wurde nichts. Ganz im Gegenteil. Laut einer in dieser Woche veröffentlichten Studie gibt es in der Regierung ein Projekt zur Zerschlagung der Behörde Funai (Nationale Stiftung für indigene Völker). Also der Einrichtung, die über die Rechte der indigenen Völker wachen sollte. Und im Kongress gibt es Gesetzesentwürfe, die den Schutz dieser Völker weiter schwächen.

Der Tod des Amazonas

Der Tod von Dom und Bruno steht im Zusammenhang mit dem Tod des Amazonasgebietes. Allein im Mai 2022 brach die Zahl der Brände und der Abholzung im Amazonasgebiet Rekorde. Die Feuer nahmen im Vergleich zum Durchschnitt des Monats Mai der letzten zehn Jahre um 184 Prozent zu. Der Amazonas verlor zwischen Januar und Mai 2867 Quadratkilometer Wald. Es ist damit das dritte Jahr in Folge ein Rekord der Verwüstung. Wir waren noch nie so nahe an dem Punkt, an dem der Wald sich nicht mehr selbst erhalten kann. Überschreiten wir diesen Kipppunkt stirb so viel Urwald und setzt so viel CO2 frei, dass wir auch den 1,5 °C Ziel des Pariser Abkommens vergessen können.

Amazonas Entwaldung schreitet weiter voran
Amazonas: Es wird immer schlimmer © Juvenal Pereira / WWF Brasilien

Trotzdem stehen auf der Tagesordnung des Nationalkongresses häufig Gesetzesentwürfe, die die Zerstörung des größten Tropenwaldes der Erde begünstigen. Obwohl vom Amazonas die Niederschläge abhängen, welche die Wasser- und Stromversorgung Brasiliens sicherstellen, und von denen die Landwirtschaft abhängt. Den Amazonas zu töten, bedeutet Brasilien zu töten — ein Land, das mit dem Mord an Bruno und Dom ein wenig gestorben ist.

Wir fordern rigorose Aufklärung!

Der Amazonas stirbt jeden Tag auf grausame und unmenschliche Weise. Vor unseren Augen und vor denen, die ihn versuchen, ihn zu erhalten. Angesichts dieser neuen Toten brauchen wir eine rigorose Untersuchung, um herauszufinden, ob es noch andere Beteiligte gibt. Es gibt Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen diesem Verbrechen und dem Drogenhandel in der Region. Es ist auch notwendig, dass dieser Fall eine exemplarische Bestrafung erfährt, damit er zu einer Referenz im Kampf gegen die Straflosigkeit in der von Kriminalität geprägten Region wird.

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Nicht weniger wichtig ist, dass die brasilianische Regierung ihrer Rolle gerecht wird und konkrete Maßnahmen ergreift, um weitere Massaker zu verhindern, wie etwa den Rückzug der Eindringlinge aus dem Land der Yanomami, dem Land der Uru Eu Wau Wau-Indianer und anderen indigenen Gebieten.

Wir können es nicht hinnehmen, dass das Amazonasgebiet weiterhin ein gesetzloses Land ohne staatliche Kontrolle ist, dass seine Verteidiger zum Opfer macht.

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Konnektivität: Wie wir Schutzgebiete verbinden müssen

Der Naturschutz hat sich lange auf Schutzgebiete konzentriert. Jetzt ist es an der Zeit, diese zu verbinden. Methoden und Momentum dafür sind da.

Wenn Sie an das Wort “Konnektivität” denken, was kommt Ihnen als Erstes in den Sinn? Wahrscheinlich die Möglichkeit, sich in das nächstgelegene WIFI-Netz einzuklinken. Aber es gibt noch eine andere Art von Verbindung, die für das Leben von grundlegender Bedeutung ist — die Konnektivität der Natur, oder ökologische Konnektivität, wie Wissenschaftler sie gerne nennen. Es ist die Fähigkeit von Tieren, sich zu bewegen und von Ökosystemprozessen, zu fließen.

Konnektivität heißt Bewegung — und Bewegung heißt Leben

Konnektivität ist von entscheidender Bedeutung. Viele Tiere müssen zwischen verschiedenen Gebieten hin- und herwandern. Die Orte, an denen sie ihre Nahrung finden, unterscheiden sich oft von denen, wo sie sich zur Paarung oder zum Laichen versammeln. Die weichen wiederum von den Orten ab, an denen sie ihre Jungen aufziehen oder an denen sie verlässlich Wasser finden können. Bäche müssen fließen, damit das Wasser dorthin gelangt, wo es gebraucht wird. Mit dem Wechsel der Jahreszeiten ändern sich die Umweltbedingungen, was zu den großen Wanderungen von Vögeln, Säugetieren, Insekten und Fischen führt. Und jetzt in der Klimakrise müssen die Tiere in neue Gebiete umziehen, da ihre bisherigen Lebensräume ungeeignet werden.

