Die Staatsoberhäupter der Anrainerstaaten des Amazonas haben sich auf dem Amazonas-Gipfel dazu bekannt, den größten Regenwald der Erde zu retten. Schön. Zugleich haben sie aber versäumt, Bedingungen zu schaffen, damit aus frommen Wünschen Taten erwachsen. Eine verpasste Chance! Der vom brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula proklamierte „amazonische Traum“ bleibt ein Lippenbekenntnis, wenn es keine konkreten Ziele und Vorgaben gibt, den Raubbau zu stoppen.
Die Lage ist schon jetzt dramatisch. 18 Prozent des Waldes wurden bereits gerodet. Expert:innen fürchten, dass bei einer Zerstörung von 20–25 Prozent ein unumkehrbarer Kipppunkt erreicht sein könnte. Das darf nicht passieren. Die freigesetzte Menge an CO2 wäre so groß, dass wir das 1,5°C Ziel weltweit vergessen könnten. Wir fordern mindestens 80 Prozent der grünen Lunge unter Schutz zu stellen, um die Katstrophe abzuwenden. Für Indigene, andere traditionelle Gruppen, die Artenvielfalt und für uns alle.
Die Zerstörung des Waldes ist keineswegs allein ein Problem der 300 Millionen Menschen in Lateinamerika. Der Amazonas gehört zum Weltnaturerbe der Menschheit, er ist im wahrsten Sinne des Wortes unbezahlbar. Die Kosten, die für seinen Erhalt nötig sind, stehen in keinem Verhältnis zur ökologischen, klimatischen und wirtschaftlichen Katastrophe, die sein Verlust bedeuten würde.
Geld allein wird das Problem nicht lösen
Die Industrieländer können sich nicht von ihrer Mitverantwortung freikaufen. Deshalb ist es nicht genug, das Scheckbuch zu öffnen: Die Bundesregierung muss zusammen mit der EU deutlich machen, dass es nicht nur um Profite, sondern um eine wertebasierte Zusammenarbeit geht. Brandbekämpfung und Wiederaufforstung sind gut, sie bleiben aber nur Symbolpolitik, wenn die Ursachen der Entwaldung nicht angegangen werden.
Der Schlüssel zur Bekämpfung des Problems liegt in Südamerika, aber wir haben eine Mitverantwortung. Eine der Ursachen für die verheerenden Zerstörung am Amazonas und anderer Naturschätze, etwa der Cerrado-Savanne, findet sich in deutschen Futtertrögen: Soja. Allein für die Produktion von Tierfutter für Schweine, Rinder und Geflügel in Deutschland wird eine Anbaufläche so groß wie ganz Hessen benötigt. Ein großer Teil davon kommt aus Südamerika. Hier gilt es anzusetzen.
Weniger Fleisch aus Massentierhaltung zu essen, ist deshalb eine sinnvolle Maßnahme. Aber Politik und Wirtschaft dürfen die Verantwortung nicht auf die Verbraucher:innen abwälzen. Wir brauchen eine Handelspolitik, die viel mehr Wert auf Nachhaltigkeit legt. Hier kommen auch deutsche Unternehmen ins Spiel. Dass Unternehmen sagen, sie wüssten nicht, unter welchen sozialen Bedingungen und mit welchen ökologischen Schäden ihre Zulieferer produzieren, ist im 21 Jahrhundert nicht mehr akzeptabel.
Die Entwaldung des Amazonas legt Brasilien trocken
Brände und Kahlschlag am Amazonas sind eine Tragödie für die Natur und die Indigenen, die in der Region leben. Mittelfristig wird es aber auch die Verursacher:innen des Problems treffen, also uns alle. Der Regenwald ist eine gigantische Klimaanlage, Regenmaschine und eine gewaltige Kohlenstoffsenke. Wenn es nicht gelingt, den Wald zu retten, wird sich der Süden des Kontinents in eine Arte Sahelzone in Lateinamerika verwandeln. Brasilien wird austrocknen. Dann können auch die Rinderzüchter und Sojabarone ihr Geschäftsmodell vergessen. Ohne Regen ist keine Landwirtschaft möglich. Und das Erreichen der weltweiten Klimaschutzziele ist dann ohnehin eine Illusion.
