Madagaskar: im Auge der Klimakatastrophe

Das für seine Biodiversität bekannte Madagaskar leidet wie kaum eine andere Weltgegend unter den Folgen der Klimakrise: Hunger, Dürre, Flüchtlinge, Stürme. Es ist allerhöchste Zeit zu handeln, schreibt Nanie Ratsifandrihamanana, Geschäftsführerin des WWF-Madagaskar.

Der rote Staub bedeckt alles, was das Auge sehen kann. Ausgedörrtes Land, kilometerweit, ab und an stachelige Dickichte. Hier war einst kostbarer Mutterboden, der die Maisfelder im Süden Madagaskars ernährte.

Verheerende Sandstürme und die in den letzten drei Jahren drastisch zurückgegangenen Niederschläge haben jede Hoffnung auf eine Ernte zunichte gemacht. Zunehmende Trockenheit und Hitze lassen den Boden erodieren und erschweren den Anbau von Feldfrüchten. Die Klimakrise ist für die Menschen Realität.

Wohin man auch blickt, sieht man den drohenden Hunger: in den Feldern, die sich in Ödland verwandelt haben. In den erstickten Rindern und Kakteen. Und auf herzzerreißende Weise in den ängstlichen Augen der Eltern, die ihre Familien ernähren müssen. Die Menschen haben nichts mehr zu essen, Unterernährung ist sprunghaft angestiegen. Um zu überleben essen die Menschen Heuschrecken, Kaktusblätter und eine Mischung aus Lehm und Tamarindensaft.

Selbst die Lemuren hungern

Mit der Verschärfung der humanitären Krise nehmen auch die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt zu. Wellen von Klimaflüchtlingen fliehen aus dem von der Dürre heimgesuchten Süden und haben kaum eine andere Wahl, als die Wälder in den Schutzgebieten weiter nördlich abzuholzen. Oder sie lassen sich an der Westküste nieder und leben dort vom illegalen Fischfang. Die Natur erweist sich mehr denn je als einziges Sicherheitsnetz für diese Menschen in einer Zeit der Krise.

Madagaskar Ringelschwanzlemuren Katta Catta
Auch die berühmten Lemuren Madagaskars leiden © IMAGO / Nature Picture Library / Bernard Castelein

Auch die Tiere leiden. Selbst bei den berühmten Katta Ringelschwanzlemuren (Lemur catta) in der Region Atsimo-Andrefana haben wir Nährstoffmangel festgestellt.

Vierte Hungersnot in zwei Jahrzehnten

Wir sind in Madagaskar im Auge des Sturms der Klimakrise. Vor 30 Jahren waren Dürren selten. Heute sind sie Teil unseres Lebens geworden. Innerhalb von 21 Jahren ist dies mindestens die vierte Hungersnot und Dürre, mit der unser Land konfrontiert ist.

Steigende Lufttemperaturen verbunden mit dem Anstieg und der Erwärmung der Meere bedrohen unsere Insel, unsere Menschen und unsere einzigartige Artenvielfalt. In der ohnehin schon halbtrockenen südlichen Region der Insel wird bis zum Ende des Jahrhunderts ein Anstieg der Durchschnittstemperatur um 2,5 °C bis 3,5  Grad Celsius vorhergesagt, wenn die weltweiten Treibhausgasemissionen nicht drastisch zurückgehen.

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Doch nicht nur Dürre und Hitze, auch das Wasser hat seine eigenen Gefahren für uns. Steigende Meerestemperaturen haben zu heftigen Wirbelstürmen und damit zu Überschwemmungen im Norden des Landes geführt. Die häufigeren El-Niño-Zyklen verlängern die Dürreperioden und die tödlichen Tiomena-Sandstürme. Und auch das Meer selbst bleibt nicht verschont. Der Süden Madagaskars beherbergt das drittgrößte Korallenriffsystem der Welt. Doch durch die steigenden Meerestemperaturen bleichen die Korallen aus.

