Essen ist politisch

Essen ist nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern auch eine politische Angelegenheit. Wie wir uns ernähren, beeinflusst unsere Gesundheit und hat Folgen für Klima, Artenvielfalt und soziale Gerechtigkeit. In einer Welt, in der Milliarden von Menschen immer noch nicht ausreichend und gesund ernährt sind, müssen wir verstehen, dass unsere Essgewohnheiten Auswirkungen haben, die weit über den eigenen Tellerrand hinausgehen. Aber  zum Teil dort auch beginnen.

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Die Macht der Mahlzeiten

Forschungsergebnisse zeigen, dass wir ungefähr 200 Mal am Tag über Essen nachdenken. Die ständige Präsenz des Themas unterstreicht die Bedeutung unserer Essensentscheidungen für unsere Gesundheit, unsere Umwelt und unsere Gesellschaft. Indem wir uns bewusst für eine nachhaltige und faire Ernährung entscheiden, können wir nicht nur unser eigenes Wohlbefinden verbessern, sondern zugleich einen Beitrag zu einer besseren Welt leisten.

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Was Essen wir heute?  Eine Frage, die sich immer wieder neu stellt. © Gopixa / iStock / Getty Images

Nicht deklarierte Zusätze: Klimawandel und Artensterben

Unsere  Ernährungsweise hat direkte Auswirkungen auf das Klima und die Biodiversität. Ein Beispiel: Die Massentierhaltung ist ein Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen und führt  zur Entwaldung und Zerstörung natürlicher Lebensräume. Der Anbau von Monokulturen für Tierfutter führt zur Ausbeutung von Böden und zur Reduzierung der Artenvielfalt. Andererseits können wir durch den Konsum von lokal produzierten und saisonalen Lebensmitteln unseren ökologischen Fußabdruck verringern. Eine pflanzenbasierte Ernährung hilft beim Erhalt der Biodiversität.

Gerodete Wälder, ausgetrocknete Böden und verschmutztes Wasser gehören zum “Beigeschmack” vieler Lebensmittel. © iStock-Getty-Images

Trotz voller Teller leere Bäuche

Es ist eine traurige Realität, dass trotz der Überproduktion von Lebensmitteln weltweit Millionen von Menschen hungern oder unter Mangelernährung leiden. Gleichzeitig gibt es in vielen Teilen der Welt ein Problem mit Übergewicht und Fettleibigkeit. Diese Ungleichheiten in der Ernährung sind oft das Ergebnis von sozioökonomischen Faktoren, wie dem Zugang zu gesunden Lebensmitteln, Bildung und Einkommen. Die Politik spielt eine entscheidende Rolle dabei, sicherzustellen, dass alle Menschen Zugang zu einer ausgewogenen und erschwinglichen Ernährung haben.

 

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Politik: Koch oder Kellner

Die Politik kann einen Rahmen schaffen, der nachhaltige Ernährungspraktiken fördert und die soziale Gerechtigkeit unterstützt. Dies beinhaltet Maßnahmen wie Subventionen für ökologische Landwirtschaft, Regulierungen zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung und Programme zur Förderung von Bildung und Zugang zu gesunden Lebensmitteln. Es liegt nicht allein in der Verantwortung der Einzelnen, gesunde Entscheidungen zu treffen, sondern auch darin, sicherzustellen, dass diese Entscheidungen für alle Menschen zugänglich sind.

Meistens eher ungesund: Kantinenessen in Deutschland © lakshmiprasad-S-iStock-Getty-Images

Die politische Speisekarte

Gegessen wird, was auf den Tisch kommt? Das muss nicht sein. Am 9. Juni haben wir die Wahl. Es liegt an uns, bei den Wahlen zum Europarlament mit unserer Stimme Menschen zu unterstützen , die sich für eine nachhaltige Ernährung und soziale Gerechtigkeit einsetzen. Es ist wichtig, demokratische Parteien zu wählen, die sich für die Schaffung eines Ernährungssystems einsetzen, das die Bedürfnisse von Mensch und Umwelt gleichermaßen berücksichtigt. Indem wir unsere Stimme abgeben, können wir dazu beitragen, eine Zukunft zu gestalten, in der Essen nicht nur eine Frage des Geschmacks ist, sondern auch ein Instrument des Wandels für eine gesündere und gerechtere Welt.

