Warum es Quatsch ist, das Heizungsgesetz abzuschaffen

Das Heizungsgesetz steht erneut unter massivem politischem Druck. Einige wollen es reformieren, andere es abschaffen. Drei Thesen, warum die Abschaffung Quatsch wäre.

Jens Spahn (CDU) bezeichnet das Gebäudeenergiegesetz (GEG) — umgangssprachlich Heizungsgesetz genannt- als „Unsinn“. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) will es grundlegend reformieren, die FDP spricht vom „Bürokratiemonster“. Oft genutzte Argumente: Das Gesetz sei zu teuer, zu kompliziert und bürokratisch, was die Menschen überfordern. Das finde ich so pauschal erstmal quatsch.

In der Politik werden einfache Lösungen auf sehr komplexe Probleme geboten. So mag die Abschaffung des  Heizungsgesetzes als Entlastung erscheinen. Es hätte jedoch gravierende Folgen – für die Umwelt, den Klimaschutz, die Verbraucher:innen und die soziale Gerechtigkeit. Dabei darf nicht vergessen werden: Das GEG ist das erste echte Klimaschutzinstrument für den Gebäudesektor. Ohne eine konsequente Wärmewende und den Ausstieg aus fossilen Heizquellen wird es unmöglich sein, die Klimakrise wirksam zu bekämpfen und die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Ich finde: Eine Abschaffung wäre bewusste Ignoranz gegenüber den vielfältigen und komplexen Herausforderungen.

Ich möchte anhand von drei Thesen exemplarisch aufzeigen, was es bedeutet, wenn das Heizungsgesetz abgeschafft wird – und warum das ein völlig falsches Signal wäre.

These 1: Ohne das Heizungsgesetz rückt die Klimaneutralität in noch weitere Ferne

Gebäudewärme verursacht rund 15 Prozent der deutschen CO₂-Emissionen – ohne den Gebäudesektor kann die Klimaneutralität daher nicht erreicht werden. Genau hier setzt das Gebäudeenergiegesetz an: Es soll alte, ineffiziente Heizsysteme durch moderne, verbraucherfreundliche sowie umwelt- und klimafreundliche Technologien ersetzen. Ohne dieses Gesetz bliebe der Gebäudesektor ein unkontrollierter Klimasünder und die Folgen wären fatal. Deutschland würde nicht nur seine Klimaziele verfehlen, sondern auch seine internationale Vorreiterrolle im Kampf gegen die Klimakrise einbüßen.

Das GEG ist das Ergebnis intensiver und oft kontroverser Verhandlungen. Es spiegelt einen Kompromiss zwischen drei Parteien wider, die ursprünglich grundlegend unterschiedliche Positionen vertraten. Ist das Gesetz perfekt? Nein. Unsere Kritik, dass Klima- und Verbraucherschutz ambitionierter gestaltet werden müssen, bleibt berechtigt. Doch das Gesetz markiert erstmals eine klare Richtung für die Wärmewende – eine Richtung, die es zuvor so noch nicht gab. Eine Abschaffung würde diese Richtungsweisung wieder vernichten mit all der Mühe, die sie gekostet hat, und stattdessen Unsicherheit schüren.

Noch schlimmer: Deutschland verlöre ein zentrales Werkzeug, um die selbstgesteckten Klimaziele zu erreichen. Genau in einer Zeit, in der entschlossenes Handeln gegen die Klimakrise entscheidend ist, würde dies ein fatales Signal senden – mit weitreichenden Folgen für die Zukunft unseres Planeten. Das GEG ist nicht perfekt. Und ja, es ist auch nicht ambitioniert genug im Klimaschutz-Sinne. Aber ohne das Heizungsgesetz fehlt ein zentrales Stück im Puzzle der Klimaschutzinstrumente.