Natur darf keine Insel sein

Leider geht die Vernetzung der Natur immer mehr verloren. Der Park in der Stadt ist höchstwahrscheinlich eine isolierte grüne Insel in einem Meer aus von Menschen geschaffener Infrastruktur. Genau das passiert mit den verbliebenen Naturräumen. Immer mehr Flächen werden für die Landwirtschaft, die Gewinnung von Rohstoffen und andere Zwecke umgewandelt. 90 Prozent der weltweiten Schutzgebiete befinden sich heute in einem vom Menschen beherrschten, fragmentierten Gebiet, das sich rasch verschlechtert und das Überleben der Tiere gefährdet.

Die Verbindung der verbleibenden natürlichen Lebensräume ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Wir müssen sie bewältigen, wenn wir einen katastrophalen Rückgang der biologischen Vielfalt verhindern wollen.

Genau jetzt gibt es die Chance mehr Konnektivität festzuschreiben

Die gute Nachricht ist, dass wir genau jetzt die Möglichkeit haben, umwälzende Regierungsverpflichtungen zu erreichen, um die Vernetzung der Natur anzugehen. 196 Regierungen sind Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD), das derzeit mit seinem Global Biodiversity Framework (GBF) die Agenda für das nächste Jahrzehnt festlegt.

Es gibt gute Fortschritte, auf denen wir aufbauen können. 2021 verabschiedete die UN-Generalversammlung ihre erste Resolution, die sich mit dem Verbund der Natur befasst. Das Übereinkommen über wandernde Arten nahm die Gandhinagar-Erklärung an, in der gefordert wird, dass der ökologische Verbund im GBF wirksam berücksichtigt wird.  Die ersten Anzeichen sind gut — auch wenn es noch Aspekte gibt, die gestärkt werden müssen. Der Gesamtrahmen muss noch vereinbart und angenommen werden. Die Vernetzung ist vorläufig in einem Ziel und vier der Zielvorgaben des GBF enthalten. Im Falle einer Verabschiedung wäre die Konnektivität ein zentraler Bestandteil in den Bereichen Raumplanung, Wiederherstellung, geschützte und erhaltene Gebiete sowie Stadtplanung.

Konnektivität: Elefantenherde-Tierwanderung
Tiere müssen wandern können © Donna Archer

Doch es gibt eine Herausforderung. In der Vergangenheit gab es auf der CBD Ziele zur Vernetzung, die aber leider nicht erreicht wurden. Die Umsetzung ist zu kurz gekommen. Das Ziel 17 Prozent der Landfläche der Erde unter Schutz zu stellen, haben wir fast erreicht. Weitaus weniger Fortschritte gab es bei der Sicherstellung der Vernetzung dieser Gebiete untereinander. Wie können wir das dieses Mal vermeiden? Wir meinen, dass einer der Schlüssel in den richtigen Instrumenten zur Messung der Konnektivität liegt. Damit sind alle Akteure transparent und rechenschaftspflichtig, wenn es darum geht, diese Ziele zu erreichen.

Daher ist die heutige Veröffentlichung der weltweit ersten Bewertung der terrestrischen funktionalen Konnektivität in Science so bahnbrechend. Und er hätte zu keiner besseren Zeit kommen können. Damit können wir die Fähigkeit von Tieren, sich zwischen Schutzgebieten zu bewegen, visualisieren und messen. Wir können sehen, wie die Länder im Vergleich zu ihren Nachbarn abschneiden. Und wir können die Fortschritte verfolgen.

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In der heutigen Ausgabe von Science wird der Protected Area Isolation Index (PAI) vorgestellt. Mit dem schätzen wir, wie isoliert die einzelnen terrestrischen Schutzgebiete der Welt sind. Diese Schätzung basiert auf Daten, die zeigen, dass Säugetiere größere Entfernungen in Gebieten zurückzulegen, die weniger von Menschen beeinflusst wurden. Durch die Kombination dieser Beziehung mit dem Human Footprint Index und der Nutzung eines ausgeklügelten Ansatzes zur Messung der Konnektivität, der so genannten Schaltkreistheorie, können wir abschätzen, wie vernetzt das Schutzgebietssystem eines Landes ist. Wir können aber auch Prioritäten für Schutzmaßnahmen in den weltweit wichtigsten Gebieten für die Konnektivität festzulegen.