Neues Jahr, neue Waldbrände. Trotz eines überdurchschnittlich feuchten Frühjahrs brennt es vielerorts schon wieder. Haben unsere heimischen Wälder angesichts der voranschreitenden Klimakrise noch eine Zukunft?
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Wieder brennt eines der munitionsbelasteten Wildnisgebiete im Süden Brandenburgs, die auch der WWF mitbetreut. Auch andernorts stehen so früh im Jahr bereits Wälder in Flammen – etwa auf der WWF-Fläche Zerweliner Heide in der Uckermark.
Dabei fühlen wir uns erinnert an die letzten Jahre, als Brände bereits große Waldflächen zerstörten. Als Einzelfälle können wir diese Ereignisse nicht mehr bezeichnen. Bewegen wir uns auf eine Steppenlandschaft zu?
Folgen der Klimakrise
Mittlerweile ist wohl allen bekannt, dass die Auswirkungen der Klimakrise uns direkt betreffen. Mit den anhaltenden Dürren, sinkenden Wasserständen und rasch verschwindenden Seen sind sie für uns alle längst sicht- und greifbar. Unzählige Seen, in denen die Eltern und Großeltern schwimmen lernten, sind zu Grasflächen verdorrt. Und mit dem schwindenden Wasser steigt auch das Risiko für Waldbrände.
Laut Umweltbundesamt ist das Land Brandenburg deutschlandweit am stärksten von Waldbränden betroffen. Erstmals seit 1992 sind in den Jahren 2018 und 2019 wieder größere Flächen verbrannt. In Brandenburg fielen zwischen 2018 und 2019 über 3.000 Hektar Wald den Flammen zum Opfer. Mit jetzt schon über 700 Hektar Brandfläche bei Jüterbog droht auch 2023 wieder ein schlimmes Waldbrandjahr zu werden – sollte es nicht doch noch zu einer längeren Regenperiode kommen.
Feuer auf ehemaligen Truppenübungsplätzen
Ehemalige Truppenübungsplätze in Südbrandenburg, die sich derzeit zu Wildnisgebieten entwickeln, sind mit riesigen Mengen an alten Kampfmitteln belastet. Dies stellt die Feuerwehr vor große Herausforderungen: Waldbrände löschen, ohne das Leben der Mitarbeitenden zu gefährden.
Dank ausführlicher Schutzkonzepte, die in Abstimmung mit Behörden, Feuerwehr, der Flächeneigentümerin Stiftung Naturlandschaften Brandenburg – Die Wildnisstiftung und vielen weiteren Akteuren erarbeitet wurden, konnten für den Ernstfall notwendige Vorbereitungen getroffen werden.
Die Maßnahmen zeigen trotz Großbrand Erfolge: Mittels Brandschutzstreifen ließ sich die Gefahr für anliegende Siedlungen abwenden. Doch der Schaden für die Natur ist unvorstellbar. Denn im Herzstück des Wildnisgebiets, wo Wolf, Wildschwein, Wiedehopf und Co. ungestört leben sollten, ist das Löschen zu gefährlich.
Wie umgehen mit Dürre und Waldbränden?
Bis auf Weiteres werden wir dank Klimakrise wohl oder übel lernen müssen, mit jährlichen Waldbränden zu leben. Auffällig ist, dass es bei den Bränden meist die für Brandenburg typischen Kiefern-Monokulturen trifft. Die trockenen Nadeln am Waldboden fungieren als idealer Zunder. Und durch die einheitliche Struktur können sich Feuer ungehindert ausbreiten – es sei denn, es werden riesige Waldbrandschneisen angelegt wie in Jüterbog. Strukturreiche, heimische Wälder mit einem großen Laubholzanteil verringern das Waldbrandrisiko erheblich. Also: Mehr Laubwälder müssen her.