Wir haben in Madagaskar viel überlebt. Aber jetzt kommt etwas dazu…

Als Inselentwicklungsland haben wir viel Leid und Hunger erlebt. Aber wir haben dabei auch gelernt, dass wir widerstandsfähig sind. Doch dieses Mal sind es nicht nur Armut oder politische Krisen, die uns und unseren Kindern Leid zufügen. Es ist auch, und zwar zu einem großen Teil, die vom Menschen verursachte Klimakrise.

Madagaskar Klima Klimakrise Wasserknappheit: Menschen mit Kanistern
Wasser wird zum teuren Luxusgut. Auf den Dörfern im Süden wird Wasser in einem 20-Liter-Kanister für 800 Ariary verkauft, das sind etwa 20 Cent. Dreiviertel der Bevölkerung müssen aber mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen. © Tony Rakoto / WWF Madagascar

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Wir befinden uns in dieser Situation, weil die Welt nicht in der Lage ist, die Klimakrise angemessen anzugehen — und weil die madagassische Regierung jahrelang versäumt hat, die Auswirkungen angemessen zu planen und sich darauf vorzubereiten. Es schmerzt, es macht mich wütend.

Die Menschen hier haben das Gefühl, dass ihnen die Zeit und die Möglichkeiten ausgehen. Aber das stimmt zum Glück nicht. Wir können immer noch lenken, was die Zukunft bringt, wenn wir heute handeln. Die Welt muss aufwachen und die Gefahren des “business as usual” erkennen. Dürre und Hungersnot in Madagaskar, Überschwemmungen in Deutschland und China, Waldbrände in Russland, Amerika, der Türkei, Griechenland und Italien — so viele Menschenleben, Gemeinschaften und natürliche Lebensräume wurden zerstört. Das muss nicht so sein. Wir können Gunst der Stunde nutzen, da die Länder bis November ihre überarbeiteten nationalen Klimapläne und ‑ziele für das nächste Jahrzehnt bei der UNO einreichen. Diese müssen mit dem 1,5 Grad-Ziel übereinstimmen.

Es geht ums Überleben

UN-Generalsekretär António Guterres sagte kürzlich: “Die Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs ist eine Frage des Überlebens für die vom Klima bedrohten Länder”. Dank der Fortschritte in der Wissenschaft wissen wir jetzt viel besser, wie extreme Wetterereignisse auf die Klimakrise zurückzuführen sind. Das zeigte auch zuletzt der neue IPPC-Bericht.

Wir kennen die Lösungen der Natur- und Klimakrise

Wir müssen die weltweite Klimakrise angehen, indem wir zunächst die fossilen Brennstoffe reduzieren und auf erneuerbare Energien umsteigen. Das Ernährungssystem müssen wir in Ordnung bringen und die Natur, von der wir alle abhängen, schützen und wiederherstellen. Die Herausforderungen der globalen Erwärmung und des Naturverlusts sind miteinander verknüpft — ebenso wie ihre Lösungen.

Neben der Umgestaltung unserer Energie‑, Land‑, Stadt- und Industriesysteme können naturbasierte Lösungen eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung dieser beiden Klima- und Naturkrisen spielen. Wenn wir die Natur nähren, können wir auch die Menschen nähren. Hier in Madagaskar und überall. Die Zeit zum Handeln in der Klimakrise ist jetzt gekommen.

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Stimme der Wissenschaft: Warum der IPCC-Bericht so wichtig ist

Es ist ein einziger Irrgarten der Abkürzungen. COP, UNFCCC, NDC.  Auch dabei beim bunten Buchstabenmix ist das IPCC, das “Intergovernmental Panel on Climate Change”, oder einfacher, der Weltklimarat der Vereinten Nationen. Dahinter versteckt sich also ein extrem wichtiger Akteur der internationalen Klimapolitik. Der Weltklimarat hat die Aufgabe, die wissenschaftliche Basis für die Politik herzustellen: Seine Mitglieder fassen den aktuellen weltweiten Stand der Forschung zur Veränderung des Klimas zusammen und halten diesen in ihren Berichten fest.