Das Entscheidende ist, dass wir ihn weltweit einsetzen können, um die Fortschritte der Regierungen bei der Erfüllung ihrer Ziele zu verfolgen. PAI könnte aber auch auf Landschaftsebene berechnet und eingesetzt werden, um in Echtzeit zu messen, wie Maßnahmen wie die Beseitigung von Zäunen, der Bau von Unter- oder Überführungen für Wildtiere und die Verbesserung der landwirtschaftlichen Flächen für Wildtiere die Konnektivität verbessern.

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Wir leben in spannenden Zeiten. Ergänzend zu den wissenschaftlichen Fortschritten gibt es eine wachsende Zahl von praktischen Maßnahmen, bei denen Akteure aus den verschiedensten Bereichen für ein gemeinsames Ziel zusammenarbeiten. Gemeinden in der Kavango-Sambesi-Landschaft im südlichen Afrika bewirtschaften ihre Ländereien in Ausbreitungsgebieten für Wildtiere, um die Bewegung von Wildtieren zu unterstützen. Ein Plantagenunternehmen in Borneo hat einen Korridor für Wildtiere innerhalb seiner Konzession aufgeforstet, um die Bewegung von Wildtieren zwischen ansonsten isolierten Reservaten zu ermöglichen. Die kanadische Regierung hat gerade 60 Millionen Dollar für ein neues nationales Programm für ökologische Korridore bereitgestellt. Baumwollbauern in Indien stellen auf ökologische Praktiken um. Sie unterstützen so die Bewegung von Tigern und anderen Wildtieren durch ihre Farmen.

Wir haben also die wissenschaftlichen Grundlagen und wir haben die Verbindung vor Ort hergestellt.  Jetzt brauchen wir eine globale politische Dynamik und eine Reihe von Verpflichtungen, um dies in die Tat umzusetzen. Die GBF des CBD bietet genau diese Möglichkeit, WENN wir es richtig anpacken. Die wachsende Dynamik zum Schutz und zur Erhaltung von 30 Prozent des Planeten bis 2030 — ein großer Schritt nach oben gegenüber dem bisherigen Ziel von 17 Prozent — ist ermutigend. Wenn jedoch nicht ebenso viel Wert darauf gelegt wird, dass diese 30 Prozent gut vernetzt sind, werden wir die gleichen Fehler der Vergangenheit wiederholen. Dann werden wir es nicht schaffen, eine widerstandsfähige Zukunft für die Natur zu sichern.

Wir ermutigen daher alle Vertragsparteien des CBD-Übereinkommens, die Formulierung der Konnektivität in den Zielen und Vorgaben weiter zu stärken und vor allem einen Leitindikator für die Konnektivität einzuführen, der dazu beiträgt, dass die Konnektivitätsaspekte tatsächlich umgesetzt werden.

Wenn uns dies gelingt, können wir uns auf einen vernetzten, gesunden Planeten freuen, der uns allen zugute kommt.

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Ausbau kleiner Wasserkraft? Können wir uns sparen!

Der Schaden ist groß, der Nutzen gering. Den Ausbau kleiner Wasserkraft können wir uns sparen. Im EEG 2203 hat er nicht zu suchen.

Lachse, Aale, Störe, Stinte: Die großen Wanderungen der Fische in ihre Laichgebiete, vielfach von den Meeren in die Flüsse, sind ein Phänomen, das es in buntester Vielfalt fast auf der ganzen Welt zu bewundern gibt. Oder es zumindest zu bewundern gab: Das Verschwinden der Wanderfische ist ja geradezu ein Inbegriff der Biodiversitätskrise. Dennoch haben sie in vielen Kulturen einen festen Platz, in manchen haben die aus dem Ozean wiederkehrenden Fische sogar eine religiöse Bedeutung. So wie auch die Flüsse selbst.

Mitte Mai wurde der Welttag der Wanderfische gefeiert, der World Fish Migration Day 2022. Wir waren Mitveranstalter eines Filmabends in Berlin unter dem Titel „Wildflüsse oder Wasserkraft“. In der anschließenden Diskussionsrunde ging es um die Wasserkraft in Deutschland und um das Gesetz zum Ausbau erneuerbarer Energien, das EEG. Es regelt die künftige Förderung für Strom aus Wasserkraft. Das EEG ist Teil des Osterpakets, über das der Bundestag derzeit berät. Und wieder einmal tobt um die Förderung der sogenannten kleinen Wasserkraft ein großer Streit. Hier ist unsere Kommentierung dazu.