Beim Umbau der Waldstrukturen handelt es sich jedoch um einen äußerst langwierigen Prozess. Die Effekte bereits angestoßener Bemühungen werden erst in vielen Jahren oder gar Jahrzehnten spürbar sein. Dazu ist bei fortschreitender Klimakrise ungewiss, ob an trockenen und nährstoffarmen Standorten wie Jüterbog überhaupt noch heimische Laubbäume großflächig überlebensfähig sein werden. Untersucht wird das derzeit unter anderem im Forschungsprojekt PYROPHOB.
Der Faktor Zeit
Neben waldbaulichen Maßnahmen müssen – dort wo es möglich ist – schleunigst weitere Kampfmittel beseitigt werden. Schließlich können die sich bei großer Hitze selbst entzünden und somit neue Waldbrände verursachen und Leben gefährden. An Standorten wie Jüterbog ist es dafür aber eigentlich schon zu spät: Die inzwischen hochgewachsenen Wälder müssten dafür vollständig gerodet werden. Kosten: mindestens 10.000€ pro Hektar.
Priorität sollte es also sein, schnellstmöglich die richtigen Bedingungen in der Landschaft zu schaffen. Damit sich heimische Laub- und Mischwälder wieder etablieren können. Dazu gehört auch die Verringerung der Wasserentnahme aus unseren Böden: Die Tage großer Beregnungsanlagen, die riesige Biogas-Maisäcker bewässern und dabei Jahr für Jahr der Landschaft das Grundwasser entziehen, sollten längst gezählt sein. Vielerorts sind sie leider immer noch gängige Praxis. Die Politik ist gefragt und sollte die Genehmigungen für solche Anlagen schnellstmöglich aussetzen.
Vorsicht im Wald
Aber auch ihr könnt euren Beitrag leisten. Mindestens 40 Prozent der Waldbrände gehen laut Umweltbundesamt nachweisbar auf Fahrlässigkeit und Vorsatz zurück. Die Dunkelziffer könnte viel höher sein, denn mehr als die Hälfte der Ursachen ist ungeklärt.
Daher gilt vor allem in trockenen Regionen besondere Vorsicht: Achtet auf Waldbrandgefahrenstufen und meldet Verstöße sofort bei der örtlichen Försterei oder Polizei. Wenn wir alle rücksichtsvoll handeln und alle gemeinsam daran arbeiten, Brandenburg widerstandsfähiger gegen die Dürre zu machen – dann haben unsere Wälder auch in der zunehmenden Klimakrise noch eine Chance.
Brasilien wählt — und die Welt hält den Atem an. Denn es geht nicht nur um den Präsidenten, sondern auch um den Amazonas.
Der amtierende Präsident Jair Bolsonaro kandidiert erneut. Gegenkandidat ist Ex-Präsident Lula da Silva. Es ist kein Geheimnis, dass Naturschützer Bolsonaro bei einer Abwahl keine Träne hinterherweinen würden. Unter Bolsonaro hat sich der Raubbau am Amazonas nochmals verschärft, seine Politik ist eindeutig ganz klar für die zunehmende Zerstörung des Amazonas verantwortlich.
1) Bolsonaros Politik führt zu Abholzen
Der Amazonas ist einer der größten Naturschätze. Auch Bolsonaro findet den Amazonas wichtig. Er sieht ihn vor allem als Chance, mit der seine Anhänger richtig viel Geld machen können. Er möchte den Amazonas „entwickeln“. Das heißt mehr Landwirtschaft, mehr Infrastruktur, mehr Rohstoffabbau. Und weniger Schutzgebiete, weniger Rechte für Indigene, weniger Umweltgesetze – weniger Natur.
Während seiner Amtszeit ist die Abholzung stark gestiegen. Eine Fläche größer als Schleswig-Holstein ging verloren — pro Jahr!
