Die Wissenschaft zeigt uns: Der Schutz der biologischen Vielfalt kann nicht länger warten. Naturschutz ist systemrelevant — nicht nur für die Wirtschaft, sondern für den ganzen Planeten.
In einer Studie der Leopoldina haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Disziplinen Biodiversität, Ökologie, Ökonomie, Anthropologie und integrierter Landsystem-Forschung mit Fragen der globalen Krise der biologischen Vielfalt befasst. Die Forschergruppe der Wissenschaftsakademie warnt darin eindringlich vor den Folgen der Biodiversitätskrise und des weltweiten Artensterbens. Die Studie zeigt aber auch politische Handlungsoptionen auf. Dabei geht es vor allem um die ökologischere Ausrichtung des Agrarsektors, auch und gerade bei uns vor der Haustür.
Ich kann mich den Schlussfolgerungen der Wissenschaftler nur anschließen. Die Zerstörung der Tropenwälder und der Verlust an biologischer Vielfalt sind fast überall auf der Welt auf intensive und nicht nachhaltige Landwirtschaft zurückzuführen. Wir brauchen eine Neuausrichtung für Landwirte, Natur und Verbraucher. Dazu gehört natürlich auch eine Verringerung des hohen Fleischkonsums und eine ökonomische „Einpreisung des ökologischen Fußabdrucks”, wie von der Leopoldina vorgeschlagen.
Von der Covid-19-Pandemie bis zum Dürrestress für Felder und Wälder wird uns gerade in diesen Zeiten deutlich vor Augen geführt, wie gravierend die Wechselwirkungen zwischen unserem Handeln und der Natur sind. Neben der langfristigen EU-Biodiversitätsstrategie werden auch die kurzfristigen Wirtschaftshilfen darüber entscheiden, ob Deutschland und Europa in Zukunftsfähigkeit investieren. Alte Technologien bringen uns nicht weiter. Jetzt kommt es darauf an Wettbewerbsfähigkeit, wirtschaftliche Stabilität und Wohlstand mit Klima- und Biodiversitätsschutz zu verbinden!
Wir brauchen nachhaltigere Landwirtschaft!
Die Ergebnisse der Leopoldina zeigen eindeutig, dass wir eine nachhaltigere Landwirtschaft brauchen. Landwirte müssen entlohnt werden, wenn sie nachweislich Klima und Grundwasser schützen und biologische Vielfalt auf ihren Betrieben fördern. Das macht unsere Landwirtschaft auch krisenfester.
Eine entsprechende Agrarpolitik muss auch zu einer ökologisch und sozial verträglicheren Fleischproduktion führen. Noch immer werden für unseren Hunger auf Fleisch und Wurst im großen Stil Soja-Monokulturen in Südamerika benötigt – verbunden mit einem gravierenden Verlust an biologischer Vielfalt!
Es führt kein Weg daran vorbei: Die Bundesregierung muss den New Green Deal für die EU unterstützen. Corona-Konjunkturprogramme müssen Zukunftstechnologien im Sinne des Klima- und Umweltschutzes fördern – und nichts anderes.
Riesige Vogelschwärme am Himmel, lautes Geschnatter und Gepiepe aus tausenden Schnäbeln: Das Wattenmeer wimmelt eigentlich immer von Vögeln.
Zu den Höhepunkten des Vogelzugs im Frühjahr und im Herbst sind es besonders viele. Das nahrungsreiche Watt wird zum Rastplatz für rund zehn Millionen Wat- und Wasservögel zwischen ihren Winterquartieren im Süden und den Brutgebieten in der Arktis.
Knutt — Tanken für den Langstreckenflug
Einer, der sich bei uns so viel Fett anfrisst, dass er sein Körpergewicht fast verdoppelt, ist der Knutt. Dabei ist das ohnehin ein recht plumper Watvogel. Man glaubt kaum, welche Strecken er zurücklegt: Wenn er im Mai aus Westafrika bei uns ankommt, hat er knapp 5000 Kilometer Non-Stopp-Flug hinter sich. Er bleibt etwa vier Wochen. Dann geht es Richtung Sibirien zum Brüten, wieder bis zu 5000 Kilometer, ohne Pause und Nahrung. Dort ist die Arktis möglicherweise noch schneebedeckt und er muss weiter aushalten, bevor es etwas zu Fressen gibt. Gut, dass er bei uns mit vielen kleinen Muscheln vorher ordentlich auftanken kann!
