Acht Gründe gegen die Weiternutzung der Atomkraft

Hilft uns Atomkraft über den Winter? Wir sagen: Nein. Und wir haben gute Gründe, die gegen jede verlängerte Nutzung von Atomkraft in Deutschland sprechen.

Fraglos: Durch den russischen Angriffskrieg befinden wir uns in einer veränderten energiepolitischen Situation. Deutschland muss die Abhängigkeit von russischen fossilen Energieträgern so schnell wie möglich beenden. Wir erleben stark ansteigende Gas- und Energiepreise, eine große Verunsicherung in der Bevölkerung und der Industrie sowie die Sorge vor drohenden Energieengpässen. Um Energieknappheit vorzubeugen, werden bereits stillgelegte Kohlekraftwerke übergangsweise wieder ans Netz genommen.

Verschiedene Parteien und Akteure fordern nun auch noch eine Laufzeitverlängerung der drei sich noch am Netz befindenden deutschen Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland.

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Hier sind die besten Gründe, warum eine verlängerte Nutzung der Atomkraft Quatsch ist und auf welche anderen Lösungen Deutschland stattdessen setzen sollte.

1.) Atomkraft kann Gas kaum ersetzen

Erdgas wird zum größten Teil zur Wärmerzeugung genutzt und kann damit nicht ohne weiteres durch Atomstrom ersetzt werden. Insgesamt könnte lediglich etwa ein Prozent des russischen Gases durch den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke eingespart werden. Deswegen wäre der Beitrag einer AKW-Laufzeitverlängerung zur Energieunabhängigkeit extrem gering.

2.) Es bleibt dabei: Atomkraft ist gefährlich

Atomkraft ist eine Hochrisikotechnologie. Das zeigt sich nicht zuletzt am ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja. Auch in Frankreich wurden in den letzten Monaten mehrere Atomkraftwerke wegen Sicherheitsbedenken vom Netz genommen. Atomkraftwerke müssen umfassend und regelmäßig überprüft werden. Die letzte große periodische Sicherheitsprüfung der deutschen Atomkraftwerke hat 2019 jedoch nicht mehr stattgefunden – mit der Begründung des baldigen Endes ihrer Laufzeit. Für einen Weiterbetrieb der Anlagen über das Jahr 2022 hinaus wäre eine neue Sicherheitsprüfung zwingend. So eine Überprüfung kann nicht mit einem kurzen Gutachten, wie kürzlich vom TÜV Süd veröffentlicht, abgetan werden. Eine verkürzte Sicherheitsüberprüfung wäre dagegen ein entscheidendes Sicherheitsrisiko für Deutschland.

3.) Atomkraft bringt uns nicht mehr Energie

Die Brennelemente in zwei der AKWs sind auf das Ende ihrer Laufzeit in 2022 ausgelegt. Die Beschaffung neuer Brennelemente könnte mindestens ein Jahr dauern. Alternativ können die verbleibenden Atomkraftwerke in einen sogenannten „Streckbetrieb“ gehen, in dem die Brennstäbe etwas länger genutzt werden. Allerdings muss hierfür ihre Leistung senken. Mit einem solchen Streckbetrieb könnten die Atomkraftwerke bis ins Frühjahr 2023 betrieben werden, würden insgesamt in der Summe allerdings nicht mehr Strom produzieren als im Betrieb bis Ende 2022. Es würde sich somit lediglich um eine zeitlich verschobene Stromproduktion handeln. Ein gewinnbringender Mehrwert ist nicht gegeben.

4.) Atomkraft braucht Gesetzesänderung

Die Atomkraftwerke müssen laut Atomgesetz bis Jahresende 2022 ihren Betrieb beenden. Für die verlängerte Nutzung braucht es eine Gesetzesänderung. Ein Weiterbetrieb käme einer Neugenehmigung durch den Bundestag gleich. Für diese Genehmigungen muss eine öffentliche Konsultation stattfinden sowie neue wissenschaftliche Gutachten erstellt werden. Unter (verfassungs-)rechtlichen Gesichtspunkten erfordert eine Laufzeitverlängerung eine neue, umfassende Risiko- und Güterabwägung des Gesetzgebers. Dies sind zum Teil sehr langwieriger Prozesse.