Frisch gekocht, schmeckt besser und ist meisten auch gesünder © Lyndon-Stratford /iStock/Getty-Images

Der etwas andere  Kochkurs

Um das Bewusstsein für diese Zusammenhänge zu schärfen, bieten wir einen kostenlosen Onlinekurs an. WWF-Expert:innen und führende Wissenschaftler:inner die Zusammenhänge erklären. Der Kurs bietet Einblicke in die komplexen Beziehungen zwischen Ernährung, Umwelt und Gesellschaft. Er zeigt auf, wie wir als einzelne und als Gemeinschaften positiven Wandel herbeiführen können.

Kostenlose Anmeldung: wwf.de/foodkurs

Setzen wir uns gemeinsam für eine nachhaltige und faire Ernährungszukunft ein!

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Klimakrise: Leichen pflastern ihren Weg

Auf dem Totenschein steht Herz-Kreislauf-Versagen, Schlaganfall oder Lungenkrebs. Ärzt:innen diagnostizieren Bluthochdruck, Diabetes oder Demenz. Zivilisationskrankheiten! Zu den Gründen für ein vorzeitiges Ableben gehören aber nicht nur ungesunde Ernährung, anfällige Gene oder ein exzessiver Lebensstil, sondern immer öfter auch die Klimakrise.

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Luftverschmutzung

Der Smog in unseren Städten ist eine Nebenwirkung des fossilen Zeitalters, das noch immer nicht zu Ende geht. Abgase aus Fabriken, Schornsteinen, Kraftwerken und Auspuffen nehmen uns die Luft zum Atmen. Fünf Millionen Tote gehen jedes Jahr auf das Konto verschmutzter Luft. Infarkte, Herz-Rhythmus-Störungen und Asthma gehören zum Krankheitsbild Etwa zwei Drittel der Luftverschmutzung stammen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Deshalb ist Klimaschutz gleichzeitig ein Rezept gegen diverse Zivilisationskrankheiten.

Hitze

Die verdreckte Luft ist nicht der einzige Krankmacher, der direkt mit der Klimakrise zusammenhängt. Auch die Erderwärmung selbst macht uns zunehmend zu schaffen. Im Jahr 2023 wurden die höchsten globalen Temperaturen seit mehr als 100.000 Jahren beobachtet. Das zurückliegende Jahrzehnt war die heißeste jemals registrierte Dekade, und auf allen Kontinenten wurden regelmäßig Hitzerekorde gebrochen.

Das Wetter wird immer extremer und das hat oft fatale Folgen © AL-Travelpicture / iStock-Getty / Images

Das bleibt nicht ohne Folgen: Gesundheitsgefährdende hohe Temperaturen treffen vor allem ältere oder ohnehin angeschlagene Menschen. Hitze schwächt den Körper und führt zu Schwindel, Bewusstlosigkeit, Herz-Kreislauf-Problemen bis hin zum Tod.

Eine Expertenkommission der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet  setzt sich regelmäßig mit der Thematik auseinander. In ihrem Bericht von 2023 konstatieren die Wissenschaftler:innen eine 85prozentige Zunahme der hitzebedingten Todesfälle bei Kleinkindern und Menschen über 65 Jahren; in nur einem Jahrzehnt! Beunruhigend sind auch die Zahlen des Robert Koch Instituts. Demnach forderte die Sommerhitze 2023 allein in Deutschland über 3.000 Todesopfer. Das dürfte kein Ausnahmejahr bleiben. Die Expert:innen von The Lancet befürchten, dass sich die hitzebedingten Todesfälle bis Mitte des Jahrhunderts mehr als verdreifachen.

Extremwetter macht krank

Hitze, Wind und Trockenheit führen zu immer extremeren Bränden. © Andrii / iStock-Getty / Images

Es wird nicht nur immer wärmer, sondern das Wetter wird auch immer extremer. Gewaltige Überflutungen wechseln sich ab mit lang anhaltenden Dürren. Wirbelstürme und Waldbrände richten gewaltige Schäden an und verschlingen Unsummen für den Wiederaufbau. Sie kosten zugleich Millionen Menschen das Leben. Nicht nur akute Naturkatastrophen fordern ihren Tribut. Immer häufigere Hitzewellen und Dürren führen dazu, dass der Hunger wieder zunimmt. Die Zahl der Unterernährten hat in wenigen Jahren um mehr als 120 Millionen zugenommen. Die Klimakrise führt zu Hunger, und Hunger macht krank.