Kommen und Gehen: Im Wattenmeer ist immer Vogelzug
Während die Knutts aus Westafrika noch bei uns ankommen, fliegen die Knutts, die in Europa überwintert haben, schon wieder weiter. In ihrem Fall aber Richtung Grönland! Und die Alpenstrandläufer ziehen, je nachdem in welchem Teil der Arktis sie brüten, von Anfang bis Ende Mai in Richtung Norden: Die verschiedenen Arten und Populationen der Zugvögel sind zu unterschiedlichen Zeiten bei uns.
Die meisten stoppen auch nicht nur kurz, sondern bleiben länger. Im Frühjahr beginnt die besonders vogelreiche Zeit im März, der Höhepunkt liegt im Mai. Der Herbstzug startet schon im Juni, die meisten Zugvögel beobachten wir dann im September und Oktober. Die Wat- und Wasservögel nutzen den Aufenthalt im Wattenmeer neben der intensiven Nahrungsaufnahme oft auch zum Federwechsel.
Küstenseeschwalbe — Der weiteste Zugweg der Welt
Nicht alle Wattenmeervögel fliegen weiter in die Arktis. Manche Zugvögel, die im Frühjahr aus dem Süden kommen, bleiben zum Brüten hier und fliegen dann wieder zurück. Dazu gehört die Küstenseeschwalbe. Sie ist nicht schnell, aber ausdauernd! Küstenseeschwalben sind die Tiere mit den längsten bekannten Zugwegen der Welt. Die im Wattenmeer brütenden Küstenseeschwalben legen im Jahr um die 90.000 Kilometer zurück – die afrikanische Küste entlang, teils auch nach Südamerika und bis in die Antarktis.
Vögel navigieren mithilfe des Magnetfeldes der Erde und der Stellung der Sonne und der Sterne. Zusätzlich erinnern sich Zugvögel an die Region, in der sie aufgewachsen sind oder wo sie schon einmal gerastet haben und tragen sie wie eine innere Landkarte mit sich. Landmarken wie Flüsse, Gebirgszüge und Küstenlinien helfen dabei. Viele Arten sind so in der Lage, zum Beispiel im Wattenmeer immer wieder die gleiche Insel zum Rasten oder im Brutgebiet das gleiche Revier und manchmal sogar den gleichen Nestplatz zu finden.
Warum ist das Wattenmeer so wichtig für Zugvögel?
Das Wattenmeer entlang der Nordseeküste Deutschlands, Dänemarks und der Niederlande ist eine der vogelreichsten Regionen der Welt und ein riesiges Feuchtgebiet.
Das macht es zurDrehscheibe für ziehende Wat- und Wasservögel auf ihrem sogenannten ostatlantischen Zugweg: Von Südafrika über das Wattenmeer bis nach Grönland oder zur nordsibirischen Taimyr-Halbinsel.
Das Einzugsgebiet, aus dem die Vögel zu uns kommen, umfasst die halbe Arktis – noch eine Besonderheit des Wattenmeeres!
Formationsflug der Wildgänse
Die Vogelwelt im Wattenmeer ist beeindruckend. Aber massenhaft Formationsflüge wie die von Kranichen darf man sich hier nicht vorstellen. Die meisten Vögel fliegen in eher kleinen Schwärmen, oft auch hoch jenseits der Sichtbarkeit. Am auffälligsten sind die Formationen von ziehenden Wildgänsen, etwa den Ringelgänsen. Das sieht dann wirklich aus wie eine V- oder 1‑Formation aus dem Bilderbuch.
Dieses Zugverhalten hat einen einfachen Grund: Es spart Kraft. Die hinteren Vögel fliegen im Windschatten und können auf den Luftverwirbelungen gleiten, die das Flügelschlagen der vorderen Vögel erzeugt. Wenn die anführenden Vögel nicht mehr können, lassen sie sich zurückfallen und die nächsten rücken auf.
Im Nationalpark Wattenmeer gibt es vielfältige Möglichkeiten für Gäste, die Vögel zu beobachten. Es gibt Führungen und Flyer und Broschüren zu geeigneten Beobachtungsspots. Die findet Ihr am besten auf der Nationalpark-Wattenmeer-Website oder über das jeweilige Nationalpark-Infozentrum vor Ort.