These 2: Ohne Förderung werden vor allem einkommensschwache Haushalte im Stich gelassen

Fakt ist: Fossile Energien sind nicht nur extrem preisschwankend, sie werden durch den CO₂-Preis und Beimischungsverpflichtungen von Biomethan oder „Bioöl“ künftig stetig teurer. Das Instrument des CO₂-Preises ist richtig und wichtig und wird insbesondere von denselben Akteuren, die die Abschaffung des GEG fordern, als Klimaschutzinstrument bevorzugt. Synthetische Brennstoffe, oft fälschlich als klimafreundliche und gleichwertige Alternative angepriesen, sind äußerst ineffizient und benötigen 3–5 mal so viel erneuerbaren Strom wie die direktelektrische Nutzung. Zudem werden sie kaum in ausreichendem Umfang oder zu vertretbaren Kosten verfügbar sein.

Dennoch ignorieren manche Politiker diese Fakten, wenn sie solche Technologien als Lösung empfehlen und gleichzeitig fordern, staatliche Förderungen zu streichen, wie es Jens Spahn vor kurzem getan hat. Das ist der falsche Weg. So werden Verbraucher:innen getäuscht, in Kostenfallen gelockt und Haushalte langfristig im Regen stehen gelassen.

Heizungsgesetz: Wärmepumpe
Vergleichsweise hohen Investitionen stehen teils wesentlich günstigere Betriebskosten gegenüber © IMAGO / Daniel Reinhardt

Also braucht es kostengünstige Alternativen, von denen Haushalte langfristig profitieren. Solche Optionen sind etwa Wärmepumpen. Ja, ausgerechnet die vieldiskutierte Wärmepumpe. Vergleichsweise hohen Investitionen stehen teils wesentlich günstigere Betriebskosten gegenüber – langfristig zahlt es sich deutlich aus. Denn auch der CO2-Preis fällt nicht an. Fossile Brennstoffe bleiben auf lange Sicht die kostspieligere und klimaschädlichere Option. Einkommensschwache sollten natürlich stärker beim Kauf einer neuen klimafreundlichen Heizung unterstützt werden. Mit der erneuerten „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ erhalten Haushalte mit einem Einkommen unter 40.000 Euro brutto seit 2024 erstmals einen Sonderbonus: Bis zu 70 Prozent der Kosten eines Heizungswechsels werden übernommen. Langfristig sind Wärmepumpen oft die günstigste Alternative – und auch Sanierungen wirken sich positiv aus.

Das ist ein wichtiger sozialpolitischer Fortschritt, denn die steigenden Energiepreise belasten vor allem diejenigen, die ohnehin wenig haben. Die Abschaffung solcher Förderungen wäre ein massiver Rückschritt. Stattdessen sollte man die Förderprogramme langfristig absichern und sie stärker einkommensabhängig ausgestalten, auch für Sanierungen. Nur so können alle von der Wärmewende profitieren und Klimaschutz sozial gerecht gestaltet werden. Anstatt die notwendigen Förderungen abzuschaffen, sollten diese im Sinne des Klima- und Verbraucherschutzes reformiert werden.

These 3: „Bürokratie-Abbau“ geht auf Kosten von Planungssicherheit, Verbraucher:innen sowie Umwelt- und Gesundheitsschutz

Grundsätzlich erlaubt das GEG Heizungen, die mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen. Formell sei das GEG somit zwar „technologieoffen“, aber in Wirklichkeit gebe es strenge bürokratische Anforderungen, sodass nur wenige Optionen infrage kommen, so die Kritiker. Tatsächlich bietet das Gesetz pauschale und praxistaugliche Lösungen wie Solarthermie, Wärmepumpen und Fernwärme – Technologien die sich bewährt haben für Bereiche, die ohnehin klimaneutral werden müssen. Sie sind in der Regel verfügbar und funktionieren. An dieser Stelle können Haushalte oftmals schon vergleichbar einfach einen Haken an die Frage setzen, für welche Heizung sie sich entscheiden können.