Der Amazonas wird hauptsächlich gerodet für Rinderweiden und Soja, das bei uns in den Futtertrögen von Schweinen, Kühen und Hühnern landet. So hängen unsere Bratwurst und unser Gouda damit zusammen. Da die Nachfrage nach Fleisch weltweit steigt, wittert Bolsonaro bessere Geschäfte und sagt: „Abholzung und Feuer werden niemals enden.“
Ganz nebenbei bemerkt wurden unter Bolsonaro auch 1500 neue Pestizide zugelassen. Viele davon gelten auch als schädlich für uns Menschen und sind in Europa verboten.
3) Mehr Gold-Abbau unter Bolsonaro
Goldsucher hinterlassen schon seit Jahren regelrecht ein Schlachtfeld an Zerstörung. Inklusive Kinderarbeit und Quecksilbervergiftungen. Das hat natürlich erhebliche Folgen für die Gesundheit der Menschen vor Ort und die Umwelt. Wir wissen allein von über 2500 illegalen Goldminen.
Bolsonaro hat kurzerhand das Geld für Umweltministerium und Umweltbehörden um ein Drittel reduziert. Sein Kalkül ist leicht zu durchschauen: Er will sie schwächen, damit er weniger Gegenwind bekommt. Von Umweltschutz hält er eh wenig. Das sei nur etwas für Leute, die Grünzeug essen.
Warum die Amazonas-Politik so besonders wichtig ist
Der Amazonas-Regenwald verschwindet in alarmierendem Tempo. Daran wird der Wahlausgang am Sonntag erstmal nichts ändern. Er könnte an einen Kipppunkt gelangen, ab dem er sich nicht mehr erholen kann. Forscher gehen davon aus, dass dieser Punkt bei 20 Prozent, maximal 25 Prozent Verlust erreicht ist. Aktuell sind wir bei 18 bis 20 Prozent. Ein Großteil des Amazonas würde sich dann in eine Savanne verwandeln. Seine Funktion Treibhausgase zu absorbieren und Wasser zu recyceln wären damit verloren, ganz zu schweigen von der einzigartigen Biodiversität. Der Amazonas wäre nicht mehr die grüne Lunge unseres Planeten.
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Eines ist sicher: Wird Bolsonaro erneut Präsident, dann geht seine Politik auf Kosten des Amazonas weiter. Er hat bereits jetzt schon weitere verheerende Gesetze in der Schublade, wie Amnestie für Landräuber, die Freigabe von indigenen Territorien und Schutzgebieten für Landwirtschaft oder die Kontrolle des Obersten Gerichtshofs. Es ist die letzte Instanz, die ihm Einhalt gebieten kann.
Doch es gibt noch Hoffnung für den Amazonas. Die Brasilianer können sich an der Urne für einen anderen Weg entscheiden. Wir können die Ursachen der Abholzung durch unseren Konsum und unsere Politik beeinflussen. Und wir können die Indigenen vor Ort im Kampf für den Amazonas unterstützen. Wir können es schaffen. Helft uns dabei!
Der Dokumentarfilm “The Territory“ lässt uns über eine Zeit von drei Jahren in den Kampf des indigenen Volkes der Uru-eu-wau-wau um ihre Heimat im Amazonas Bundesstaat Rondônia eintauchen. Ein wichtiger, fesselender, ein dringlicher Film — mit einer Besonderheit.
Der Kampf um die Gebiete der Indigenen im Amazonas tobt seit Jahrzehnten. Er spitzt sich aber immer dramatischer zu. In den 1970er Jahren erlebte der brasilianische Bundesstaat Rondônia intensive soziale und ökologische Umwälzungen, als Zehntausende, meist verarmte Stadtbewohner und landlose Lohnarbeiter dorthin zogen, um dem Versprechen der Regierung auf freies Land und dem Traum vom eigenen kleinen Stück Paradies nachzujagen. Es folgte ein Frontalangriff auf den Regenwald. Von der einzigen damals existierenden Hauptstraße abzweigend, schlugen die Siedler immer weiter verästelte Straßen in den Dschungel. Sie rodeten und besetzen Parzellen, um Platz für Acker- und Weideland zu schaffen.