Meinen Kindern wird bei längeren Autofahrten öfter mal schwummrig. Ein ähnliches Gefühl beschleicht mich, wenn Automanager nach Steuergeldern rufen. Ob sie mit ihrer Forderung Gehör finden, bleibt abzuwarten. Die Bundesregierung hat die Entscheidung über Konjunkturhilfen erst einmal bis Juni vertagt.
Es steht außer Frage, dass die Verkaufszahlen von Neuwagen im März eingebrochen sind. Das Schicksal sinkender Verkäufe teilt die Branche aber mit Unternehmen aller Couleur. Nach Jahren der Rekordumsätze trifft es auch keinen Armen. Selbst wenn kein Fahrzeug verkauft würde, wären BMW, Volkswagen und Daimler bis weit in den Herbst noch flüssig, rechnet das Handelsblatt vor.
Weil jemand vier Wochen nicht ins Autohaus konnte, dürfte er kaum auf die geplante Anschaffung eines fahrbaren Untersatzes verzichten. Das unterscheidet die Autokäufer von Konzertbesuchern oder Kneipengängern. Die dürfen zwar auch wieder raus, doch so viel Bier können sie gar nicht trinken, damit die krisengeplagten Gastronomen ihre ausgefallen Einnahmen kompensieren können. Bei Autohändlern ist das anders.
Im Grunde ist das nicht wirklich überraschend. Aus Angst vor Ansteckung steigen viele auf’s Fahrrad, nehmen den Wagen und meiden Öffentlichen Nahverkehr oder Carsharing. Wenigstens der Trend zum Rad ist ein Lichtblick. Händler machen glänzende Geschäfte.
So sieht es in Stuttgart vor Fahrradläden aus und die Bundesregierung läd die Autolobby zum Gespräch über Autosubventionen. Sorry, aber was das angeht regelt der Markt das gerade echt gut. Das Fahrrad ist überlegen. #Abfuckprämiehttps://t.co/fNtCFDaJYWpic.twitter.com/Nw173MDLDR
Viele Städte, von Bogota bis Budapest und sogar Berlin, reagieren auf den Boom der Bikes mit einer Neuverteilung des öffentlichen Raums und sogenannten Pop-Up-Radwegen. Sie machen sogar Straßen für Fußgänger frei.
Düster für die Verkehrswende
Jenseits der neuen Radstreifen sieht es aber für die Verkehrswende eher düster aus. Zu den großen Verlieren von Corona gehören alle Öffentlichen Verkehrsmittel. Die Fahrgastzahlen sind in einigen Städten um mehr als 80 Prozent gesunken! Ähnlich dramatisch stellt sich die Lage für die Deutsche Bahn dar. Die Zahl der Reisenden im Fernverkehr ist auf 10 bis 15 Prozent des Niveaus vor der Krise zurückgegangen. Auch Busunternehmer stehen vor dem Konkurs.
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Fraglos: Im Mobilitätssektor gibt es viele, die sich berechtigt Sorgen machen müssen. VW, BMW und Co gehören eher nicht dazu. In dieser Krise kommen viele Selbstverständlichkeiten auf den Prüfstand, so auch der selbstverständliche Ruf nach öffentlichen Geldern für die Autohersteller. Die gesamte Branche sollte prüfen, ob und wie die eigenen Anteilseigner an dem Weg aus der Krise beteiligt werden können. Das ist normale Unternehmenspolitik, vor allem weil in den vergangenen Jahren hohe Gewinne gemacht wurden und die Wende zur E‑Mobilität ausgesprochen zögerlich angelaufen ist.
Elektromobilität verschlafen
Die Unternehmen setzen jetzt zunehmend auf Elektromobilität — nachdem sie die Entwicklung jahrelang verschleppt hatten und mit Wasserstoff vielfach auf’s falsche Pferd gesetzt haben. In den gegenwärtigen Krisenforderungen an Steuerzahler:innen muss deshalb zuallererst klar werden, wie die Anteilseigner ihren Beitrag zur Krisenstabilität leisten. Wenn die Gesellschaft einen Anteil leisten sollte, dann vor allem zur Transformation der Branche.
Es ist ein gutes Signal, dass es beim Autogipfel am Dienstag (05. Mai 2020) keine Zusagen gab. Nun sollten alle nochmal überlegen, wie eine sinnvolle Förderung aussieht. Das Konzept der Kaufprämie hat schon einmal nicht funktioniert. Bei der Abwrackprämie 2009 wurden Käufe lediglich vorgezogen. Es war und wäre wieder ein ökonomisches Strohfeuer, das ökologisch ohnehin höchst fragwürdig ist.