Einen guten Ort für den Atommüll gibt es nicht. © IMAGO / imagebroker

5.) Weiter ungeklärt: Was passiert mit dem Atommüll?

Bis 2031 muss laut Gesetz ein Endlager-Standort gefunden sein. Das hält aber nicht nur der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung Wolfram König jedoch für unrealistisch. Alle bisherigen Zwischenlager haben nur zeitlich begrenzte Sicherheitsgarantien. Die radioaktiven Abfälle bedeuten große gesamtgesellschaftlichen Kosten — und Risiken. Das Problem wird durch eine Laufzeitverlängerung nur größer, die Kosten werden auf kommende Generationen abgewälzt.

6.) Atomstrom ist eben nicht ökologisch

In der gesamten Wertschöpfungskette von Atomstrom wird eine erhebliche Menge Energie benötigt, zum Beispiel beim Uranabbau und der Atommüllendlagerung. Atomkraft ist also keineswegs CO2- neutral. In Frankreich werden die schädlichen Umweltauswirkungen von Atomreaktoren gerade an der kritischen Kombination mit der Erderhitzung deutlich: Während der stark zunehmenden Hitzewellen müssen die französischen Atomreaktoren stärker gekühlt werden. Dies geschieht mit dem Wasser aus bereits hitzegeplagten Flüssen, die sich dadurch noch weiter aufheizen und stärker austrocknen – mit gravierenden Folgen für das gesamte Ökosystem.

7.) Atomkraft ist zu teuer

Die enorm hohen gesamtgesellschaftlichen Kosten liegen im Bau der Kraftwerke und bei der Entsorgung und Endlagerung des Atommülls. Gerade bei einer kurzfristigen Verlängerung der AKW-Laufzeiten sind die hohen Kosten nicht zu rechtfertigen. Die erneuerbaren Energien bilden schon heute eine sichere und günstigere Alternative für die Stromproduktion. Oberste Priorität sollte daher ganz klar auf den schnellen Ausbau der Erneuerbaren liegen.

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8.) Es gibt umweltfreundlichere, sichere und günstigere Alternativen

In Europa ging die Erzeugung von Atomstrom von 2005 bis 2020 um ein Viertel zurück. Und auch weltweit wurden seit 2000 kaum neue Kraftwerke gebaut. Stattdessen stieg die installierte Leistung von Windenergie und Photovoltaik deutlich an. In der EU wurden seit der Jahrtausendwende 167 Gigawatt Windenergieleistung und knapp 150 Gigawatt PV-Kapazität zugebaut. Angesichts der sich verschärfenden Klimakrise muss das noch deutlich, deutlich verstärkt werden. Aber klar ist: Erneuerbare Energien sind die zukunftsfeste, sichere und klimafreundliche Alternative zur Energiegewinnung. Auch jetzt müssen wir konsequent darauf setzen.

Wie immer man es auch wenden mag: Atomkraft kann keinen relevanten Beitrag zur Überbrückung der aktuellen Energiekrise leisten. Zahlreiche praktische, sicherheitsrelevante, finanzielle, rechtlich und politische Faktoren sprechen gegen einen Weiterbetrieb der Atomkraft. Gerade angesichts der nur sehr geringen Mengen an Atomkraft, die kurzfristig keinen relevanten Beitrag zur Überbrückung der Energiekrise leisten kann, muss der Schutz vor der Radioaktivität Priorität haben. Stattdessen sollte Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen und anderen Ländern darlegen, wie Energiesparmaßnahmen und erneuerbare Energien langfristig zu einer klimaneutralen Zukunft beitragen können — ohne radioaktiven Müll zu erzeugen.