Trockenheit führt zu Ernteausfällen und die wiederum zu Hunger und Hunger macht krank. © altanakin / iStock-Getty / Images

Infektionskrankheiten

Mit dem Klima verändert sich das Verbreitungsgebiet von Krankheitserregern. Blutsaugende Insekten dringen in Gegenden vor, in denen sie bislang wenig Überlebenschancen hatten. Und sie bringen Krankheiten mit, die man bislang nur aus den Tropen kannte. Das Vordringen der Tigermücken oder die Vermehrung von Zecken fördern die Verbreitung von Infektionskrankheiten wie Dengue, Zika oder das West-Nil-Fieber. Auch vereinzelte Fälle von Malaria wurden bereits in Europa beobachtet. In dem schon genannten Lancet Bericht rechnen die Mediziner:innen damit, dass das Übertragungsrisiko für das Dengue-Fieber – eine fiebrige Krankheit, die mit Kopf‑, Muskel‑, Glieder‑, Knochen- oder Gelenkschmerzen einhergeht bis Mitte des Jahrhunderts um über 35 Prozent zunimmt.

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Durch die Erwärmung der Weltmeere  gehören krankmachende Vibrionen zu den Gewinnern der Klimakrise. Es handelt sich um Bakterien, die in den Ozeanen vorkommen und sich bei höheren Temperaturen besonders stark vermehren. Gelangen sie in den Körper, können sie Brechdurchfall und Infektionen verursachen. Durch die ansteigenden Meerestemperaturen finden die Bakterien optimale Bedingungen. Inzwischen leben 1,4 Milliarden Menschen in gefährdeten Küstenabschnitten und sind dem Risiko ausgesetzt, sich mit den Erregern zu infizieren.

 

Klimaziele: Sturm über der Karibik
Wärmere Ozeane bieten optimale Bedingungen für die Vermehrung von Krankheitserregern wie Vibrionen © Valio84sl / iStock/GettyImages

Die Klimakrise birgt  gewaltige Herausforderungen für die Gesundheitssysteme, insbesondere in den Entwicklungsländern. Das erfordert viel Geld und ein ganzheitliches Denken. Die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt ist eng miteinander verbunden. Mit dem so genannten „One-Health-Ansatz“ wird versucht, darauf zu reagieren. Ziel ist es, die Bedrohungen für die Gesundheit und den Zustand unserer Ökosysteme gemeinsam in den Blick zu nehmen und Maßnahmen gegen die Klimakrise auf den Weg zu bringen. Es spricht vieles dafür, dass sich dieser integrierte Ansatz noch einigen Herausforderungen stellen muss. Denn es wird immer deutlicher: Die Klimakrise ist auch eine Gesundheitskrise.

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Fitnesstraining für Klimaschützer:innen

Der WWF startet die klimafit-Challenge, eine Mitmachaktion für alle, die helfen wollen, das Klima zu schützen.

Klimaschutz ist Chef:innensache, könnte man meinen. Und natürlich  sind unsere Regierungen, Unternehmen und NGOs in der Verantwortung, damit wir die Klimaschutzziele erreichen. Aber nicht nur sie. Wir alle sollten uns fragen, wie wir für eine enkeltaugliche Zukunft sorgen können? Alle tragen Verantwortung. Und damit auch ich… und Du. Denn jeder Beitrag zählt, um die Erderwärmung und den Ressourcenverbrauch einzudämmen! Und das können wir im täglichen Leben, jede und jeder für sich und in der Gemeinschaft, tun.

Klimaschutz als Gemeinschaftsaufgabe

Ich habe beim WWF mit meinen Kolleginnen und Kollegen über Möglichkeiten gesprochen, wie wir Ressourcen schonen und CO2-Emissionen im Alltag einsparen können. Muss ich mich jetzt komplett einschränken?  Darf ich guten Gewissens dieses und jenes noch tun? Was bringt es, wenn ich mit dem Fahrrad fahre, warum sollte ich Lebensmittel aus der Region kaufen oder den Computer-Monitor in der Mittagspause ausschalten? So schwer ist das gar nicht.

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Tatsächlich können wir ganz einfach klimafreundlicher leben. Und zusätzlich tun wir dabei unserer Gesundheit und dem eigenen Geldbeutel etwas Gutes. Wie das geht, zeigt uns die klimafit-Challenge „zukunftsfit mit klimafit“.