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Wie sich das Muster aus Feldern, Straßen und Weideland einem Fischgrätenmuster gleich in den Urwald frisst, zeigt der Film gleich zu Beginn eindrücklich: Im Zeitraffer der historischen Entwicklung schrumpft der Regenwald weiter und weiter. Was bleibt, ist ein klar abgegrenztes Stück Erde: The Territory — das Territorium der Uru-Eu-Wau-Wau!
Dieser momentane Endpunkt einer Entwicklung ist das Sinnbild für alles, worum es in der Realität geht. In diesem Augenblick. Hier die Farmer, die für sich ein neues Leben schaffen wollen. Auf der anderen Seite die Indigenen, die ihr Land verteidigen. Der Film gibt beiden Perspektiven Raum.
Gegen eingeschleppte Krankheiten sind die Indigenen wehrlos
Die neu angekommenen Siedler betrachteten die indigene Bevölkerung als Feinde. Bei dem verzerrten Konflikt mit fliegenden Kugeln auf der einen und fliegenden Pfeilen auf der anderen Seite waren die Uru-Eu-Wau-Wau natürlich die Verlierer. Noch verheerender als die Gewalt waren die von den Siedlern eingeschleppten ansteckenden Krankheiten. Die indigenen Völker hatten dagegen keinen Imun-Schutz.
Während die Bevölkerung Rondônias in den 1970er und 80er Jahren um 15 Prozent pro Jahr anstieg, sank die Zahl der Uru-Eu-Wau-Wau von mehreren Tausenden auf knapp 200! Die Uru-Eu-Wau-Wau hatten aber auch Verbündete. Durch den Einsatz der Nationalen Behörde für Indigene (FUNAI), wurde 1991 die offizielle administrative Abgrenzung des indigenen Gebiets Uru-Eu-Wau-Wau genehmigt – des Territoriums, um das in dem Film geht. Während anderswo in Rondônia die Wälder für Rinderfarmen und Sojaplantagen abgeholzt wurden, ist ihr 1,8 Millionen Hektar großes Reservat eine der letzten Bastionen unberührten Regenwaldes. Mindestens vier Gruppen isolierter indigener Nomaden wandern noch immer in den Tiefen Regenwalds, wie wir in dem Film erfahren.
Neue Angriffe unter Bolsonaro
Doch heute sind die überlebenden Mitglieder des Volkes einem erneuten Angriff ausgesetzt. Der Film beginnt 2018 wenige Tage vor der Machtübernahme des rechtsextremen Präsidenten Bolsonaro. Bitaté und Neidinha verfolgen die Übertragungen der Hetzparolen des Präsidenten gegen die Indigenen mit Entsetzen. Sie ahnen was nun kommt. Die neue Attacke auf das Territorium der Uru-Eu-Wau-Wau wird durch Bauernvereinigung von Rio Bonito geführt. Die ist überzeugt, dass “die Indianer” zu viel Land haben. Skrupellos legen sie Feuer, roden und besetzen das Land. Die Kamera ist auch bei ihnen ganz nah dabei und schafft es, auch ein menschliches Bild der Invasoren zu zeichnen. Als perspektivlose Bauern, die von ihrem eigenen Land träumen und Gott und den Präsidenten auf ihrer Seite wähnen.
Einer meiner wenigen Kritikpunkte an dem Film ist, dass die mafiösen Strukturen der Großgrundbesitzer, die eigentlich hinter dem Landraub stehen, nur an einer Stelle benannt werden.