Der Weltklimarat erstellt selbst keine Studien, sondern prüft, sichtet und bündelt zehntausende bestehende wissenschaftliche Veröffentlichungen. Die Ergebnisse fasst er in Sachstandsberichten (engl.: Assessment Reports, AR) zusammen. Deswegen ist der IPCC-Report auch nicht „noch irgendein Bericht“, sondern es ist DER Bericht. Er durchläuft in seiner Erstellung so viele Review-Prozesse, bezieht so viele Studien mit ein und wird von so vielen Autor:innnen verfasst, dass er als Konsens der Wissenschaft anerkannt wird.

Die Basis für alle Entscheidungen

Das ist wichtig, weil der Weltklimarat dadurch enormes politisches Gewicht bekommt. Seine Sachstandsberichte bilden die wissenschaftliche Grundlage für Entscheidungen in der internationalen Klimapolitik. Er stellt die Basis her, auf der dann klimapolitische Entscheidungen rund um die Welt getroffen werden. Und er wird die Debatte um die Klimakrise nochmals anheizen.

Wie arbeitet das IPCC?

Die Erstellung der Berichte des Weltklimarats ist komplex und dauert lange. Hunderte Forscher:innen aus verschiedenen Disziplinen werten über Jahre wissenschaftliche Studien aus. Diese Arbeit ist hauptsächlich ehrenamtlich, nur ein Bruchteil der internationalen Wissenschaftler:innen ist vom IPCC angestellt.

Um die Arbeit zu erleichtern, ist der Weltklimarat in drei Arbeitsgruppen aufgeteilt:

Arbeitsgruppe 1 befasst sich mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels

Arbeitsgruppe 2 befasst sich mit den Auswirkungen des Klimawandels und

Arbeitsgruppe 3 befasst sich mit Optionen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen.

 

Ein Sachstandsbericht des IPCC umfasst dann die Arbeit aller drei Arbeitsgruppen. So ein Bericht wurde zuletzt 2014 veröffentlicht, sodass es jetzt Zeit für ein Update ist: 2022 kommt der sechste Sachstandsbericht „AR6“.

Und was steht jetzt im August an?

Im ersten Schritt zu dem vollständigen „Assessment Report 6“ wird am 9. August 2021 der Bericht der Arbeitsgruppe 1 veröffentlicht. Darin geht es um die naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels. Die Arbeitsgruppen zwei und drei folgen nächstes Jahr.

Die „naturwissenschaftlichen Grundlagen“ – also nur noch ein weiterer Bericht, der uns sagt, dass wir uns in der Klimakrise befinden?

Jein.

Denn ja, in dem Bericht geht es um physische Fakten. Treibhausgaskonzentrationen, Temperatur- und Niederschlagsmessungen, Eisschmelze und der Anstieg des Meeresspiegels zeigen uns: Wir befinden uns bereits mitten in der Klimakrise. Die Forscher:innen nutzen hochkomplizierte Klimamodelle, um zu verstehen, wie und warum das Klima sich verändert. Daraus ziehen sie ein umfangreiches Verständnis über die Klimakrise, und ihre zukünftige Entwicklung.

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Andererseits ist der Bericht des Weltklimarats mehr als das. Er ist die gebündelte Stimme der Wissenschaft und fasst die neuen Erkenntnisse zum Klima auf sehr hohem Niveau zusammen. Denn seit dem letzten Bericht 2014 hat es große Fortschritte in der Wissenschaft gegeben. Beispielsweise gibt es eine neue Generation von Klimamodellen (CMIP6) mit besseren chemischen, biologischen und physischen Darstellungen der Erde. Außerdem haben die Modelle eine höhere räumliche Auflösung und helfen uns so dabei, das regionale Klima besser zu verstehen.

ippc bericht dürre hitze forschung
Inzwischen lassen Sich Hitze und Dürre besser vorhersagen © Jürgen Freund / WWF

Ein anderes Beispiel sind große Fortschritte in der sogenannten Attributionsforschung. Diese bewertet den Einfluss des menschengemachten Klimawandels auf die Entstehung von Extremwetterereignissen. Mittlerweile können Attributionsstudien diesen Zusammenhang gut nachweisen. Sie zeigen wie viel wahrscheinlicher Ereignisse, wie Hitzewellen oder Starkregen, durch die Erderhitzung wurden.