Öfter mal weniger Fleisch essen, ist gesund und entlastet das Klima. © Maskot / iStock / Getty Imageks

klimafit: Gemeinsam mehr erreichen

Mit  der klimafit-Challenge wird sichtbar, wie viel Co2 mit kleinen Verhaltensänderungen im Alltag eingespart werden kann, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen. Wir zeigen, was wir mit ganz einfachen Maßnahmen aus verschiedenen Bereichen, wie beispielsweise der Umstieg von Auto auf den ÖPNV oder das Fahrrad und häufigeres Kochen ohne tierische Produkte erreichen können. Unser Ziel: In vier Wochen wollen wir mit euch gemeinsam 150 Tonnen CO2 einsparen!

Das entspricht den Emissionen auf einer Strecke von 750.000 mit dem PKW (Benziner) gefahrenen Kilometern. Das sind knapp 19 Umrundungen des Äquators. Ein ambitioniertes Ziel für vier Wochen. Aber mit Deiner Mithilfe schaffen wir diese klimafit-Herausforderung.

Gewohnheiten ändern

Wenn alle Teilnehmenden ihre Maßnahmen nach der Challenge für ein Jahr in ihren Alltag übernehmen, wären das 1800 Tonnen CO2 -Einsparungen. Das entspricht etwa den durch Wohnen und Heizen erzeugten Jahresemissionen von 1500 Zwei-Personen-Haushalten in Altbau-Mehrfamilienhäusern.

© Halfpoint / iStock / Getty Images

Die Aktion kann ein Einstieg sein, um im Alltag mal was anderes zu probieren und dabei etwas Gutes fürs Klima zu tun. Wie wäre es beispielsweise mit einer veganen Sonntagsbrunch-Tradition? Oder einer neu gegründeten Fahrgemeinschaft für den täglichen Weg zur Arbeit? Ob und wie oft pro Woche Du Dich zum Beispiel vegetarisch oder vegan ernähren möchtest, oder mit dem Rad statt dem Auto zur Arbeit fährst, entscheidest Du selbst. Tipps um zukunftsfit zu werden, findest Du auf unserer Website zur WWF Challenge.

Verantwortung übernehmen

Mach mit bei der Challenge zukunftsfit mit klimafit! Die klimafit-Challenge ist mehr als nur ein Versuch zur Veränderung des eigenen Lebensstils. Sie ist eine Möglichkeit zu erfahren, wie wir mit ganz einfachen Maßnahmen Verantwortung für unseren Planeten übernehmen können. Jeder Schritt, den wir gemeinsam gehen, bringt uns näher zu einer nachhaltigen Zukunft.

Lokales Obst und Gemüse vom Wochenmarkt helfen das Klima zu entlasten © nd3000 / iStock / Getty Images

Wenn Du Teil dieser Veränderung sein möchtest, schließe Dich der klimafit-Challenge-Gruppe des WWF an. Mach mit! Gemeinsam können wir den Weg zu einer umweltfreundlichen und nachhaltigen Welt ebnen. Am Ende zählt jeder Beitrag zu einem gesunden und lebenswerten Planeten.

Du bist eingeladen an unserer Challenge vom 22.04.2024 bis 19.05.2024 teilzunehmen. Tritt jetzt der WWF Gruppe „Die Zukunftsfitten“ bei.

klimafit-Check

Deine persönlichen CO2-Einsparungen sowie die Einsparungen unserer Gruppe bekommst Du unmittelbar angezeigt.

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Die Challenge ist selbstverständlich kostenfrei. Wenn Du Dich angemeldet und Deine Anmeldung bestätigt hast, bist Du Teil des Teams. Hilf uns 150 Tonnen CO2 einzusparen! Jetzt zukunftsfit mit klimafit werden!

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CO2: Catch me if you can

Was machen wir nur mit all den Treibhausgasen? Eine Idee, wir schicken sie dorthin, wo Kohle, Öl und Gas herkommen. Unter die Erde. CCS, Carbon Capture and Storage, also die Abscheidung und Lagerung von CO2 in tiefen Gesteinsschichten. Klingt verlockend, schafft uns aber wohl allenfalls einen sehr kleinen Teil der Klimakrise vom Hals und ist zudem kompliziert, teuer und nicht ohne Risiken.

