Momentan entstehen hunderte Kilometer lange Grenzzäune, um Schweine an der Wanderung von Polen nach Deutschland zu hindern. Das ist teuer. Der Nutzen ist zweifelhaft. Die Rechtsgrundlage umstritten. Die Auswirkungen auf andere Tierarten potenziell verheerend.
Ich konnte es kaum glauben, als ich es mit eigenen Augen gesehen habe. Entlang der Oder/Neiße steht an der Grenze zu Polen jetzt tatsächlich ein Zaun. Alleine in Brandenburg auf einer Länge von circa 255 Kilometern. Dahinter soll jetzt noch eine zweite Zaunreihe entstehen.
Es ist ein weiterer Versuch die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) durch infizierte Wildschweine aus Polen zu verhindern. Wir haben hier schon öfter darüber geschrieben: Die Krankheit ist für Menschen harmlos, für Schweine tödlich. Und daher von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für die Schweinezucht. Aus Gegenden in denen ASP-Fälle bestätigt werden (aktuell gerade vor allem der Südosten Brandenburgs und der Nordosten Sachsens) darf kein Export von Schweinefleisch durchgeführt werden, da die ASP sich besonders durch Lebensmittel verbreitet. Und nicht vergessen: Deutschland ist einer der weltweit größten Exporteure von Schweinefleisch.
Der Zaun kostet viel und bringt wenig
Jetzt sollen also Grenzzäune die deutschen Schweinbestände schützen. Man muss kein Prophet sein, um zu sehen, dass das nicht klappen wird. Der Zaun kostet viel und wird wenig bringen. Es ist erwiesenermaßen vor allem der Faktor Mensch, der die ASP über große Entfernungen in die Ställe der Schweine(massen)haltung schleppt. Durch verunreinigte Gegenstände (Werkzeuge, Fahrzeuge, Schuhe/Kleidung etc.), infizierte Lebensmittel, weggeworfene Essensreste oder kontaminiertes Futter. Außerdem sind trotz des Zaunes (und den längst abgeriegelten Grünbrücken) auch Straßen und Wege noch offen, die auch vom Schwarzwild genutzt werden. Es dürfte aber zu mehr Verkehrsunfällen mit Wildschweinen und anderen Wildarten kommen, die entlang des Zaunes die Straßen mitbenutzen.
Schweine kommen durch — andere Arten nicht
Mal ganz davon abgesehen: Wildschweine sind sehr gut in der Lage Zäune zu untergraben oder sich Durchschlupf-Möglichkeiten zu schaffen. Für andere Wildarten ist der Zaun aber eine gefährliche Barriere. Auch große Tiere wie Rotwild können sich verletzten. Für rückwanderende Tiere wie Wisent und Elch stellt der Zaun einen starke, wenn nicht unüberwindbare Hürde dar.
Einige konkrete Beispiele: Am deutsch-dänischen Grenzzaun blieben mehrfach Tiere hängen, brachen sich Gliedmaßen und verendeten qualvoll. Aus dem Nationalpark Unteres Odertal wurde im Februar 2021 ähnliches berichtet. Nach starkem Anstieg der Pegelstände durch Eisrückstau, wurden die Einlassbauwerke der Sommerdeiche geöffnet und die Polder der Auenlandschaft geflutet. Der Zaun hinderte die Wildtiere daran auszuweichen. Erschöpfte Tiere mussten daraufhin vom örtlichen Jäger im Bereich der Zäune erlegt werden. Auch Fotofallen-Aufnahmen der Humboldt-Universität aus unserem gemeinsamen EU-Interreg geförderten Projekt „ŁośBonasus-Crossing!“ zeigen Tiere, die immer wieder verwirrt am Zaun hin- und herlaufen, dagegen springen oder sogar hängenbleiben.
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Wir brauchen eine fundierte Bewertung der Zäune
Wir brauchen jetzt dringend eine wissenschaftlich fundierte Bewertung. Das EU-Recht schreibt in den betroffenen Natura 2000-Gebieten vor, eine sogenannte FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen, um eine mögliche Beeinträchtigung von Bauwerken auf den Erhaltungszustand von geschützten Arten und Lebensräumen zu überprüfen. Dies gilt für den bereits stehenden Grenzzaun genauso wie für den Bau des geplanten zweiten Zauns. Besser spät als nie.
Darüber hinaus würden wir gerne eine gesamtheitliche Begleitforschung sehen. Inklusive der sozial-ökonomischen und ökologischen Aspekte. Wir brauchen regelmäßige Berichte über die Wirkung des Grenzzauns auf Arten, Populationen und Lebensräume. Geplante und ungeplante Beeinträchtigungen müssen kritisch geprüft werden. Und gegebenenfalls brauchen wir Ausgleichsmaßnahmen.
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Die Natur zahlt den Preis für Massentierhaltung
Zäune sind ein zunehmendes Problem in der Natur und für Wildtiere. Deutschland sollte dieses Problem nicht noch verstärken. Und schonmal überhaupt nicht, um ein Auslaufmodell wie die Massentierhaltung zu stützen.
Der Beitrag Schweinepest: Der fragwürdige Zaun zwischen Polen und Deutschland erschien zuerst auf WWF Blog.