Der Konflikt um den Amazonas eskaliert
Der Konflikt eskaliert, als der sympathische Indigene Ari ermordet wird. Angeführt vom jungen Bitaté nehmen die Uru-Eu-Wau-Wau den Schutz ihrer Heimat nun selbst in die Hand. Sie patrouillieren ihr Gebiet, nehmen Beweise auf und verbrennen die Besitztümer der Eindringlinge auf ihrem Land. Der Kampf der Uru-Eu-Wau-Wau für den Schutz ihres Territoriums ist in ihrer uralten Verbindung zum Land verwurzelt. Bitaté beschreibt es so: “Wir haben eine besondere Liebe und Fürsorge für unser Territorium, weil unsere Vorfahren von dort stammen. Es ist der Ort, an dem die ganze Weisheit liegt. Unsere Kultur, unsere Traditionen, unsere traditionellen Lebensmittel und Heilpflanzen sind alle im Wald. Das ist ein Reichtum, den wir für künftige Generationen bewahren wollen. Deshalb haben wir für dieses Gebiet gekämpft. Und tun es immer noch”.
Die wichtigste Waffe der Uru-Eu-Wau-Wau in diesem Kampf sind Kameras, Drohnen und GPS Geräte. Die Älteren hatten nicht die Möglichkeit, derartige Technologie zu nutzen. Bitaté hingegen hat handfeste Beweise.
Der Film zeigt nicht nur den verzweifelten Kampf gegen Umweltzerstörung und Landraub, sondern gibt den Uru-Eu-Wau-Wau eine Stimme. Auch im Rahmen des Films. Statt als privilegierter, weißer Filmemacher eine marginalisierte Gruppe als sympathische Opfer darzustellen, macht der Regisseur Pritz die Uru-Eu-Wau-Wau zu Co-Produzenten des Films. Und lässt sie selbst die Kamera führen.
„The Territory“ ist dadurch ein authentisches Porträt einer bedrohten Gemeinschaft im Kampf um Heimat und Selbstbestimmung. Gleichzeitig mahnt der Film aber auch, dass das Schicksal der Uru-Eu-Wau-Wau und aller anderen Stämme eng mit unserem verknüpft ist. Denn die indigenen Territorien haben eine große Bedeutung für den Erhalt der biologischen Vielfalt. Und für die Bekämpfung des Klimawandels weltweit. Allein in Brasilien leben etwa 305 indigene Gruppen mit unterschiedlichen Weltanschauungen und über 270 Sprachen. Ihre Gebiete nehmen 13 Prozent der Fläche Brasiliens ein. 97 Prozent ihrer natürlichen Vegetation ist noch erhalten!
Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im Oktober 2022 hat sich die Lage für die indigenen Völker nun noch einmal extrem verschärft. Es herrscht ein Klima der Angst und Gewalt in Brasilien, Waldbrände und illegale Abholzungen sind auf ungebremstem Rekordkurs.
Paranüsse stammen aus dem Amazonas. Doch um sie zu ernten, wird kein Regenwald abgeholzt. Im Gegenteil. Denn der Paranussbaum ist ökologisch betrachtet etwas ganz Besonderes — er braucht ein intaktes Regenwald-Ökosystem, um Früchte zu produzieren. Alle Paranüsse in unseren Supermärkten sind daher wild im Regenwald gesammelt worden.
Die Paranuss bietet Lebensgrundlage für indigene und traditionelle Gemeinden,
trägt zur Erhaltung ihrer Kultur bei und vermindert die Attraktivität räuberischer
Einkommensquellen wie Holzeinschlag und Bergbau,
indem sie den intakten Wald in Wert setzt.
Paranuss: Einzigartiges Zusammenspiel der Natur
Weit überragt die runde Krone das dichte, grüne Blätterdach der Amazonas-Regenwälder: Paranussbäume (Bertholletia excelsa) sind sehr groß, bis zu 55 Meter und gehören zu den Bäumen, die das oberste Stockwerk der Tropenwälder bilden. Doch ohne die Bäume und Sträucher darunter würden hier keine Paranüsse wachsen. Die verschiedenen Schichten des Urwaldes dienen sozusagen als Treppenhaus für die einzigen Wildbienen, die fähig sind, die Paranuss-Blüten zu bestäuben. Und das ausgeklügelte ökologische Zusammenspiel geht noch weiter!