Andere Heizungsarten unterliegen zusätzlichen Anforderungen, etwa an Nachhaltigkeit und Verbraucherschutz. Beispielsweise müssen Pelletheizungen Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Bei Wasserstoffheizungen müssen Gasnetzbetreiber garantieren, dass Erdgas rechtzeitig durch Wasserstoff ersetzt wird – oder sonst Haushalte entschädigen. Warum auch nicht? Was sollte eine Volkspartei gegen den Schutz der Verbraucher:innen vor hohen Kosten haben? Solche Vorgaben sind sinnvoll, um das komplexe Spannungsfeld der Wärmewende aus Wirtschaft, Klima‑, Umwelt‑, und Verbraucherschutz adäquat abzudecken. Risiken für Verbraucher:innen wie Kostensteigerungen oder Versorgungsproblemen zu schützen sowie negative Auswirkungen werden so reduziert.

Das Heizungsgesetz bietet zudem Ausnahmen, um wirtschaftliche Härten zu vermeiden, und klare Leitlinien, welche Technologien zukunftssicher sind. Ohne diese Schutzmechanismen stünden Verbraucher:innen allein vor der Frage, welche Investitionen sich langfristig lohnen. Auch hier kann man fragen, ob es perfekt ist. Das ist es sicherlich nicht. Aber eine Abschaffung des Gesetzes würde nicht nur die Klimaziele gefährden. Ohne das Gesetz würden diese als „bürokratischen Hürden“ verschrienen Schutzmechanismen wegfallen. Auch die Heizungsbranche pocht darauf, das Gesetz nicht abzuschaffen. Dies würde zu Verunsicherungen führen und gefährde Planungssicherheit,  sagte Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, im Interview. Man brauche jetzt Kontinuität und klare Signale seitens Politik.

Mein Fazit: Warum das Heizungsgesetz bleiben und  optimiert werden muss

Ohne klare Vorgaben gleicht die Klimapolitik einem Schiff ohne Kompass – die Klimaziele könnten langfristig nicht eingehalten werden und die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen ist womöglich kostspieliger und ineffizienter als sie sein müsste. Die Abschaffung des Heizungsgesetzes würde nicht nur die Energiewende im Gebäudesektor ausbremsen, sondern auch massive Unsicherheit schaffen. Auch alle Technologien uneingeschränkt zu erlauben und dabei etwa nur auf einen CO2-Preis zu setzen, käme dem gleich. Bürger:innen, die bereits klimafreundliche Heizsysteme planen oder eingebaut haben, wüssten nicht mehr, welche Regeln künftig gelten. Handwerksbetriebe und die Industrie müssten Investitionen zurückstellen, weil die politische Richtung unklar wäre. Diese Unsicherheit wäre ein fatales Signal für den Klimaschutz und die Wirtschaft – gerade in politisch stürmischen Zeiten. Ein verlässliches Investitionssignal ist das A und O, um Innovationen zu fördern und die Energiewende umzusetzen.

Die Abschaffung des Heizungsgesetzes wäre ein Rückschritt – für den Klimaschutz, die soziale Gerechtigkeit und die Glaubwürdigkeit der deutschen Klimapolitik. Das Gesetz ist nicht perfekt, aber es bietet eine wichtige Grundlage, um die Energiewende fair und effektiv voranzubringen. Dort wo es nicht perfekt ist, müssen wir es verbessern. Wir als WWF möchten uns gerne daran beteiligen, das Heizungsgesetz zu stärken und komplizierte Regelungen einfacher zu machen – allerdings nicht auf Kosten von Umwelt, Klima und Verbraucher:innen. Andernfalls würde damit die Verantwortung für den Schutz der Bürger:innen abgegeben.

Eine zukunftsorientierte Politik im Sinne der Bürger:innen und Verbraucher:innen muss diesem Druck standhalten und statt einer Abschaffung des Heizungsgesetztes dessen Optimierung vorantreiben. Der Klimaschutz braucht klare Leitplanken eine lebenswerte Zukunft und eine gerechte Energiewende – auch im Heizungskeller.