Was machen wir mit den neuen Erkenntnissen?

All diese Fortschritte der Wissenschaft liefern uns – und vor allem der Politik – wichtige Erkenntnisse und machen die Dringlichkeit von schnellem Handeln noch deutlicher. Das ist gerade jetzt vor der 26. UN-Klimakonferenz (COP26) wichtig: Denn im November kommen in Schottland wieder Staatsoberhäupter, Umweltminister:innen und Verhandler:innen aus der ganzen Welt im Rahmen der Verhandlungen zum Pariser Abkommen zusammen.

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Der IPCC Bericht liefert die Grundlage für die Klimakonferenz in Glasgow. Wir rufen alle Unterzeichnerstaaten des Paris Abkommens dazu auf, die Erkenntnisse des Weltklimarats ernst zu nehmen und erforderliche Maßnahmen zu erarbeiten. Auch in Deutschland haben wir in den letzten Wochen die Auswirkungen der Klimakrise zu spüren bekommen, genauso wie Menschen auf der ganzen Welt. Diese Auswirkungen drohen schlimmer zu werden, sodass es jetzt effektive, schnelle und gemeinsame Maßnahmen der Staatengemeinschaft braucht: Wir müssen die Erderhitzung auf maximal 1,5 Grad begrenzen, den Ausstoß von Treibhausgasemissionen beenden und emissionsfreie Gesellschaften und Wirtschaften aufbauen – und das schnell.

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So geht Zukunft: Innovationen für die Umwelt

Die Ausbeutung unserer Erde wird massiv durch Industrieprodukte vorangetrieben, die besonders viele Rohstoffe und Energie benötigen.
Auf der einen Seite können wir das durch weniger Konsum ausgleichen. Auf der anderen Seite gibt es heute auch immer mehr Betriebe, die umweltschädliche Herstellungsverfahren revolutionieren, um die Ressourcen unseres Planeten zu schonen. Ein Beispiel für diese Industrie der Zukunft kommt aus der Zement- und Betonproduktion. Die ist nämlich – wie viele vielleicht nicht wissen – ein großes Problem für unsere Umwelt.

So geht Zukunft

Wie werden wir leben? Woher kommt unser Essen, unsere Energie, unsere Kleidung? Wie bewegen wir uns fort und wie kann das alles umweltverträglich geschehen? Wir haben uns mit dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) auf die Suche nach Vorbildern für ein zukunftsfähiges, sozial-ökologisches Wirtschaften gemacht. Und dabei erstaunliche Ansätze gefunden. So geht Zukunft. Wir stellen einige der Ansätze in lockerer Serie vor. Hier: Ressourcenintensive Industrie

Zement und Beton: Extrem umweltschädlich

Bezogen auf die Masse ist Zement das weltweit am meisten hergestellte Produkt. Kein Wunder, Zement ist schließlich die Grundzutat für Beton. Doch die Herstellung von Beton und Zement benötigt Unmengen an Wasser und Energie, setzt bei der Produktion noch zusätzlich CO2 frei und verursacht daher die Riesenmenge von etwa fünf Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Das ist mehr als doppelt so viel, wie ganz Deutschland an Treibhausgas ausstößt.

Gleich zwei bahnbrechende Erfindungen

Das amerikanische Start-Up-Unternehmen Solidia hat eine neue, nachhaltigere Art von Zementproduktion erfunden und nutzt für die Weiterverarbeitung zu Beton ein innovatives Verfahren, bei dem kein Wasser verschwendet und sogar CO₂ wieder verwertet wird. Ein Vorzeigeprojekt ressourcenschonender Produktion. Um seine Vorteile für die Umwelt zu erklären, muss ich allerdings etwas in die chemischen Details gehen.