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Ein überdimensioniertes „Dixi-Klo“, so beschreiben Beobachter eine Anlage, die seit einigen Wochen in Essen zu bestaunen ist. Hinter der Konstruktion steckt jedoch weit mehr als die Hightech-Vision einer Plastiklatrine, auch wenn es sich tatsächlich um ein Gerät zur Entsorgung menschlicher Hinterlassenschaften handelt. Es ist der derzeit größte CO2-Staubsauger im Land. Netter Versuch, aber sicher nicht die Geheimwaffe gegen die Erderhitzung!

Der Essener CO2 Staubsauger © IMAGO-Funke

Aus den Augen aus dem Sinn

Eine größere Rolle in der aktuellen Diskussion  um Auswege aus der Klimakrise spielt da schon das sogenannte CCS, Carbon Capture and Storage, also die Abscheidung und Lagerung von CO2 in tiefen Gesteinsschichten. Hier geht es nicht darum, das Treibhausgas wieder aus der Luft zu entfernen, sondern man setzt direkt am Schornstein an. CCS ist der Versuch, das CO2 an den  Fabriken einzufangen, bevor es in die Atmosphäre gelangt. Theoretisch lässt sich das abgeschiedene Kohlendioxid sogar weiterverarbeiten. Das nennt sich dann CCU, „Carbon Capture and Utilization“. Letzteres hilft dem Klima aber nur begrenzt, denn zum einen bleibt das verarbeitete CO2 nur für die Lebensdauer des Produktes gebunden und gelangt später eben doch in die Atmosphäre, zum zweiten verbraucht CCU so viel Strom, dass die Produktion kontraproduktiv wäre.

Klingt einfach, ist aber kompliziert und wirft neue Probleme auf: Carbon Capture and Storage (CCS). © picture alliance

Trotzdem findet CCS seine Fans. Hierzulande wollten vor allem die Betreiber von Kohlekraftwerken die Methode nutzen, um ihre CO2-Schleudern länger betreiben zu können. Mit dem vereinbarten Kohleausstieg ist dieser Ansatz zumindest in Deutschland vom Tisch. In letzter Zeit kommt aber wieder Bewegung in die Debatte, zumal viele Klimawissenschaftler  zu der Überzeugung gekommen sind, dass die Pariser Klimaziele ohne CO2-Abscheidung und Speicherung  nicht zu erreichen seien.

Tatsächlich zeigen sich selbst der WWF und der Nabu offen. In einer ungewöhnlichen Allianz mit BDI und DGB einigten sie sich auf ein Thesenpapier. Tenor: „Kann man machen, muss man aber nicht.“ Konsens ist, dass CCS aber allenfalls für „nicht vermeidbare Emissionen“ aus dem Industriesektor infrage kommt. Nach dem aktuellen Stand der Technik sind das  Emissionen, die bei bestimmten Produktionsprozessen, etwa der Herstellung von Zement oder bei der Müllverbrennung frei werden. Aktuell sind das im Jahr geschätzte 35 Millionen Tonnen, ungefähr fünf Prozent des gesamten Treibhausgasausstoßes in Deutschland.

Endstation Meer

Bevor es allerdings soweit kommen könnte, sind noch viele Hürden zu überwinden. Zwar gibt es in Deutschland auch an Land infrage kommende Lagerstätten,  aber wahrscheinlich wird es auf die Speicherung tief unter dem Meeresgrund hinauslaufen. Ob in der deutschen Nordsee jemals CO2 verpresst wird, ist allerdings fraglich. Überfällig ist vor allem ein rechtlicher Rahmen. Grundsätzlich sollte bei allen Gedankenspielen ein wirksamer Meeresschutz von Anfang an mitgedacht werden und die Rahmenbedingungen für eventuelle CO2-Verpressung im Meeresboden mitbestimmen. Denn die Meere tragen eine Hauptlast der Energiewende, und sie sind schon jetzt in einem schlechten Zustand. Ihre Biodiversität und ihre natürliche Fähigkeit Kohlenstoff zu speichern nehmen rasant ab. Für einen funktionierenden Klimaschutz ist ihr Schutz maßgeblich.