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Der Wolf – ein bedenklicher Präzedenzfall 

Wir hatten es befürchtet: Der ständige Ausschuss der Berner Konvention in Straßburg hat den Schutzstatus des Wolfs geschliffen. Die Entscheidung vom 3.12. 2024 schafft die Voraussetzung für einen schnelleren Abschuss von Wölfen. Ich sehe das als einen äußerst bedenklichen Präzedenzfall.

Den Schutzstatus des Wolfes herabzustufen ist offenkundig eine rein politisch motivierte Entscheidung. Die Entscheidung wurde ohne belastbare wissenschaftliche Grundlage gefasst, wie etwa Experten der Large Carnivore Initiative bestätigen. Diese Gruppe der Weltnaturschutzunion (IUCN) wird regelmäßig von der Berner Konvention und der Europäischen Kommission konsultiert. 

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse gibt es nicht. Der gleiche Wissensstand, der 2022 noch die Ablehnung eines Vorstoßes der Schweiz zur Herunterstufung des Wolfs begründete, dient nun als Grundlage dafür, den Schutz zu mindern. Diese Farce schwächt das Vertrauen in die europäischen Institutionen, die eigentlich auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse handeln sollten. Zumal eine Legalisierung der Jagd auf Wölfe gar nicht mit EU-Recht zu vereinbaren ist, wie der Europäische Gerichtshof noch im August 2024 bestätigte. 

Das Absurde: Bejagung der Wölfe hilft eben nicht

Eine Lockerung des Schutzstatus ist noch nicht mal ein effektives Mittel zur Verringerung von Wolfsrissen an Weidetieren. Eine Studie aus der Slowakei zeigt, dass Abschüsse von Wölfen keine signifikanten Verbesserungen für Nutztierhalter bringen. Und für sogenannte Problemwölfe, die trotz hoher Zäune Nutztiere reißen, gibt es ohnehin bereits jetzt Regelungen zum Abschuss. 

Was wirklich gegen den Wolf hilft

Ich kann es nur immer wieder betonen: Das wirksamste Mittel zur Verringerung von Nutztierrissen bleibt effektiver Herdenschutz. Es ist entscheidend, gezielt und unbürokratisch in die Unterstützung von Weidetierhaltern zu investieren, um Konflikte mit Wölfen zu minimieren — anstatt auf undifferenzierte Jagd zu setzen. Bessere Entschädigungsregelungen und eine stärkere Nutzung von EU-Fördermitteln für den Herdenschutz sind der richtige Weg.  

Schafe geschützt von Zaun und Herdenschutzhund
So funktioniert Schutz von Weidetieren vor Wölfen © Ofelia-DE-PABLO-y-Javier-ZURITA

Bevor jetzt in Deutschland Wölfe leichter gejagt werden können, muss aber noch das EU-Recht geändert werden. Zunächst die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH), in der die Schutzbestimmungen von Tieren, Pflanzen und Lebensräumen festgeschrieben sind. Das braucht die Zustimmung des Rates und des Europäischen Parlaments. Und dann müsste in Deutschland auch das Bundesnaturschutzgesetz geändert werden. Wenn eine Änderung angenommen wird, wären Wölfe zwar noch geschützt, aber nicht mehr unter „strengem“ Schutz. 

Welche Arten sind als nächstes dran?

Ich befürchte, dass die Causa Wolf ein gefährlicher Präzedenzfall ist, um die Flora Fauna-Habitat-Richtlinie insgesamt zu schleifen. Nach den Attacken auf den Wolf dürften Versuche auf Otter, Luchse, Greifvögel und andere „unbequeme“ Wildtiere folgen. Die Diskussion um den Wolf darf nicht den europäischen Artenschutz insgesamt untergraben. 