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Into The Ice: Klima und Wissenschaft als Abenteuer

„Wissenschaftler sind die neuen Rockstars“, Stephen Spielberg hat das schon vor Jahrzehnten erkannt und ihnen mit Indiana Jones ein filmisches Denkmal gesetzt. 40 Jahre später folgt mit „Into the Ice“ eine etwas andere, dokumentarische Hommage an die Wissenschaft.

Anders als bei Spielbergs Kassenschlager stehen hier keine Archäologen im Mittelpunkt, sondern die Stars sind Glaziolog:innen, die an ihre Grenzen gehen. Und darüber hinaus. Wie einst Harrison Ford auf der „Jagd nach dem verlorenen Schatz“, versuchen die Forscher dem scheinbar ewigen Eis Grönlands seine Geheimnisse zu entreißen.

Das ist nicht weniger spannend als die fiktive Story aus Hollywood. Und die Erkenntnisse über die Klimakrise jagen nicht nur wegen der frostigen Umgebung so manchen kalten Schauer über den Rücken.

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Der dänische Dokumentarfilmer Lars Ostenfeld liefert phantastische Bilder aus einem der extremsten Landschaften der Welt und zeigt, dass es bei „Klimafilmen“ auch ganz ohne Eisbären geht. Die gibt es zwar in Grönland auch, doch hier steht die rätselhafte, einsame Welt aus Eis im Zentrum. Um die Gefahr der Erderhitzung zu verstehen, braucht der Filmemacher keine schockierenden Bilder von hungernden Eisbären oder panischen Walrossen. Die drastischen Eindrücke aus der „eisigen Hölle“ sind eindringlich genug.

Wissenschaft hautnah — inklusive Lebensgefahr

„Into the Ice“ begleitet die Wissenschaftler:innen Alun Hubbard, Dorte Dahl-Jensen und Jason Box bei ihren lebensgefährlichen Exkursionen tief in das schmelzende Herz der Klimakrise. Nur mit einem Seil gesichert, steigen sie in eine 180 Meter auf den Grund einer 80 Meter tiefen so genannten „Gletschermühle“, während von oben mehrere Meter große Eiszapfen in die Tiefe donnern. Die halsbrecherische Klettertour dient dazu, zu untersuchen, was mit dem Eis passiert, wenn Wasser hinein und unter das Eis sickert.

into the ice: Forscherin Dorthe Dahl-Jensen auf Grönland
So sehen Held:innen aus: Dorthe-Dahl-Jensen © Lars H. Ostenfeld

Einen anderen Ansatz verfolgt die Gletscherforscherin Dorte Dahl-Jensen kann. Sie kann durch Eiskernbohrungen 100.000 Jahre in die Vergangenheit blicken und bringt eine wichtige historische Perspektive auf den Klimawandel ein.

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Into the ice: Wissenschaftler Jason Box mit Eis
So sehen Helden aus: Jason Box © Lars H. Ostenfeld

Das Bild wird komplettiert durch Jason Box und sein „Gespür für Schnee“. Der Forscher untersucht, ob zunehmender Schneefall auf der Eisdecke eine Bremse gegen das große Schmelzen sein könnte. Alle drei sind sich einig, dass der grönländische Eisschild der Schlüssel zum Verständnis für das Ausmaß und die Geschwindigkeit des Anstiegs des Meeresspiegels ist. Was jetzt in Grönland passiert, kann helfen, vorherzusagen, was im Rest der Welt passieren wird.

„Into the Ice“, ein Dokumentarfilm nicht nur für heiße Sommerabende. Ab 15. September im Kino. Eindeutig empfohlen von mir — und dem WWF.

Die Deutschlandpremiere des Films wird am 24. August 2022 um 20 Uhr in Anwesenheit des Regisseurs Lars Henrik Ostenfeld und Campino im Berliner Zoo-Palast stattfinden. Der Vorverkauf hat begonnen. Tickets bekommt Ihr hier.