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Andere Länder sind in Sachen CCS  bereits weiter und wittern ein lukratives Geschäft. Allen voran die Norweger. Sie speichern bereits seit fast 30 Jahren CO2 in ihrem Teil der Nordsee, in der Regel in ausgebeuteten Gas- und Ölfeldern. Dort nutzen sie das Verfahren der CO2-Injektion, um auch noch die verbliebenen Reste aus den Lagerstätten zu holen. – ein riesiger Business Case mit zahlreichen damit verbundenen Problemen.

Ungelöste Probleme

Völlig ungelöst ist, auf welchem Weg und in welcher Form, das abgeschiedene Gas zu den maritimen Lagerstätten kommt. Gebraucht werden Pipelines, Kesselwagen, spezialisierte Häfen und geeignete Schiffe. Für all das sind enorme Investitionen in die Infrastruktur nötig und das kostet Geld und Zeit – und verursacht auf dem Weg neue Treibhausgas-Emissionen.

Wissenschaftler kalkulieren die Kosten pro verpresste Tonne CO2 auf etwa 150 Euro pro Tonne. Selbst wenn die vom Emissionshandel ausgenommenen Branchen ab 2034 für ihre Emissionen zahlen müssen, wäre es zumindest nach aktuellem Stand deutlich billiger, das CO2 in die Luft zu blasen und zum Ausgleich Zertifikate zu kaufen.

Kurzum: CCS wird das Klima nicht retten. Ob die Technik wirklich einen Beitrag leisten kann, muss gründlich berechnet und abgewogen werden. Die Prioritäten liegen anderswo: Beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der Wiederherstellung und Stärkung natürlicher Senken.

Das gleiche gilt für die viel besprochenen CO2 Staubsauger. Insgesamt bräuchte Deutschland 6,6 Millionen solcher Staubsauger, um die Treibhausgase, die wir jedes Jahr in die Luft blasen, wieder zu neutralisieren. Dann vielleicht doch lieber ein Windrad im Garten…

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Was würde ein Klimakanzler tun?

Ich bin jetzt 25. Laut Lebenserwartung einer deutschen Frau habe ich noch um die 55 Jahre Leben vor mir. Ich brauche jetzt ihn: den echten Klimakanzler. Und hier kommt, was er jetzt tun muss. 

Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz folgende Schutzpflicht des Staates umfasst auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Sie kann eine objektivrechtliche Schutzverpflichtung auch in Bezug auf künftige Generationen begründen.

Das stammt aus dem historischen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom März 2021 zum deutschen Klimaschutzgesetz. Damals hatte das höchste deutsche Gericht geurteilt, dass Teile des alten Klimaschutzgesetzes verfassungswidrig waren. Es bürdete nachfolgenden Generationen eine hohe Emissionsreduktionslast auf. Und schränkt dadurch meine, unsere Freiheit ein – während vorherigen Generationen deutlich größere Teile des CO2-Budgets zugestanden wurden.

Klimaschutz hat Verfassungsrang

Das Ergebnis dieses Beschlusses war die Überarbeitung des deutschen Klimaschutzgesetzes. Neue Zwischenziele für die Reduktion von Treibhausgasemissionen wurden festgelegt. Viel wichtiger aber ist, dass das Verfassungsgericht deutlich gemacht hat: Klimaschutz ist eine Verpflichtung des Staates. Und diese Verpflichtung darf nicht einfach aufgeschoben werden, da sonst eben die Freiheiten von morgen unverhältnismäßig eingeschränkt werden. Klimaschutz hat seither also Verfassungsrang.

Warum passiert so wenig beim Klimaschutz?

Soweit zu Recht und Theorie. Bei der Umsetzung wird es allerdings schon wieder schwieriger. Denn zwar hat die Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgelegt, dass sie das Klimaschutzgesetz „noch im Jahr 2022 konsequent weiterentwickeln“ und ein umfassendes Klimaschutzsofortprogramm auf den Weg bringen wolle. Alle Sektoren – Verkehr, Gebäude, Stromerzeugung, Industrie und Landwirtschaft – müssten dazu ihren Beitrag leisten. Passiert ist allerdings… sehr wenig. Ein Klimaschutzsofortprogramm? Gibt es immer noch nicht. Und die Sektoren? Haben erst vor Kurzem ein vernichtendes Urteil des Expert:innenrats für Klimafragen in Bezug auf ihre Umsetzung der Klimaziele bekommen.