 

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Biodiversität: Warum wir Tiere brauchen

Ein neuer Report zu Biodiversität weist nach: Wir brauchen Tiere zum Überleben. Der Rückgang der Wildtiere ist katastrophaler als bisher angenommen. Die COP16 muss angesichts der Tatsache dringende Maßnahmen ergreifen.

Wir alle erleben Wildtiere in unserem täglichen Leben — sei es der Gesang eines Vogels oder die Spinne im Keller. Dennoch denken wir nur selten darüber nach, welch wichtige Rolle die erstaunliche Vielfalt an Wildtieren für unser eigenes Überleben spielt. Der neue WWF-Bericht Nature‘s Technicians beleuchtet diese oft übersehenen Aufgaben der Wildtiere in ihren Ökosystemen und hilft uns zu verstehen, wie eng wir mit der Tierwelt verflochten sind. Vom mächtigen Wal bis zum bescheidenen Mistkäfer sind alle Wildtiere wichtige Teile des Puzzles, welches das Leben auf der Erde ausmacht.

Warum wir Tiere brauchen

Wir brauchen Tiere, um Pflanzen zu bestäuben. Wir brauchen Tiere, die Baumsamen verteilen und sicherstellen, dass unsere Wälder gesund bleiben, sich regenerieren und so viel Kohlenstoff wie möglich speichern. Wir brauchen Tiere, um den Nährstofffluss innerhalb und zwischen den Ökosystemen zu erleichtern, um Wirtschaftszweige wie die Fischerei aufrechtzuerhalten und um Kipppunkte in wichtigen Biomen wie dem Amazonas zu verhindern.

WWF Bericht nature`s technicians
Der neue Bericht zeigt, welche Funktionen Tiere in ihren Ökosystemen haben © WWF

Wir brauchen auch die kleinen Tiere unter der Erde, um die Nahrungsmittelproduktion zu unterstützen und Überschwemmungen abzumildern. Wir brauchen eine ganze Reihe von Arten, darunter Aasfresser und Raubtiere, um uns vor Krankheiten zu schützen. Wir setzen unser eigenes Überleben aufs Spiel, wenn wir diese Arten verlieren. Und nicht nur ihre Existenz ist wichtig, sondern auch ihr Vorkommen und ihre Vielfalt. Wir brauchen genug von ihnen, die mit anderen Arten interagieren, damit sie die ökologischen Funktionen wirksam erfüllen können.

Rückgang der Populationen um 73 Prozent

Die Bedeutung wild lebender Tierarten ist faszinierend — und ernüchternd zugleich. Der Living Planet Report 2024 hat gerade einen durchschnittlichen Rückgang der wildlebenden Wirbeltierarten um 73 Prozent seit 1970 festgestellt. Nature‘s technicians macht deutlich, warum dieser Rückgang nicht nur für die Tierwelt, sondern auch für uns selbst verheerend ist.

Luchs im Wald
Beispiel Luchs: Fehlt er im Wald, gibt es viel zu viele seiner Beutetier — wie etwa Rehe © Julius Kramer / fokusnatur.de

Diese beiden Berichte hätten zu keinem kritischeren Zeitpunkt erscheinen können. In Kürze werden die Regierungen der Welt zur 16. Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CoP16) in Cali zusammenkommen. Sie diskutieren, wieviel die Staaten bereit sind zu geben, um den Verlust von Natur, einschließlich wild lebender Tierarten, aufzuhalten. Und umzukehren.

Welchen Weckruf brauchen wir noch?

Welchen Weckruf brauchen wir mehr als die Erkenntnis, dass der Rückgang der Wildtiere katastrophaler ist, als bisher angenommen? Dass ein weiterer Rückgang unsere Nahrungsmittelsysteme, unsere Wirtschaft und unsere Widerstandsfähigkeit gegenüber der Klimakrise zerstören könnte?