Industrie der Zukunft: Umweltfreundlicher Zement

Industrie der Zukunft: Umweltfreundlicher Zement
Die Industrie der Zukunft braucht bahnbrechende Erfindungen wie diese © Solidia

Für die Herstellung von Zement wird Kalkstein zu Kalk gebrannt. Dabei entstehen große Mengen CO₂. Solidia ersetzt rund zwanzig Prozent des Kalksteins durch die gleichwertige chemische Verbindung Calciumsilikat. Diese verursacht kein Kohlenstoffdioxid im Gegensatz zur Kalkherstellung. Zusätzlich kann durch die neue Zusammensetzung die Brenntemperatur um 200 °C gesenkt werden. Insgesamt verringert die neue Methode den CO₂-Ausstoß dadurch um fast ein Drittel!

Innovative Beton-Herstellung

Solidia stellt aus Zement Beton her und daraus Betonfertigteile wie zum Beispiel Beton-Ziegel. Die Weiterverarbeitung des Zements zu Beton erfolgt normalerweise durch die Zugabe von Gesteinen, Sand und 60 bis 90 Liter Wasser pro Kubikmeter Beton.

Solidia hat einen Weg gefunden, das Wasser durch eine chemische Reaktion mit Kohlenstoffdioxid zu ersetzen. Das dafür benötigte CO₂ wird aktuell aus den Abgasen von Müllverbrennungsanlagen herausgefiltert und im Solidia-Beton gebunden, dadurch wird der Atmosphäre sogar CO2 entzogen.
Zusätzlich sorgen geschlossene Kammern bei Solidias Beton-Produktion dafür, dass immer noch benötigtes Wasser wieder verwendet wird. Es wird praktisch kein neues Wasser mehr gebraucht.

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Industrie der Zukunft: Neue Technologien sind nötig
Der neue Beton wird gepresst © Solidia

Zukunftsfähige Technologien entlasten die Umwelt

Bisher können nur kleinere Beton-Fertigteile wie Pflastersteine oder Ziegel mit dem neuen Solidia-Verfahren hergestellt werden. Diese aber zu ähnlichen Kosten und mit deutlich geringerem Umwelteinfluss. Zudem verfügt der Beton von Solidia teilweise über bessere Produkteigenschaften wie eine längere Haltbarkeit und eine größere mögliche Farbpalette.

Das Start-Up Solidia hat weltweites Interesse geweckt. Und das ist gut so! Je mehr Betriebe dem Beispiel folgen, desto weniger bleibt es eine Vision, Wirtschaft und Nachhaltigkeit zu vereinbaren.

Mehr bemerkenswerte Projekte nachhaltigerer und sozialerer Wirtschaft und Produktion

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So geht Zukunft: Abfall zu Rohstoffen

Industrie der Zukunft: Könnte nicht ein Industriezweig, der besonders viel Wasser benötigt, das Abwasser eines anderen Betriebes nutzen? Und könnten nicht auch Industrieabfälle eines Bereiches für andere Produktionen als Rohstoffe wieder verwendet werden? Doch, das geht! Und es wird in einem Vorzeigeprojekt in Dänemark, der sogenannten Kalundborg Symbiose genauso gemacht.

So geht Zukunft

Wie werden wir leben? Woher kommt unser Essen, unsere Energie, unsere Kleidung? Wie bewegen wir uns fort und wie kann das alles umweltverträglich geschehen? Wir haben uns mit dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) auf die Suche nach Vorbildern für ein zukunftsfähiges, sozial-ökologisches Wirtschaften gemacht. Und dabei erstaunliche Ansätze gefunden. So geht Zukunft. Wir stellen einige der Ansätze in lockerer Serie vor. Hier: Ressourcenintensive Industrie

Kalundborg — Wo die Utopie Realität ist

Kalundborg liegt im äußersten Nordwesten der dänischen Insel Seeland. In der Hafenstadt siedeln viele große Industriebetriebe – und geben sich heute ihre Materialabfälle, ihr Wasser, ihre Energie und auch ihr Wissen gegenseitig weiter. Darunter Dänemarks größtes Kraftwerk Asnæs, die größte dänische Raffinerie von Statoil und der Pharmakonzern Novo Nordisk, der übrigens 40 Prozent des weltweiten Insulins herstellt. Eine zukunftsfähige Kreislaufwirtschaft, die Umweltauswirkungen und Produktionskosten verringert.