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Gespaltene „Klimaregierung“

FDP blockiert sektorübergreifendes Programm

Für mich war es eigentlich ein Grund zur Freude. Als die Ampel-Koalition im vergangenen Dezember ihren Koalitionsvertrag vorstellte, konnte man von den vielen Maßnahmen lesen, die die Bundesregierung klima- und energiepolitisch in dieser Legislaturperiode umsetzen möchte. Nach Jahren des Stillstandes war das Ziel gesetzt, den Klimaschutz ganz oben auf die Agenda zu setzen und die Pariser Ziele zu erreichen. Dies habe oberste Priorität, so der Koalitionsvertrag.

Ein wichtiger Punkt darin: Die Ankündigung eines Klimaschutz-Sofortprogramms. Die Ampel einigte sich im Koalitionsvertrag darauf, Klimaschutz zu einer Querschnittsaufgabe zu machen. Sie wollte dafür ein Programm „mit allen notwendigen Gesetzen, Verordnungen und Maßnahmen“ bis Ende 2022 auf den Weg zu bringen. Dahinter steckt das Ziel, sektorenübergreifend eine Strategie für den Klimaschutz mit dem erforderlichen Weitblick zu schaffen. Bisher ist davon allerdings noch nicht allzu viel zu erkennen…

 

Verpasste Chance im Klimaschutz

Das Klimaschutzgesetz gibt für die einzelnen Sektoren Minderungspfade der Treibhausgase mit jahresscharfen Zielwerten an. So kann man jährlich überprüfen, an welchen Stellschrauben man drehen muss, damit die Klimaschutzziele der Bundesregierung erreicht werden. Im Jahr 2021 haben der Gebäude- und Verkehrssektor ihre vorgegebenen Emissionswerte nicht einhalten können und um je zwei bzw. drei Millionen Tonnen überschritten.

Klimaschutz: Emissionen nach Sektoren
Das Klimaschutzgesetz legt die Jahresemissionsmengen pro Sektor bis 2030 fest. © BMU

Das Klimaschutzgesetz verpflichtet die zuständigen Ressorts nun, Sofortprogramme aufzusetzen, die diese Emissionslücke schließen sollen. Am 13. Juli mussten die zuständigen Ministerien für Wirtschaft und Bau sowie für Verkehr nun ihre Programme vorlegen. Das wäre ein hervorragender Zeitpunkt für die Ampel gewesen, gleich ihr umfassendes Klimaschutz-Sofortprogramm aus dem Koalitionsvertrag sektorübergreifend vorzustellen. Doch diese Chance hat die Regierungskoalition verpasst.

Stattdessen legten die zuständigen Ministerien nur Einzelprogramme vor. Die Programme haben gemeinsam, dass sie die Emissionslücken der Zielverfehlungen aus dem letzten Jahr nicht direkt schließen. Stattdessen präsentierten die Ministerien Maßnahmen, die diese Lücke bis 2030 schließen sollen. Doch dabei gibt es auch deutliche Unterschiede.

 

Bei der FDP fehlt es an klimapolitischer Weitsicht

Im Gebäudebereich stellten die Minister:innen Geywitz (SPD) und Habeck (Grüne) Maßnahmen vor, die den kompletten Emissionspfad des Sektors bis 2030 in den Blick nehmen. Insgesamt soll der Gebäudesektor bis 2030 seine Emissionswerte einhalten und die bisherige Lücke geschlossen werden. Zu kritisieren ist allerdings, dass auch bei Umsetzung der vorgelegten Maßnahmen die Sektorziele bis 2026 jedes Jahr verfehlt würden. In der Summe würde man am Ende des Jahrzehnts durch die vorgestellten Maßnahmen allerdings so viel einsparen, dass man die Emissionslücke insgesamt schließen könnte.