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Es gibt eine klare Verbindung zwischem dem Living Planet Report, Nature‘s Technicians und der CBD CoP16. Die CoP16 ist der Zeitpunkt, an dem wir die Ziele der Biodiversitätspolitik und ihre Ressourcen auf dem erforderlichen Niveau sichern müssen.

Wir haben die Lösungen und wir haben den Rahmen für entsprechende Maßnahmen. Lasst uns sicherstellen, dass die CoP16 als der entscheidende Moment in Erinnerung bleibt, in dem wir gemeinsam die Grundlagen für einen blühenden Planeten schaffen — für Wildtiere und Menschen gleichermaßen.

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Frühschicht in der Wildnis- wie enthornt man Nashörner

Die Zahlen sind erschreckend: Im ersten Halbjahr 2024 fielen in Südafrika mindestens 230 Nashörner Wilderern zum Opfer. Die Krise der vergangenen Jahre setzt sich fort. Um die Tiere zu schützen, setzen Naturschützer in vielen südafrikanischen Parks auf die Enthornung der Rhinos. Die Entfernung des nachwachsenden Horns ist schmerzlos, aber aufwendig und hilft, Wilderern das Geschäft zu verderben. Unsere Kollegin Ursina Rusch vom WWF Südafrika war dabei. Ein Erfahrungsbericht.

Frühschicht im Busch

“Wie jeden Tag klingelt mein Wecker um 5:30 Uhr. Ich krieche aus meinem Zelt im Basislager. Noch ist es dunkel, und ich mache mich auf den Weg zu den Gemeinschaftswaschanlagen. Bei Tagesanbruch huschen einige von uns durch die Küche, stopfen ein paar Snacks in ihre Taschen und trinken schnell eine Tasse Kaffee. Ich werde einem der Helikopterteams zugeteilt. Mein Job heute ist es, diverse biologische Proben von jedem enthornten Nashorn zu sammeln.

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Wir arbeiten in Fünferteams: eine Person mit der Kettensäge, um das Rhino zu enthornen, ein Schreiber, der Detailinfos über alle Nashörner aufzeichnet, ein Probensammler und zwei „Muskel-Typen“. Deren Job ist es, die betäubten Nashörner in eine stabile und sichere Position zu bringen.

Jedes Team (normalerweise sind zwei oder drei solcher Teams unterwegs) wird mit einem großen Hubschrauber von einem Nashorn zum nächsten geflogen. Ein Tierarzt fliegt in einem kleineren Helikopter voraus, aus dem er die Nashörner durch einen Schuss mit dem Betäubungsgewehr narkotisiert.

Es braucht kräftige Muskeln, um die betäubten Kolosse in eine sichere Position zu bringen. ©Ursina Rusch/ WWF Südafrika

Mein Team, hat Glück – wir dürfen in die iMfolozi-Wildnis fliegen, um den Tag zu beginnen. Was für ein Privileg, am frühen Morgen über ein wunderschönes Schutzgebiet zu fliegen! Wir fliegen über nebelbedeckte Täler in die Morgensonne und wecken Herden von Büffeln, Gnus, Impalas und den einen oder anderen Elefanten.

Bibbern mit traumhaftem Ausblick

Ziemlich durchgefroren (der Helikopter fliegt ohne Türen), landen wir bei den ersten zwei Breitmaulnashörnern, die unser Veterinär bereits narkotisiert hat. Es handelt sich um einen Bullen und ein Kalb. Ungewöhnlich. Normalerweise sind die Jungtiere mit ihren Müttern unterwegs. Aber während unserer Einsätze stoßen wir häufiger auf junge Nashörner mit erwachsenen Männchen. Wir vermuten, dass dies auf die hohe Wilderei im Park zurückzuführen ist.