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Wie Abfall zu Rohstoffen werden kann

Zukunftsweisend umweltfreundlich: Industrie der Zukunft im Vorzeigeprojekt in Kalundborg in Dänemark
Wie kann die Industrie umweltfreundlicher werden? CC-By-SA‑4.0 / Thomas-Dahlstrøm-Nielsen

Im Kraftwerk beispielsweise fällt bei der Entschwefelung Industriegips an, der an einen Hersteller von Gipskarton abgegeben wird. Dieser ist dadurch kaum noch auf Gips aus Tagebauten angewiesen. Heißen Wasserdampf leitet das Kraftwerk zur Raffinerie und zur Pharmafirma Novo Nordisk, um dort chemische Prozesse mit Wärmeenergie zu versorgen und muss dadurch selbst weniger kühlen.

Novo Nordisk bezieht seinen gesamten Bedarf an Dampf aus dem Kraftwerk und stellt seinerseits Industrieabfälle zur Verfügung: Bei der Pharma-Produktion anfallende Hefe-Schlacken werden als Biogas zur Energiegewinnung und in der Landwirtschaft verwertet. Die landwirtschaftlichen Betriebe wiederum liefern überschüssiges Stroh aus der Getreideernte zur Herstellung von Bio-Kraftstoff. Und die Raffinerie Statoil überlässt dem Kraftwerk Asnæs ihr Abwasser als Kühlwasser, außerdem überschüssiges Gas, das sonst abgefackelt würde. Diese Kreisläufe setzen sich unter Beteiligung weiterer Firmen fort.

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Industrie der Zukunft nach dem Vorbild der Natur

So stelle ich mir Kreislaufwirtschaft vor: Es gibt keine Abfälle, Abwasser und Abluft mehr, denn diese werden die Rohstoffe und Energieträger anderer Prozesse. Genau so macht es die Natur. Ein Wald beispielsweise produziert eine Vielzahl an Lebewesen — Pflanzen, Tiere, Pilze, Bakterien usw. — und deren Produkte, beispielsweise Holz, Nahrung, Wohnraum, fruchtbaren Boden, saubere Luft, gutes Trinkwasser. All das, ohne dass irgendwelche Abfälle aus dem Wald entsorgt oder fossile Energie zugeführt werden müssten.

Der Wald, das Korallenriff und die Bergwiese sind perfekte Beispiele für sogenannte saubere Technologien (Clean-Technology), Kreislaufwirtschaft (Circular-Economy) und abfallfreie Produktion (Zero-Waste-Production).

Ressourcen schonen durch industrielle Symbiose

Die Kalundborg Symbiose in Dänemark ist der weltweit erste industrielle Zusammenschluss dieser Art. Beteiligt sind heute elf öffentliche und privatwirtschaftliche Unternehmen aus den Bereichen Wasser- und Energieversorgung, Zement- und Baustoffherstellung, Lebensmittelproduktion, Pharmazie und Chemie. Nicht nur, aber gerade für ressourcenintensive Industrien ist Kalundborg ein wichtiges Vorbild, um die enormen Umweltbelastungen zu reduzieren. Denn auch wenn wir Extremwetter wie die durch Starkregen verursachten aktuellen Hochwasser zukünftig bremsen wollen, brauchen wir im Kampf gegen die Klimakrise eine zukunftsfähige, umweltfreundlichere Industrie.