Lieber ein Bonus-Malus-Ansatz, als Milliarden sinnlos zu verheizen
Verbrennern auch noch mit staatlichen Geldern den Auspuff zu vergolden, ist eine ganz schlechte Idee. Es ist sinnlos, Milliarden als kurzfristige Konsumanreize für klimaschädliche Produkte zu verheizen. Mögliche Prämien auf Elektrofahrzeuge zu beschränken, kann nur das mindeste sein. Es gibt bereits Zuschüsse für Elektroautos und Plug-in-Hybride, die noch zu erhöhen wären.
Darüber hinaus sollte aber die Systemumstellung unterstützt werden — durch das Gegenteil einer Kaufprämie, nämlich die Erhebung eines zusätzlichen Betrages beim Kauf von besonders ineffizienten Verbrennern (Bonus-Malus-System). Im Gegenzug für Hilfen müssten die Unternehmen sich verpflichten, einen klaren Pfad zur Klimaneutralität zu definieren und über die Erfüllung dieses Ziels auch transparent berichten.
Elektroautos lösen Verkehrsprobleme, Unfälle, lange Staus, wenig Platz für Fußgänger und Radfahrer und versiegelte Flächen aber nicht. Für eine moderne Mobilität brauchen wir insgesamt nicht mehr, sondern weniger Autos.
Verkehr auf den richtigen Weg bringen!
Es wäre fahrlässig, Verbrennungsmotoren mit Steuergeldern weiter zu fördern, während der Verkehrssektor beim Klimaschutz seit 30 Jahren nicht vorankommt. Die Gelder lassen sich sinnvoller einsetzen. Die Förderung von Batterieforschung und ‑Produktion sowie eine gezielte Förderung von E‑Mobilität für Flotten kämen indirekt auch der Autoindustrie zugute. Programme für einen besseren ÖPNV, digitale Angebote und Sharing-Modelle, ein leistungsfähiges Nachtzugnetz sowie Kaufprämien für Lastenräder, E‑Bikes und auch BahnCards können den Verkehr jetzt auf den richtigen Weg bringen.
Weltweit kämpfen Nationalstaaten oft im Alleingang gegen Covid-19. Währenddessen entfaltet sich weiter eine schwerwiegendere, fundamentale Krise, die nur durch gemeinsames Handeln der Staatengemeinschaft bekämpft werden kann. Die Klimakrise ist ohne Zweifel eine der größten Einzelbedrohungen für uns Menschen und die biologische Vielfalt. Die globale Erderhitzung wird unsere Umwelt und unsere Lebensbedingungen in sehr kurzer Zeit, nämlich in der Lebensspanne der heute Jugendlichen, drastisch verändern.
Viele bewohnbare Regionen sind zunehmend von Dürren und Wasserknappheit bedroht. Wir werden häufiger mit extremen Wetterereignissen wie Hitzewellen und Überschwemmungen konfrontiert. Die prognostizierte Erderhitzung und das veränderte Wetter werden die Gesundheit der Menschen stark beeinträchtigen. Heute bereits bestehende Krankheitsmuster werden sich verschärfen.
Erstens durch direkte Auswirkungen, die vor allem mit Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen zusammenhängen. Hitze wird beispielsweise die Thermoregulation insbesondere von Alten und Kranken hart treffen, was durch Dehydrierung zu Hitzeschlag oder Schlaganfall führen kann. Auch indirekt ist die Gesundheit betroffen. Lebensgrundlagen sind durch wetterbedingte Ernteausfälle bedroht. Nahrungsmittelknappheit und Migration sind die Folgen, Flucht und Vertreibung. Verstärkte Migration an die Küsten und die dort dann zunehmende urbane Verdichtung erhöhen zudem das Risiko durch Überschwemmungen.