Manche Tiere haben Schusswunden, die bei der Enthornung gleich mit versorgt werden. © Ursina Rusch/WWF Südafrika

Wilderei hinterlässt ihre Spuren

Wenn ein Weibchen erschossen wird, lassen die Wilderer manchmal ein Kalb zurück. Ist das Waisenkind noch auf Milch angewiesen, sind seine Überlebenschancen winzig. Finden es die Ranger nicht innerhalb von 48 Stunden, verhungert es in der Regel oder wird zur leichten Beute von Raubtieren. Größere Kälber suchen jedoch oft nach Artgenossen, denen sie sich anschließen können, und es scheint, dass erwachsene Bullen nichts dagegen haben, ein oder zwei Waisen im Schlepptau zu haben.

Wir nehmen uns den Bullen und das Jungtier vor, entnehmen Blut‑, Haar- und Kotproben für Forschungszwecke und versehen beide mit einem Mikrochip. Die ganze Prozedur geht schnell. Der Rekord liegt bei sieben Minuten! Enthornung inclusive. Nach der Behandlung verabreichen wir den Tieren ein Gegenmittel. Innerhalb von ein bis zwei Minuten sind sie wieder auf den Beinen. Wir rufen per Funk den Helikopter, und ab geht´s zum nächsten Patienten.

Ursina Rusch bei der Entnahme einer Blutprobe. Die Enthornung wird mit einem Gesundheitscheck kombiniert. © WWF Südafrika

Knochenjob für eingespielte Teams

Die Teams sind eingespielt. An einem guten Tag schaffen sie es, 30 bis 40 Nashörner zu enthornen. Aber der Job ist harte Arbeit. Aufgrund des steilen Geländes oder des dichten Busches kann der Heli oft nicht in der Nähe der betäubten Tiere landen, und so rennen wir mit der kompletten Ausrüstung oft über hügeliges Gelände und durch den dichten Busch.

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Ein Knochenjob, der im Laufe der Wochen seine Spuren hinterlässt. Der Rücken schmerzt, die Knie kribbeln und der Körper fühlt sich immer schwerer an, wenn frühmorgens der Wecker klingelt. Und dennoch: Ich glaube nicht, dass irgendjemand von uns diese Arbeit gegen einen anderen Job eintauschen würde.

Nicht alle passen in den Hubschrauber. Wer Pech hat, muss sich mit dem Jeep auf den Weg zurück ins Camp machen.      © Ezemvelo /KZN Wildlife

Gegen Mittag macht die Hitze dem morgendlichen Einsatz ein Ende. Wir versammeln uns alle an der Helikopter-Tankstelle und losen, wer mit den Hubschraubern zurück zum Camp fliegen darf. Wer Pech hat, muss den Rückweg mit dem Jeep antreten. Der braucht eine halbe Stunde länger. Heute habe ich Glück und  gewinne einen Sitzplatz im Helikopter.

Vom Heli an den Laptop

Zurück im Basislager drängen wir uns noch einmal in die Küche – hungrig, durstig, staubig und müde. Nach einer kurzen Dusche mache ich mich mit meinem Laptop auf den Weg zu den Büros, um mit meiner normalen Arbeit als Populationsmanager für das Projekt zur Erweiterung des Spitzmaulnashorn-Gebietes des WWF zu beginnen.”

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Wilderei in Deutschland: True-Crime-Podcast geht auf Spurensuche

Wilderei ist ein Mordsgeschäft. Nach Menschen‑, Waffen- und Drogenhandel gilt die illegale Jagd und der Handel mit Fellen, Knochen oder Stoßzähnen als lukrativstes Geschäft der internationalen Wildtiermafia.

Wilderei — in Deutschland

Tatorte sind aber nicht nur exotische Gegenden in Asien oder Afrika: Die Wilderer sind auch hier – unter uns. Im Visier stehen vor allem Greifvögel, Luchse und Wölfe. Das Motiv ist seltener die Aussicht auf schnellen Gewinn, sondern es geht um Hass und nicht selten sogar um Futterneid auf die Konkurrenz aus dem Tierreich.