Mehr bemerkenswerte Projekte nachhaltigerer und sozialerer Wirtschaft und Produktion

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Hochwasserkatastrophe in Deutschland: Ein Weckruf der Natur

Es sind Bilder des Grauens. Die Unwetter der vergangenen Tage in Westdeutschland forderten wohl mehr als 100 Menschenleben, und nach wie vor werden viele Menschen vermisst. Die Fluten hinterlassen eine Spur der Verwüstung. Eingestürzte Häuser, weggerissene Brücken und versunkene Landschaften. Noch immer ist die Gefahr  nicht gebannt.

Es gibt kein “weiter wie bisher”

Den Betroffenen gehört unser tiefes Mitgefühl. Es muss alles getan werden, um den Menschen vor Ort schnell und unbürokratisch zu helfen. Nach der Flut ist erst einmal Aufräumen angesagt. Natürlich. Doch wir dürfen nicht den Fehler machen, danach wieder zur Tagesordnung überzugehen. Vor dem Hintergrund der Klimakrise müssen Katastrophenkonzepte auf den Prüfstand, die Vorhersage muss optimiert werden, und vor allem müssen wir die Anstrengungen im Klimaschutz noch einmal deutlich intensivieren.

Chaos und zerstörte Autos nach Hochwasserkatastrophe in Westdeutschland © dpa / David Young

Die Klimakrise zeigt ihr Gesicht

Denn selten war der Zusammenhang von Naturkatastrophen und Klimakrise so offensichtlich. Es wurde schmerzhaft deutlich: Wenn das Eis der Arktis immer weiter dahinschmilzt, betrifft das eben nicht nur Eisbären und Walrosse, sondern es bedroht uns alle. Die Meteorologen sind sich einig, dass solche Extremwetterereignisse mit Starkregen wie in den vergangenen Wochen auf ein Schwächeln des Jetstreams zurückzuführen sind. Dieser Westwind treibt Tiefdruckgebiete normalerweise relativ schnell über Mitteleuropa hinweg. Durch das Schmelzen des Eises verliert der Wind an Kraft, und es kommt zu konstanteren Wetterlagen, wie jetzt mit lang andauernden Regenfällen oder wie in den vergangenen Jahren zu langen Trockenperioden.

Das Wetter wird extremer. Die Daten des Deutschen Wetterdienstes zeigen eindeutig, dass Starkregenereignisse mit Niederschlägen deutlich zugenommen haben. Studien zeigen, dass sich Extremwettereignisse wie Dürren, Stürme, Brände und Überflutungen seit Beginn der 1990er verdoppelt haben. Steigende Temperaturen lassen mehr Wasser verdunsten, und es kommt zur heftigeren Niederschlägen. Ein Phänomen, das wir von immer mächtigeren Wirbelstürmen bereits aus anderen Teilen der Welt kennen.

Zerstörte Brücke nach dem Hochwasser im Rhein-Erft-Kreis © picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Rhein-Erft-Kreis

Klimaschutz: Die Politik muss endlich handeln!

Wir müssen daraus auch in Deutschland Konsequenzen ziehen. Es geht nicht darum, das Leid der Menschen politisch zu instrumentalisieren. Aber es wäre mehr als fahrlässig, die Augen vor den Ursachen zu verschließen und die überfälligen Konsequenzen nicht zu ziehen.

Die nächste Bundesregierung muss Klimaschutz und Energiewende mutig angehen. Dazu zählen: Rahmensetzung für ein Jahrzehnt der Umsetzung durch Anhebung des Minderungszieles auf 70 Prozent bis 2030 und Anpassung der Sektorenziele im Bundesklimaschutzgesetz, massive Tempoerhöhung beim Ausbau der Erneuerbaren Energien auf einen Anteil von 80 Prozent am Bruttostromverbrauch bis 2030 und eine Strategie für den Ab- und Umbau aller klima- und umweltschädlichen Subventionen. Und selbstverständlich gehört dazu auch die Erkenntnis, dass Flüsse mehr Raum brauchen.

Es darf nicht bei vollmundigen Bekenntnissen bleiben. Denn eines hat die aktuelle Katastrophe leider einmal mehr gezeigt. Die Kimakrise ist immer noch schneller als die Politik.

 

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