Tempolimit für den Klimaschutz
Ein Tempolimit könnte schnell und effektiv Emissionen einsparen © Imago / Rupert Oberhäuser

Klimaschutz im Verkehrssektor

Auch das von der FDP-geführte Verkehrsministerium nahm das Jahr 2030 genauer in den Blick. Auch hier hat man keine Maßnahmen vorgelegt, die die Lücke umgehend schließen. Dabei liegen die dafür notwendigen Mittel auf der Hand. Um das Klimaschutzziel bis 2030 zu erreichen, muss der Sektor seine jährlichen Emissionen um über 60 Millionen Tonnen senken. Ein Tempolimit würde Mehremissionen schnell und kostengünstig reduzieren. Fast die Hälfte aller klimaschädlichen Subventionen ist auf den Verkehrsbereich zurückzuführen. Diese Subventionen konterkarieren jegliche Klimaschutzbemühungen des Sektors und sollten daher für klimafreundliche Investitionen umgenutzt werden.

Im Zuge eines umfangreichen Ausbaus der ÖPNV-Angebote könnte man etwa in den Verkehrsverbunden ein 365-Euro-Jahresticket schaffen. Dies wäre zugleich eine klimafreundliche Entlastung für viele Bürger:innen in Deutschland. Staatliche “Tankrabatte” gehören abgeschafft. Sie wirken kaum als Entlastung, halten an der fossilen Abhängigkeit fest und kurbeln den Verbrauch an, anstatt die „Freiheitsenergien” für eine echte Verkehrswende auszubauen.

Das vorgestellte Programm kann lediglich 13 Millionen Tonnen einsparen, so Minister Wissing (FDP). Ich finde, das Programm enthält weder Weitsicht, noch sind die Maßnahmen ambitioniert oder neu. Noch dazu ist fraglich, ob einzelne Vorhaben des Programms, wie die Einführung eines flächendeckenden WLANs im ÖPNV, tatsächlich auch eine Klimaschutzwirkung haben. Bald schon wird sich Minister Wissing also neue Sofortprogramme überlegen müssen, um den Verkehrssektor – mal wieder – on track zu bringen.

Regierungsparteien gespalten bei der Klimapolitik

Die nicht abgestimmten Einzelprogramme für Verkehr und Gebäude zeigen, dass man sich innerhalb der Regierungsparteien nicht auf einen gemeinsamen Klimakurs einigen konnte. In der Bundesregierung ist das Klima also eher schlecht. Das Klimaschutzgesetz gibt es eigentlich vor: Jeder Sektor muss einen fairen Beitrag zur Einhaltung der Klimaschutzziele leisten. Das sollten alle Regierungsparteien auch berücksichtigen.

Neue Verfehlungen der Klimaziele bahnen sich jedoch schon an. Damit nicht jedes Jahr neue Sofortprogramme mit Einzelmaßnahmen vorgelegt werden müssen, sollten sich die Blockierenden in der Bundesregierung einen Ruck geben. Sie sollten über ihren ideologischen Schatten springen und dem Klimaschutz tatsächlich oberste Priorität einräumen. So, wie sie es vereinbart haben.

Ach ja, über ein sektorenübergreifendes Klimaschutz-Sofortprogramm mit allen notwendigen Gesetzen, Verordnungen und Maßnahmen würde ich mich bis Ende des Jahres natürlich trotzdem noch freuen…

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Klimapolitik: Von Elmau über Petersberg nach Scharm El-Scheich

Gerade ist der G7-Gipfel vorbei, da treffen sich internationale Minister:innen in Berlin zum „Petersberger Klimadialog“, um gemeinsam Strategien für die Klimakonferenz COP27 im Herbst in Ägypten zu entwickeln. Doch stellt die Klimapolitik die richtigen Weichen? Werden die Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaziele ausreichend sein? Und wie kann der anstehende Petersberger Klimadialog zum Meilenstein auf dem Weg zur UN-Klimakonferenz COP27 werden?