Fallen, Giftköder oder Gewehrkugeln: Wilderei gehört bei Luchsen und Wölfen neben Verkehrsunfällen zu den häufigsten Todesursachen. Zur Rechenschaft gezogen werden die Täter selten. Wenn überhaupt ermittelt wird, verlaufen die Nachforschungen meist ins Leere. „Schießen, Schaufeln, Schweigen“ ist nach wie vor der Leitspruch.

Das Thema Wilderei in Deutschland haben wir schon länger thematisiert. Wir wollen das Schweigen durchbrechen. Wir wollen das Bewusstsein wecken für die Folgen der Wildtierkriminalität, die ganze Ökosysteme aus dem Gleichgewicht bringen kann. Das Überleben einzelner heimischer Arten steht auf dem Spiel.

Wildererei in Deutschland: Vergiftete Luchsin Tessa im Bayerischen Wald
Vergifteter Luchs im Bayerischen Wald: von wem? Warum? © Nationalpark Bayrischer Wald

Das illegale Töten von Wildtieren ist kein Kavaliersdelikt. Um die Aufmerksamkeit für das Thema zu erhöhen, starten wir jetzt einen True-Crime-Podcast, in dem einzelne, typische Fälle genauer beleuchtet werden. Der Podcast ist Teil eines EU-LIFE-Projekts, das sich für den Schutz von Wildtieren in Deutschland und Österreich einsetzt. Gemeinsam mit zwölf Partnerorganisationen wollen wir Wildtierkriminalität nachhaltig reduzieren.

Keine leichte Kost: echte Wilderei-Fälle als True-Crime-Podcast

Die Aufklärung einer breiten Öffentlichkeit spielt dabei eine wichtige Rolle. Hier setzt die neue Serie „Silent Victims: Tiere reden nicht“ an. Der bekannte True-Crime-Moderator Maximilian Pollux echten Fällen auf den Grund. Sein Podcast beschäftigt sich mit geköpften Wölfen, Giftmorden an Greifvögeln und verstümmelten Luchsen. Vorsicht, keine leichte Kost! Expert:innen liefern Hintergrundinformationen und ordnen die Fälle ein.

Maximilian Pollux, der True-Crime-Moderator weiß wovon er spricht. Als jugendlicher Intensivtäter verbrachte er selbst fast zehn Jahre hinter Gittern. Irgendwann schaffte er den Absprung.
Heute führt er  Anti-Gewalttrainings durch und arbeitet  als Autor, Podcaster und Youtuber zum Thema Prävention.  ©privat

Der erste Fall: Der Wolf aus der Lausitz und die Rasierklingen

Die erste Folge dreht sich um einen Wolf aus der Lausitz, der an einem mit Rasierklingen gespickten Köder verendet ist. Eine Wildtierpathologin beschreibt die Spurensuche und liefert Einblicke in die Abgründe hinter dem gewaltsamen Tod.

Grausame Fälle wie diese sind kein Einzelfall. Das wird auch in den anderen fünf Episoden des Podcasts deutlich. Vor allem Greifvögel fallen den heimtückischen Attacken zum Opfer. Auch Luchse, Biber und Fischotter werden immer wieder illegal getötet.

Wir brauchen Eure Hilfe beim Kampf gegen Wilderei

Noch immer werden viele Fälle von illegaler Wildtierverfolgung überhaupt nicht erfasst oder gemeldet. Die Dunkelziffer ist hoch. Wir werben deshalb in unserem Podcast darum, die Meldequote bei Wilderei zu erhöhen. Auf einer eigens dafür eingerichteten Website wildLIFEcrime – wildLIFEcrime können alle, die in der Natur unterwegs sind, verdächtige Beobachtungen oder Todfunde rund um die Uhr melden. Die Entdeckung und Meldung illegaler Handlungen gegen Wildtiere ist von zentraler Bedeutung, um die Wilderei zu stoppen.

Denn: Tiere reden nicht, deshalb müssen wir es für sie tun.

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