Mehr vektorübetragene Krankheiten
Zweitens werden durch die Klimakrise vermehrt Infektionskrankheiten auf den Menschen übertragen. Ökosysteme verändern sich. Vektorübertragene breiten sich schneller aus. Deren Erreger werden durch Vektoren, zumeist blutsaugende Insekten wie Stechmücken oder Zecken, zwischen Menschen oder von infizierten Tieren auf Menschen übertragen. Malaria, Dengue-Fieber, West-Nil-Fieber oder Zika sind vektorübertragene Krankheiten, die auf Faktoren wie Temperaturen und Feuchtigkeit reagieren. Selbst bescheidene Temperatur- oder Niederschlagserhöhungen können zu einer starken Zunahme der Übertragung dieser Krankheiten führen, da sich bei Wassermangel während Dürreperioden und Überschwemmungen nach starkem Regen Vektoren verstärkt vermehren. Mit der Verschiebung der Klimazonen in Richtung der Pole werden in den gemäßigten Zonen vermehrt invasive Vektoren und neuartige Infektionskrankheiten auftreten.
Die Gefahr für Überschwemmungen mit katastrophalen Folgen nimmt zu CC BY-NC-ND 2.0 — Kompas / Hendra A Setyawan
Mehr Infektionen durch Wasser und Lebensmittel
Auch lebensmittel- und wasserbedingte Infektionen werden sehr wahrscheinlich häufiger auftreten, da klimaempfindliche Krankheitserreger (Vibrionen, Parasiten, Bakterien und Viren) durch die Erderhitzung direkt in Wachstum, Überleben, Persistenz und Übertragung beeinflusst werden. Wenn Ökosysteme durch die voranschreitenden massiven Eingriffe des Menschen aus dem Gleichgewicht geraten, steigt also das allgemeine Risiko der Übertragung von Krankheiten auf den Menschen.
Je früher und entschlossener wir handeln, desto größer die Chancen unsere Zukunft zum Besseren zu gestalten. Das bedeutet vorrangig den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien in einer klimaneutralen und zirkulären Wirtschaft. Gewissermaßen en passant könnte sich ein entschlossenes Vorgehen gegen die Klimakrise als die größte Chance der Menschheit im 21. Jahrhundert herausstellen, um die allgemeine Gesundheitssituation weltweit nachhaltig zu verbessern.
Wie sich der Kampf gegen Klimakrise positiv auswirkt
Die unmittelbar wirksamen gesundheitlichen Vorteile sind gar nicht mal auf die Reduzierung der Treibhausgasemissionen selbst zurückzuführen — sondern auf den Rückgang der kurzlebigen Klimaschadstoffe (short lived climate pollutants — SLCP). Das sind beispielsweise Methan, Aerosole, troposphärisches Ozon, Fluorkohlenwasserstoffe und Schwebe- und Feinstaube wie Rauch, Ruß oder Benzo(a)pyren.Die Reduzierung dieser kurzlebigen Klimaschadstoffe mildert also die Erderhitzung und verbessert kurzfristig die Gesundheitssituation. Saubere Energie (z.B. PV-Solar- und netzunabhängige Batteriespeichersysteme) ermöglicht es in armen Regionen, Brennstoffe wie Holz, Holzkohle und Dung zu verringern. Luftverschmutzung und Atemwegserkrankungen nehmen ab. Entwaldung und Erosion gehen zurück.
Kohle — die größte Einzelquelle der Klimaverschmutzung
Kohlekraftwerke machen nur 40 Prozent der weltweiten Stromerzeugung aus, sind aber für mehr als 70 Prozent der klimaschädlichen CO2-Emissionen verantwortlich. Kohlekraftwerke sind die weltweit größte Einzelquelle der Klimaverschmutzung. Kohle stellt die größte Bedrohung für unser globales Klimasystem dar. Emissionen aus Kohlekraftwerken sind auch die größte Einzelquelle für Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Sie setzen beträchtliche Mengen an hochgiftigen Partikeln (Schwermetalle wie Quecksilber, Blei, Cadmium oder Arsen), Schwefeldioxid und Stickoxiden frei. Letztere tragen indirekt zur Bildung von Ozon bei.
Kllimafreundlich heißt gesundheitsfreundlich CC BY-NC-ND 2.0 — DENNIS SCHROEDER / NREL
Neben der Verbrennung fossiler Energieträger in Energiewirtschaft und Industrie gilt der Verkehrssektor als der größte Feinstaub-Emittent. Gegenwärtig wird untersucht, ob und in welchem Maße die Verbreitung von Viren wie Covid-19 durch erhöhte Feinstaubkonzentrationen begünstigt werden könnte. Laut Weltgesundheitsorganisation gelten Feinstäube als eine große Gefahr für die öffentliche Gesundheit. Sie sind eine der Hauptursachen für chronische Atemwegserkrankungen und sie tragen zu jährlich weltweit 4,2 Millionen frühzeitiger Todesfälle bei, vor allem in den armen Ländern.