Jetzt ist der Zeitpunkt, die internationale Klimadiplomatie so zu gestalten, dass die 1,5 Grad-Grenze nicht überschritten wird. Bisher fehlt jedoch vor allem Verlässlichkeit und halten die G7 zum Beispiel an der Finanzierung fossiler Energien fest.

Internationale Klimadiplomatie 2022

Beim G7-Gipfel unter deutscher Präsidentschaft haben sich dieses Jahr unter großem Medienrummel die Staats- und Regierungschefs der sieben großen Industrienationen zur weltpolitischen Lage ausgetauscht und mit ihrer Abschlusserklärung Anhaltspunkte für die diesjährige Klimadiplomatie geschaffen. Die Agenda war bestimmt durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Die G7 haben sich das Ziel gesetzt, unabhängiger zu werden von Russlands Energie und das ohne Abstriche bei den Klima- und Umweltzielen.

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G7-Gipfel: Großer Wurf für die Klimapolitik bleibt aus

Mit Blick auf das Abschlusskommuniqué der G7 Staats- und Regierungschefs zeigt sich vor allem eines: Der große Wurf für den Klimaschutz blieb in Elmau aus. Zwar bekräftigen die G7-Staaten das Pariser Abkommen und den Glasgower Klimapakt — und damit das Ziel, dass die Erderhitzung die 1,5 Grad-Grenze nicht übersteigen darf. Doch bislang hat noch keiner der Staaten einen nationalen Klimabeitrag (Nationally Determined Contribution (NDC)) festgelegt, der mit dem 1,5 Grad-Pfad bis 2030 vereinbar ist. Bis zur nächsten Klimakonferenz im November im ägyptischen Scharm El-Scheich müssen sie das nachholen und zeigen, dass sie es ernst meinen mit ihren Ambitionen beim Klimaschutz.

Was ist vom neuen Klimaclub zu halten?

Als globale Antwort auf die Klimakrise gründen die G7 einen Klimaclub. Dieser kann – mit gerechtem und freiem Zugang über die G7-Länder hinaus – ein nützliches diplomatisches Instrument sein, um eine ehrgeizige Klima- und Energiepolitik voranzubringen. Allerdings wird er immer nur ein zusätzliches Element internationaler Klimapolitik sein können. Gerade die europäischen G7 Staaten müssen sicherstellen, dass er verpflichtende Instrumente wie den Grenzausgleichmechanismus (CBAM) auf EU-Ebene nicht schwächen wird. Bis Ende des Jahres muss der Klimaclub ausgestaltet werden. Er wird sich langfristig daran messen lassen müssen, inwiefern Vorschläge, etwa zur Etablierung eines gemeinsamen Kohlenstoffpreises, tatsächlich erreicht werden.

Versprechen zur internationalen Klimafinanzierung weiterhin nicht eingelöst

Klimaschutz: Forderungen an die internationale Klimapolitik nach G7 und vor dem Petersberger Klimadialog und der Klimakonferenz COP27 in Ägypten
Forderung: Zusagen für mehr Klimagerechtigkeit einhalten © Wolfgang Maria Weber, WWF

Dazu zählt auch, dass die G7-Länder Verlässlichkeit in Bezug auf ihre internationalen Zusagen beweisen. Es gilt, Vertrauen zu schaffen und Unterstützung zu zeigen, gerade für die Länder, die bereits jetzt besonders von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind. Dafür sind internationale Klima- und Energiepartnerschaften zu schließen und mit ausreichend finanziellen Mitteln zu unterlegen. Vor allem aber müssen die G7-Staaten schnellstens ihr Versprechen einlösen, von 2020 bis 2025 die internationale Klimafinanzierung auf 100 Milliarden US-Dollar jährlich zu steigern. Hier klafft immer noch eine Lücke, die es zu schließen gilt, während sich die Industriestaaten gleichzeitig auf ein neues, angemessenes Finanzierungsziel für die Zeit nach 2025 einigen müssen. Dabei sollten die G7-Staaten die besonders betroffenen Länder darin unterstützen, ihren tatsächlichen Bedarf für Klimaschutz, Anpassung sowie Schäden und Verluste zu ermitteln.