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Der Expert:innenrat ist bewertet den Fortschritt der Sektoren. Das Urteil: Die bisherigen Emissions-Reduktionsraten reichen bei weitem nicht aus, um die Klimaschutzziele für 2030 zu erreichen – weder in der Summe noch in den einzelnen Sektoren“. Insbesondere die Sektoren Verkehr und Industrie stoßen deutlich zu viele Emissionen aus. Das von Minister Wissing vorgelegte Sofortprogramm für den Bereich Verkehr war sogar so schlecht, dass die Expert:innen es im August im Grunde nicht bewertet hatten – es erfülle die Anforderungen an ein Sofortprogramm nicht.

Große Versprechen, kleine Resultate

Trotz großer Versprechen und Ankündigungen hat die Bundesregierung also nicht geliefert. Die bisherigen Maßnahmen zeigen wenig Ambition. Sie genügen – zum Beispiel im Bereich Verkehr – nicht mal der gesetzlichen Pflicht des Klimaschutzgesetzes. Stattdessen taucht immer wieder die Forderung der FDP auf, die Sektorziele für den Klimaschutz aufzuweichen, also etwa die Minderungsziele für Industrie oder Stromerzeugung. Diese Bilanz ist ernüchternd. Olaf Scholz, Selbstbezeichnung Klimakanzler, wird zum Kummerkanzler. Doch er kann das noch ändern.

Was mein Klimakanzler tun muss

Erstens: Die Sektorziele sind zentral. Sie zeigen transparent und spezifisch, wo wir in den einzelnen Bereichen stehen und wo wir handeln müssen. Sie setzen auf die faire und gemeinschaftliche Umsetzung von Klimaschutz. Und das ist gut so. Denn um 2045 klimaneutral zu werden, müssen wir auch in allen Sektoren ansetzen. Außerdem weisen die Sektorziele klare Verantwortlichkeiten zu. Und sie ermöglichen Nachbesserungen: nämlich über ihre Verpflichtung zu Sofortprogrammen im Falle einer Zielverfehlung. (Mehr zu dem Thema auch in unserem offenen Brief: „Klimaziele werden nicht erreicht, indem man sie abschafft“.)

Zweitens sollte ein Klimakanzler das Klimaschutzgesetz nicht nur beibehalten, sondern sich  für dessen Weiterentwicklung einsetzen. Denn momentan wird der Klimaschutz hauptsächlich an „Ex-Post“-Indikatoren gemessen. Also Indikatoren, die sich auf das vergangene Jahr beziehen. Um gerüstet für die Zukunft zu sein, brauchen wir auch „Ex-ante“-Indikatoren. Ein Beispiel: der Fachkräftemangel. Wir wissen jetzt schon, dass wir viel zu wenig Fachkräfte für den Ausbau der Erneuerbaren Energien haben. Das ist ein Indikator dafür, dass wir im Sektor Stromerzeugung ein Problem bei der Umsetzung der Klimaziele bekommen werden. Und dass wir dort nachsteuern sollten.

Drittens würde ein Klimakanzler schnellstmöglich seinen Versprechen nachkommen und ein Klimaschutzsofortprogramm auf den Weg bringen – und zwar ein echtes Klimaschutzsofortprogramm. Dieses müsste den Ausbau erneuerbarer Energien und sauberer Anwendungen und Industrieprozesse beschleunigen, sowie fossilen Projekten endgültig eine Absage erteilen – im Ausland wie in Deutschland. Außerdem braucht es umfassende Investitionen etwa in „Klima-Infrastruktur“, erneuerbare Energiesysteme und die Sanierung besonders ineffizienter Gebäude. So kann der Umbau in Richtung Klimaneutralität ermöglicht werden. Das würde nicht nur dem Wirtschaftsstandort Deutschland guttun, sondern auch ein klares Signal an den privaten Kapitalmarkt senden.

Klima Demonstration
Klimakanzler, bitte herhören. Es gibt viel zu tun! © Halfpoint/iStock/Getty Images

Was also werden der Kanzler und die Bundesregierung tun? Am besten alles. Ich bin jetzt 25. Laut Lebenserwartung einer deutschen Frau habe ich noch um die 55 Jahre Leben vor mir. Damit bin ich ein Teil der Generation, auf die sich das Bundesverfassungsgericht 2021 bezogen hat. Ja, meine Generation wird die Last der Emissionsminderungen, die wir heute nicht unternehmen, tragen müssen. Deswegen brauche ich, alle anderen und die kommenden Generationen jetzt ihn: den echten Klimakanzler.

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