Gesundheit gewinnt zunehmend an Bedeutung im Kampf gegen die Klimakrise
Um unsere Verwundbarkeit gegenüber der Erderhitzung kurzfristig zu reduzieren, müssen sauberes Wasser, Elektrizität und sanitäre Einrichtungen für alle gewährleistet sein. Und wir müssen natürlich die gesundheitliche Mindestversorgung einschließlich Impfungen und Kindergesundheitsdiensten sichern.
Gesndheitsgefahr: Emissionen im Strassenverkehr CC BY 2.0 — MAVERICK PHOTO AGENCY
Umgekehrt: Klimafreundlich heißt gesünder
Das funktioniert auch umgekehrt. Eine klimafreundliche Infrastruktur zugunsten des Radverkehrs hat offensichtlich positive Auswirkungen auf die Gesundheit. Weniger Konsum von Fleisch und tierischen Lebensmitteln mindert das Risiko von Krebs und Herzerkrankungen. Es ist aber auch enorm positiv für Landnutzung, Bodenqualität, Wasser und biologische Vielfalt.
Der Kampf gegen die Erderhitzung und die weltweite Armut als die Hauptursachen weltweiter Gesundheitsprobleme muss in den Fokus politischen Handelns rücken. Drastisch gesunkene Kosten und massive Technologiesprünge bei erneuerbaren Energien und der Digitalisierung zeigen: Klimaneutrales und gerechtes Wirtschaften ist ökonomisch und technologisch nicht nur machbar, sondern deutlich günstiger als der Status quo.
Es fehlt der Wille — bisher
Was fehlt ist der politische Wille. Und ein stärkerer öffentlicher Druck. Es ist mehr denn je an der Zeit, die globale Transformation hin zu einem guten, gesunden und lebenswerten Leben für alle Menschen auf unserem Planeten zu beschleunigen und die wirtschaftliche Entwicklung auf Dekarbonisierung und eine erhöhte Resilienz gegenüber der Klimakrise umzulenken. Dabei können die vielfältigen Auswirkungen der Klimakrise auf die Gesundheit gar nicht oft genug betont werden.
Wenigstens unsere eigene Gesundheit sollte es uns doch wert sein. Oder?
Das Corona-Virus bedroht nicht nur unsere Atemwege und führt unser Gesundheitssystem an seine Grenzen, es attackiert zugleich die zunehmend globalisierte Weltwirtschaft. Aktienkurse befinden sich im freien Fall, angepeilte Wachstumsraten sind angeknackst. Eine schwere weltweite Rezession ist absehbar. Um das schlimmste Abzuwenden, haben Bundesrat und Bundestag in der vergangenen Woche ein Milliardenhilfspaket beschlossen: ein Rettungsschirm für Unternehmen vom Autobauer bis zum Start-up.
Es ist unstrittig, dass kurzfristig und unkompliziert betroffenen Branchen und besonders gebeutelten Selbständigen mit Kurzarbeitergeld, gestundeten Steuern, günstigen Krediten oder Zuschüssen unter die Arme gegriffen werden muss. Ebenso wichtig ist das Verbot von möglichen Stromsperren und Wohnungskündigungen wegen Mietrückständen. Damit diejenigen geschützt werden, deren Existenzen – zusätzlich zu den gesundheitlichen Risiken – auch wirtschaftlich bedroht sind.
Wirtschaft langfristig widerstandsfähig machen
Diese Krise wird unser Leben und Wirtschaften aber nicht nur kurzfristig verändern. Sie schärft unseren Blick für die derzeitige Anfälligkeit unserer Versorgungs- und Wirtschaftssysteme. Die nun beschlossenen Maßnahmen sollen einerseits schnell helfen, das ist vernünftig. Mindestens ebenso wichtig sind die langfristig angelegten “Wirtschaftsstabilisierungsfonds”, um unsere wirtschaftliche Widerstandskraft dauerhaft sichern.
Generell werden die Rufe nach einem grünen Investitionsprogramm lauter. Greenpeace greift eine Idee des DGB auf und fordert einen Green Marshall Plan. Der BUND spricht von einem Green Deal für Deutschland, um neue Arbeitsplätze zu schaffen und den Weg in eine klimafreundliche Zukunft zu ebnen.