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G7 Rückschritt: Kein Ende internationaler Finanzierung fossiler Energien

In der Energieversorgung sind die G7-Staaten – auf Initiative Deutschlands – hinter bereits getroffene Beschlüsse vergangener Jahre zurückgefallen. Statt den kompletten Ausstieg aus der internationalen Finanzierung fossiler Energie bis Ende des Jahres 2022 zu bekräftigen, wird ein Förderrahmen für neue fossile Gasprojekte im Ausland gesetzt. Obwohl klar ist, dass russische Energieimporte in erster Linie über den Ausbau erneuerbarer Energien und Energieeffizienzmaßnahmen ersetzt werden müssen. Denn das ist eine Chance für Klimaschutz und Energieunabängigkeit gleichermaßen. Die deutsche Präsidentschaft muss nun klar zeigen, welche Flüssigerdgas-Projekte (LNG) kurzfristig unabdingbar sind, aber langfristig keine Bindung an fossiles Gas erzeugen und mit der 1,5 Grad Grenze vereinbar sind.

Die G7 haben es außerdem verpasst, ihr Bekenntnis zum Kohleausstieg mit dem klaren Enddatum 2030 zu versehen. Beim Abbau fossiler Subventionen bis 2025 – ein Beschluss, den es auf Ebene der G7 und G20 bereits seit vielen Jahren gibt – muss es nun endlich vorangehen.

Die Dekarbonisierung der Industrie müssen sie über die Schaffung von grünen Leitmärkten und internationalen Standards für die Messung von Emissionsbilanzen von Produkten sowie über die Nachfragesteigerung nach grünen Industrieprodukten durch die öffentliche Beschaffung vorantreiben und dazu getroffene Bekenntnisse umsetzen.

Petersberger Klimadialog 2022: Verpasste Fortschritte nachholen

Nachdem beim G7-Gipfel und auch bei den UNFCCC-Zwischenverhandlungen in Bonn in diesem Jahr zu wenig Fortschritte in der Klimapolitik erzielt wurden, nähert sich der Petersberger Klimadialog als nächste Chance. Die seit 2010 jährlich stattfindende internationale Konferenz auf Minister:innen-Ebene ermöglicht offene Diskussionen in kleinen Gruppen zu zentralen Themen der internationalen Klimapolitik und dient als Wegmarke zur COP27. Der nächste Dialog, der am 18. Juli in Berlin beginnt, markiert eine besonders wichtige Ausgabe, in der neue Prozesse für die Klimakonferenz COP27 zu gestalten sind.

Die Aufgabenliste für die Verhandelnden ist lang: Die Umsetzung eines ambitionierten Programms zur globalen Einsparung von Treibhausgasen, eine auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz ausgerichtete Strategie für mehr Energieunabhängigkeit, das Schaffen von Glaubwürdigkeit bei der internationalen Klimafinanzierung und mit ausreichend Mitteln ausgestattete Instrumente zur Finanzierung von Schäden und Verlusten in besonders von der Klimakrise betroffenen Ländern.

Nur wenn hier greifbare Fortschritte erzielt werden, ist der Weg zu einer erfolgreichen UN-Klimakonferenz im November geebnet.

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Marmolada Gletscher: Tragödie mit Ankündigung

In den italienischen Dolomiten ist ein gewaltiges Stück eines Gletschers als Lawine aus Eis und Geröll ins Tal gerauscht. Die vorläufige Bilanz der Katastrophe mit Ankündigung: mindestens acht Tote und 15 Vermisste.

Niemand konnte wissen, wann und wo es passiert, aber dass es zu Katastrophen dieser Art kommen würde, war mehr als vorhersehbar. Der Ablauf der Tragödie auf dem Marmolada-Gletscher entspricht den Szenarien und Warnungen, die Glaziologen seit Jahren verbreiten. Und auch wir vom WWF waren schon seit langem davor.