Der Paranuss-Baum wird hauptsächlich von den weiblichen Orchideenbienen(Euglossini) bestäubt. Sie sind groß und kräftig genug, um nötige Distanzen zu überwinden und die großen Blüten des Baumes aufzuklappen. Als Einzelgängerinnen können die Orchideenbienen aber nicht wie unsere Bienen gezüchtet werden. Auch das ist ein Grund, warum Paranüsse nicht gut auf Plantagen wachsen.
Die männlichen Orchideenbienen benötigen außerdem bestimmte Orchideen, die nur in einem intakten Regenwald vorkommen, um mit ihrem Duft die Weibchen zur Paarung anzulocken. Ohne diese Orchideen keine Orchideenbienen, also auch keine Paranüsse.
Schließlich braucht der Baum noch den Aguti: Ein Nagetier, das die Samen im Regenwald verteilt. Es ist mit dem Meerschweinchen verwandt und einer der wenigen Regenwaldbewohner, die fähig sind, die harten, herunter gefallenen Paranuss-Kapseln zu knacken.
Ihr seht, es ist eine ausgefeilte, kaum nachzuahmende Symbiose der Natur, die Paranüsse wachsen lässt und den Baum für den Naturschutz extrem wertvoll macht. Durch die Paranuss trägt der Erhalt großer, intakter Waldökosysteme buchstäblich Früchte.
Der nordbrasilianische Bundesstaat Pará ist namensgebend für die Nuss. Paranüsse wachsen in den tropischen Regenwäldern Guyanas und des Amazonasbeckens von Venezuela bis Brasilien. Deshalb wäre es eigentlich richtig, sie Amazonasnuss zu nennen. Die meisten Paranussbäume wachsen in Brasilien, größter Produzent für den Weltmarkt ist heute Bolivien.
Harte Schale, gehaltvoller Kern: Wie gesund sind Paranüsse?
In der halbmondförmigen Paranuss stecken zahlreiche Nährstoffe wie Magnesium, Kalium, Eisen, Zink, Vitamin E und ungesättigte Fettsäuren. Vegetarier:innen und Veganer:innen schätzen sie vor allem wegen des hohen Gehaltes an pflanzlichem Eiweiß. Auch sind sie besonders reich an Selen, einem Spurenelement, das unter anderem wichtig für die Zellerneuerung und das Immunsystem ist. Bereits eine einzelne Nuss deckt den Tagesbedarf!
Paranüsse sind wie andere Nüsse anfällig für Schimmelpilze (Aflatoxine), besonders weil sie wild im feuchten Regenwald gesammelt werden müssen. Durch gute Praktiken beim Sammeln, Trocknen und Lagern kann der Befall jedoch vermieden werden. Außerdem werden die für den europäischen Markt bestimmten Nüsse besonders strikt auf mögliche Aflatoxine geprüft.
Paranüsse haben aber noch aus einem anderen Grund eine Sonderstellung. Über ihr dünnes Wurzelgeflecht nehmen die Paranussbäume radioaktives Radium aus dem Boden auf, welches sich in den Nüssen anreichert. Zwar kommen auch in vielen anderen Lebensmitteln minimale Dosen radioaktiver Stoffe vor, jedoch ist sie in Paranüssen besonders hoch. Daher empfiehlt das Bundesamt für Strahlenschutz nicht mehr als 2–3 Nüsse (8 Gramm) pro Tag zu essen.
Paranuss: Frucht der Indigenen
Indigene Völker Amazoniens sammeln die Paranuss schon seit Jahrtausenden. Die Tatsache, dass der Paranussbaum heute meistens in Gruppen vorkommt, führt man auch darauf zurück, dass sie von Indigenen vor hunderten von Jahren angepflanzt wurden.
Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Amazonasbecken dann auch von Kautschuksammlern besiedelt. Außerhalb der Erntezeit des Kautschuks fingen diese bald an, ebenfalls Paranüsse zu sammeln. Castanheiros nennen sich die Sammler:innen und sind heute in Brasilien als traditionelle Völker anerkannt. Ihre Gemeinden fallen unter eine eigene Schutzkategorie, die ihnen große Territorien zusichert.
Wie nachhaltig ist das Sammeln von Paranüssen?
Natürlich nimmt, wer Wildfrüchte sammelt, immer auch Einfluss auf den natürlichen Kreislauf. Einerseits fehlen diese Früchte als Nahrungsquelle im Wald, andererseits tragen sie nicht mehr zur Ausbreitung des Baumes bei. Derartige Auswirkungen sind beim Sammeln der Paranüsse in den dichten Regenwäldern des Amazonas jedoch gering und werden heute durch spezielle Managementtechniken noch weiter vermindert.
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Die Arbeit ist mühsam und nicht ungefährlich. Die Paranussbäume stehen mitten im Regenwald, oft mehrere Stunden Fußmarsch von der Siedlung entfernt. Die Sammler:innen bleiben in der Erntezeit manchmal mehrere Tage im Wald in der Nähe der Bäume. Paranüsse wachsen in Kokosnuss-ähnlichen Kapseln, die aus großer Höhe herunterfallen, wenn sie reif sind. Die Castanheiros benutzen heute deshalb Schutzhelme, um Kopfverletzungen zu vermeiden. Um an die Nüsse zu kommen, müssen die sehr harten Kapseln per Hand aufgeschlagen werden. Nach dem Herausschlagen der Samen – in guter Entfernung von den Bäumen – werden diese dann in Säcke verpackt, transportiert und später getrocknet.
Das Fällen ganzer Bäume, um an ihre Nüsse zu kommen, ist in Brasilien, Bolivien und Peru verboten. Es wäre aber auch kontraproduktiv. Denn Paranussbäume brauchen viele Jahre, um zu wachsen. 500 Jahre kann ein Paranussbaum alt werden und es dauert Jahrzehnte, bis er Früchte trägt.
Wir vom WWF unterstützen in verschiedenen Projekten in Brasilien und Bolivien die nachhaltige Ernte von Paranüssen und die indigenen und traditionellen Gemeinden, die sich damit ihren Lebensunterhalt sichern. Die Paranuss ist ein gutes Beispiel dafür, wie eng verbunden die biologische, kulturelle und soziale Vielfalt sein können und wie wichtig es ist, das Große und Ganze in seiner Verbindung zu erhalten und zu fördern.
Beispiel Brasilien
In unserem neuesten Projekt in Brasilien – und gleichzeitig unserem größten in Südamerika – arbeiten wir mit verschiedenen indigenen und traditionellen Völkern zusammen. Zum Beispiel mit den Paiter Surui aus dem brasilianischen Bundesstaat Rondônia. Ein wichtiges Ziel des Projektes ist, für die indigene Bevölkerung alternative, nachhaltige Einkommensmöglichkeiten zu schaffen, die es ihnen ermöglichen, selbstbestimmt zu leben und gleichzeitig zur Entwicklung der Gemeinden beizutragen.
Gemeinsam wollen wir eine Wertschöpfungskette für Paranüsse so aufbauen, dass Käufer:innen im Supermarkt erkennen können, wo und durch welche Gemeinden die Paranüsse geerntet wurden und dadurch bereit sind, einen fairen Preis zu bezahlen. Zu unseren Maßnahmen zählen Fortbildungen hinsichtlich der Ernte, Aufbau der nötigen Infrastruktur zu Weiterverarbeitung, Einführung eines Systems zur Nachverfolgbarkeit und Zertifizierung der Produktion sowie die Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Marktzugang.
Hier noch ein Video unserer Partnerorganisation Origens Brasil: