Der Verlust zweier Silberrücken in nur drei Wochen bedeutet nicht nur für unsere Gorillagruppen einen harten Schlag — sondern für ganz Dzangha-Sangha.
Der Tod der beiden Silberrücken innerhalb so kurzer Zeit war hart für mich. Mata und Mayele, wie die Silberrücken hießen, sind zwei der wenigen wilden Westlichen Flachlandgorillas, die an die Anwesenheit von Menschen gewöhnt sind. Sie sind die Hoffnung für die Erhaltung der Gorillas. Ich habe zu ihrer Eingewöhnung beigetragen und die letzten elf Jahre meines Lebens dem Schutz der Tiere in Dzanga-Sangha gewidmet. Jetzt sind sie tot — und es muss weitergehen.
Worum geht es bei der Habitierung?
Habituierung ist der Prozess, bei dem wilde Tiere allmählich menschliche Beobachter in ihrer Nähe akzeptieren, ohne in ihren täglichen Aktivitäten gestört zu werden. In Dzanga-Sangha wurden drei Gorillagruppen für den nachhaltigen Tourismus und zu Forschungszwecken an Menschen gewöhnt, um das Überleben der Gorillas zu sichern und gleichzeitig zum Lebensunterhalt der lokalen Bevölkerung beizutragen.
Dzanga-Sangha — Welterbe im Regenwald
Die Gorillas generieren etwa die Hälfte der Tourismuseinnahmen in Dzanga-Sangha. Das Gorilla-Programm ist ein wichtiger Arbeitgeber für die örtliche Bevölkerung. Mehr als 60 Menschen sind darin beschäftigt, darunter über 40 indigene Ba’Aka. Das Programm bringt beträchtliche, dringend benötigte Einnahmen und stärkt die lebenswichtige Verbindung zu den Gemeinden. Es ist somit ein wichtiges Instrument für den Naturschutz.
Die Mata-Gruppe
Mata, ein etwa 32-jähriger Silberrücken, war der Anführer seiner Gruppe in Bai Hokou. “Mata” bedeutet in der Aka-Sprache “nächster Angehöriger” oder “Nachfolger”. Er wurde so genannt, nachdem er das Gebiet besetzt hatte, das zuvor von einer anderen habituierten Gorillagruppe bewohnt wurde. Die Eingewöhnung begann 2010. Die Gruppe wurde aber erst im April 2019 offiziell für Besucher freigegeben, da die Arbeiten an der Eingewöhnung durch die politische Krise in der Zentralafrikanischen Republik unterbrochen wurde. Während dieser Zeit haben wir uns vor allem auf die Sicherheit der schon vollständig habituierten Gruppen konzentriert.
Mata eroberte in seiner aktiven Zeit vier Weibchen und zeugte mindestens sieben Nachkommen. Er war sehr fürsorglich gegenüber seinem Nachwuchs. In den letzten Phasen der Eingewöhnung stieß er seine Jungen jedes Mal von menschlichen Beobachtern weg, wenn er das Gefühl hatte, dass sie ihnen zu nahe kamen. Sein Verhalten war einzigartig für westliche Silberrücken. Zum Beispiel betäubten wir 2018 eines seiner Weibchen, um eine Wildererschlinge aus ihrem Handgelenk zu entfernen. Während der Operation hob Mata den drei Monate alten Nachwuchs auf und kümmerte sich um ihn, bis die Mutter sich erholt hatte.
Die Mayele-Gruppe
Die andere Gruppe lebt in Mongambe, etwa zehn Kilometer entfernt. Sie wird von Mayele angeführt, dessen Alter wir auf etwa 40 schätzen. “Mayele” heißt in der Aka-Sprache “gerissen oder raffiniert”. Er wurde von den Ba’Aka-Fährtenlesern nach seiner Gewohnheit benannt, ständig abrupt die Richtung zu ändern, als ob er das Fährtenleserteam während des Gewöhnungsprozesses absichtlich verwirren wollte.