Die Katastrophe am Marmolada ist kein Einzelfall

Es hat in den vergangenen Jahren auch in den europäischen Alpen schon mehrere Tragödien durch abgehende Gletscher gegeben, die schnell vergessen wurden. Erst im Mai 2022 sind bei einem Gletscherabbruch im Schweizer Kanton Wallis zwei Menschen ums Leben gekommen. Neun weitere Bergsteiger wurde verletzt.

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Luca Bonardi, Professor für Geographie und Experte des Glaziologischen Komitees der Lombardei befürchtet, dass allein in den Alpen tausende Gletscherstandorte ähnlich gefährlich sind. Der Grund: Die Erderhitzung schlägt in den Bergregionen besonders heftig zu. Gefahren, die mit der direkten Einwirkung von Eis und Schnee zusammenhängen und zu Eislawinen und katastrophalen Überschwemmungen durch das Überlaufen von Gletscherseen führen können, wie dies im Sommer 2019 durch den Einbruch des Zermatt-Gletschers in der Schweiz geschehen ist, werden zunehmen.

Gletscher unterhalb von 3500 Metern werden verschwinden

Die Alpengletscher sind dramatisch geschrumpft. Beispiel Italien:  Das Italienische Gletscherkataster zeigt, dass die Fläche der italienischen Gletscher von 519 Quadratkilometern im Jahr 1962 auf zuletzt 368 geschrumpft ist. Ein Rückgang von 40 Prozent. Es mag überraschen, dass zugleich die Zahl der Gletscher tendenziell zugenommen hat. Aber die Zunahme ist ein weiteres Zeichen der Gefährdung. Ursprünglich große komplexe Gletschersysteme wurden stark fragmentiert und sind zu kleineren Einzelgletschern zerfallen. In den letzten 150 Jahren haben einige Gletscher mehr als zwei Kilometer an Länge verloren, aber auch ihre Dicke ist geschrumpft, was in einem einzigen Sommer bis zu sechs Meter betragen kann.

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Bei den durchschnittlichen Temperaturen der letzten Jahre werden die Gletscher unterhalb von 3500 Metern innerhalb von 20 bis 30 Jahren verschwinden. Wenn die Temperaturen weiter steigen, könnten die ewigen Gletscher in den Ost- und Zentralalpen innerhalb weniger Jahrzehnte drastisch schrumpfen oder verschwinden. Nur die Westalpen, die höchsten Alpen, würden bleiben. Außerdem werden die Gletscher immer dunkler und damit anfälliger für die Sonneneinstrahlung.

Verheerende Folgen — nicht nur wegen Lawinen

Die Folgen sind verheerend. Nicht nur für die Umwelt und die Berglandschaft, sondern auch für die umliegenden Gemeinden. Der Rückzug des Eises hat gravierende Folgen für Landwirtschaft, Tourismus und Energieversorgung. Die Flüsse speisen sich im Sommer zum größten Teil aus der Gletscherschmelze. Mit dem Verschwinden der Gletscher schwindet auch ihr Beitrag zu den Alpenbächen und Flüssen, was erhebliche Auswirkungen auf die Wasserversorgung der Bevölkerung bedeutet. Landwirtschaft und Energieversorgung müssen sich auf verschärfende Wasserknappheit einstellen. Die aktuelle Dürre in Italien liefert hierfür eine Art Vorgeschmack.

Was wir verlangen

Um dem Problem zu begegnen ist eine Doppelstrategie nötig. Wir brauchen eine engagierte Klimaschutzpolitik, die sich am 1,5 Grad Ziel des Pariser Abkommens orientieren. Und wir müssen dringend Anpassungsmaßnahmen an die nicht mehr vermeidbare Erderhitzung entwickeln.

Die Daten und Analysen liegen längst vor. Es fehlt die Umsetzung.

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