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An unserer Diskussion nahm ein befreundeter Fischökologe teil. Er hat seine Doktorarbeit zu einem bedrückenden Thema geschrieben, nämlich zur Mortalität von Fischen an Wasserkraftwerken. Drei Jahre Forschung über Sterberaten und ‑risiken, darüber, wie Tiere auf ihren Wanderungen in Turbinen zerteilt werden, an Rechenanlagen gequetscht verenden oder später an den Folgen ihrer Verletzungen zugrunde gehen. Oder am Barotrauma, verursacht durch die großen Druckunterschiede bei der Passage durch die Turbine. Das Risiko ist groß: Einer von fünf Fischen stirbt, wenn er auf seiner Wanderung durch ein Wasserkraftwerk schwimmen muss. Wer überlebt, darf zum nächsten Kraftwerk weiterwandern. Bei einer Kette von Kraftwerken ergibt sich also für Wanderfische ein kumulativer Effekt mit dramatischen Folgen.

Aale: Tod im Wasserkraftwerk
Der Aal ist inzwischen eine vom Aussterben bedrohte Tierart. Auf der Wanderung flussabwärts Richtung Meer kommen viele Aale in Wasserkraftwerken um © Timon Polli

Kleine Wasserkraft richtet großen Schaden an

Die gute Nachricht aber lautet: Wir können uns das sparen! Zumindest den Neubau von kleinen Wasserkraftwerken. Die richten überproportional großen Schaden an. Die kleine Wasserkraft trägt weniger als ein halbes Prozent zur Stromerzeugung in Deutschland bei. Das Ausbaupotenzial für neue Anlagen ist winzig. Es liegt bei weniger als einem Promille. Können wir uns ein Promille Strom nicht sparen, zugunsten lebendiger Flüsse und wandernder Fische? Der Gesetzentwurf sieht das tatsächlich vor: Ab 2023 soll es keine EEG-Förderung für neue kleine Wasserkraftwerke mehr geben, konkret solche mit einer Leistung kleiner als 500 kW. Auch der Bundesrat hat sich gerade dafür ausgesprochen. Hoffen wir, dass diese gute Neuregelung auch im Bundestag eine Mehrheit findet.

 

Ausbaupotenzial kleine Wasserkraft Deutschland WWF Grafik
Das Potenzial der Kleinen Wasserkraft muss man mit der Lupe suchen. Ihre Förderung hat im EEG 2023 nichts zu suchen © WWF

Hier noch ein Zahlenbeispiel aus Brandenburg. Sicher, Brandenburg ist kein Wasserkraftland. Es gibt hier kaum Gefälle und nur sehr wenig Niederschlag. Aber umweltschädliche Subventionen einer falschen Förderpolitik können auch da noch viele Gewässer und ihre Fischbestände zerstören, wo sich Wasserkraftwerke wirklich nicht lohnen. Insofern ist Brandenburg ein gutes Beispiel. Außerdem ist Brandenburg mit den großen Strömen Elbe und Oder für Wanderfische nicht uninteressant. Kein Hindernis bis zur Ostsee und nur ein einziges Wehr bis zu Nordsee!

Für eine Handvoll Windräder

Aber es gibt auch in Brandenburg Strom aus Wasserkraft, ausschließlich aus kleinen Kraftwerken. Die installierte Leistung aller Wasserkraftwerke in Brandenburg zusammen beträgt 5 MW. Das entspricht etwa anderthalb modernen Windrädern. Nehmen wir mal völlig unrealistisch an, diese Leistung ließe sich durch Ausbau aller Wasserkraftpotenziale im Land um verdoppeln: Dann kämen anderthalb Windräder dazu. Im Nachbarland Mecklenburg-Vorpommern und in Schleswig-Holstein sieht es ähnlich aus, dort käme auch allenfalls eines dazu.

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Ich habe nun meinen Bekannten, den Fischökologen, gefragt, wie hoch eigentlich die Mortalität von Fischen an Windkraftanlagen ist. Er hat mir erläutert, dass die zwar noch nicht erforscht ist, sie dürfte nach seiner Einschätzung aber Richtung null gehen.

Mein Fazit lautet: Den Ausbau der kleinen Wasserkraft können wir uns sparen. Oder durch sehr wenige Windräder ersetzen.

Fische würden Windkraft kaufen.

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