Seine Eingewöhnung begann im November 2005, und die Gruppe wurde 2010 offiziell der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Während seiner Zeit bekam er fünf Weibchen und zeugte mindestens 17 Nachkommen. Im Gegensatz zu Mata war Mayele ein eher entspannter und stressfreier Silberrücken, der seiner Familie manchmal erlaubte, sich bis zu einem halben Kilometer von ihm zu entfernen. Infolgedessen war seine Gruppe normalerweise weiter im Wald verstreut als andere.
Todesursachen: Sturz und Kampf
Die Todesfälle scheinen in keinem Zusammenhang zueinander zu stehen. Das Spurensicherungsteam in Bai Hokou fand Mata am Morgen des 31. August 2022 tot auf. Die Todesursache ist noch unklar. Er hatte Frakturen am Hals und an den Gliedmaßen. Es gab aber weder Spuren für Wilderei, noch für einen Kampf mit einem anderen Gorilla. Wir glauben, dass er von einem Baum gefallen sein könnte.
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Mayele wurde am Morgen des 20. September schwer verletzt aufgefunden. In der Nacht zuvor kam es vermutlich zu einem Kampf mit einem anderen Silberrücken. Er hatte tiefe Wunden an Kinn, Brust, Armen und Beinen. Seine Unterlippe war vollständig abgebissen. Es waren überall Blutspuren zu sehen. Mayele konnte sich nicht mehr bewegen. Am nächsten Morgen war er noch schwächer. Er hatte sich nicht vom Fleck bewegt. Auch das vom Tierarzt mit einem Pfeil verabreichte Antibiotikum konnte ihm nicht mehr helfen. Mayele starb noch am selben Tag.
Gibt es noch Hoffnung für die Gorilla-Gruppen?
Die Zukunft dieser Gruppen ist jetzt ungewiss. Silberrücken sind das Band, das die Gorillagruppen zusammenhält. Ihr Tod könnte zum Zerfall der Gruppen führen. Mata hinterließ zwei Weibchen und vier Kinder im Alter zwischen einem und sechs Jahren. Nur zwei Wochen nach seinem Tod tötete ein Silberrücken, der versuchte, die Gruppe zu übernehmen, eines der Kleinkinder.
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Die Mayele-Gruppe, die mit drei Weibchen und sechs Jungen zurückblieb, hat einen 14-jährigen Schwarzrücken, der die Gruppe noch verteidigen könnte. Es ist jedoch ungewiss, ob er die Gruppe zusammenhalten und ihr nächster Anführer werden kann. In den nächsten Tagen und Wochen wird es noch viel zu beobachten geben.
Interaktionen zwischen den Gruppen, Wanderungen von einzelnen Tieren, Kämpfe zwischen Silberrücken, Kindstötung und Auflösung von Gorillagruppen sind natürliche Phänomene. Das ist für uns nicht schön, aber die Realität in der Gorillawelt.
Die Zukunft des Gorilla-Ökotourismus in Dzanga-Sangha
Die Habituierung von Gorillas erfordert jedoch viel Zeit und Ressourcen. Der mögliche Verlust von habituierten Gruppen wäre für den Ökotourismus verheerend. Das Gewöhnungsprogramm zeigte, dass es sich selbst tragen kann. Es verbessert die Lebensbedingungen der lokalen Gemeinschaft durch Arbeit, Einkommen, Verbesserung sozialer Dienste wie Schulen und ärztliche Versorgung. Auch hilft es traditionelle Fähigkeiten aus einem Leben im Wald der Ba’Aka-Gemeinschaft zu erhalten. Durch das Projekt haben über 5000 Besuchern die faszinierenden Gorillas gesehen. Vor allem aber hat sich der Schutz der Gorillas in diesem Gebiet insgesamt verbessert.
Der Tod der zwei Silberrücken ist fraglos ein harter Schlag. Wir dürfen jetzt aber auf keinen Fall aufgeben. Wir werden die Habituierung der Gorillas in Dzanga-Sangha fortsetzen.
Der Beitrag Gorillas: Tod zweier Silberrücken erschien zuerst auf WWF Blog.