Beide Vorschläge ähneln sich und sind beide richtig. Sie zielen darauf ab, die mittel- und langfristigen Hilfsprogramme an den Grundlinien des „European Green Deal” auszurichten. Dieses Konzept wurde von der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Dezember 2019 vorgestellt und umfasst eine Reihe von Initiativen und Maßnahmen. Das Ziel: Die EU soll bis 2050 in die Klimaneutralität geführt werden.
Schluss mit “weiter so wie gehabt”
Es sollte demnach um eine zukunftsgewandte Transformation gehen. „Ein Wachstumspaket, das blind alte Technologien fördert, wäre hingegen sogar schädlich, weil es höhere Emissionen auf Dauer zementieren würde betont Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. Und welche Auswirkungen höhere Emissionen und ein „weiter so wie gehabt“ auf die Erderhitzung und damit auf Mensch und Natur hat, ist bekannt.
Dank Corona: Deutschland erfüllt Klimaziele 2020
Auf den ersten Blick scheinen die Sorgen übertrieben, der Klimaschutz könnte ins Hintertreffen geraten. Denn zunächst profitiert das Klima von der Krise. Anscheinend. Der Stillstand des öffentlichen Lebens führt zunächst einmal zu einer Entlastung der Umwelt. Wenn Flugzeuge am Boden bleiben und Fließbänder stillstehen, sinkt der Energieverbrauch und damit meist auch der Ausstoß von Treibhausgasen. Erste Einschätzungen gehen davon aus, dass die chinesischen Emissionen im Februar um 25 Prozent zurückgegangen sind. Auch in hierzulande ist wohl mit einem Corona-Effekt bei der Treibhausgasbilanz zu rechnen. Deutschland wird sogar seine Klimaziele für 2020 erreichen, wie die Agora Energiewende errechnet hat. Die angepeilte Emissionseinsparungen um 40 Prozent gegenüber 1990 ist nur Dank Corona möglich geworden, nachdem das Klimaziel 2020 eigentlich schon als unerreichbar galt.
Emissionen werden wieder schnell ansteigen
Das alles ist jedoch nur eine Momentaufnahme. Mehr nicht. Dieser kurzfristige Effekt dürfte schnell verpuffen, wenn die Produktion wieder anrollt und die Schornsteine wieder rauchen. Man spricht von einem sogenannten Rebound-Effekt, wenn nach der Krise wieder business as usual angesagt ist. Welche Auswirkungen die Krise auf die globalen Emissionen tatsächlich haben werden, ist noch nicht absehbar.
Der erwartbare Rückgang der Emissionen lässt aber selbst Klimaschützer:innen keineswegs jubeln. Der ehemalige Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Hans-Joachim Schellnhuber, bringt es auf den Punkt: „Niemand kann sich über einen positiven Klimaeffekt freuen, denn der dafür zu zahlende Preis ist unglaublich hoch – wegen der einbrechenden Wirtschaftsleistung, der persönlichen und sozialen Kosten und vor allem wegen des menschlichen Leids, das die Pandemie verursacht. Teurer könnte die Vermeidung zusätzlicher Tonnen von CO2 gar nicht sein.“
Corona stoppt die Klimaverhandlungen
Auch auf anderen Ebenen wirft COVID-19 seinen Schatten auf den internationalen Klimaschutz. Die nächste große Verhandlungsrunde zum Pariser Klimaabkommen steht im November in Glasgow an. Damit ein solcher Gipfel zum Erfolg wird, sind unzählige Vorgespräche und diverse Verhandlungsrunden nötig. Die ersten davon sind bereits verschoben worden oder sollen via Videokonferenz stattfinden. Das unterstützt zwar die Eindämmung des Virus, benachteiligt aber einmal mehr die ärmsten Lände, deren Zugriff auf digitale Kanäle oft mit weit größeren Hürden verbunden ist als in den Industriestaaten.
Corona überschattet Klimathemen
Mit der nachvollziehbaren Fokussierung auf die Krise nimmt der öffentliche Druck auf die Entscheidungsträger:innen ab, tatsächlich zu einem Ergebnis zu kommen. Auf Großdemos sollte in Zeiten von „Social Distance“ besser verzichtet werden und die Frage nach Trumps oder Bolsonaros-Corona-Tests haben Fridays for Future und die Erderhitzung zumindest bis auf Weiteres aus den Schlagzeilen und Trending Topics verdrängt.
Wir haben nur eine Erde
Und dennoch: Vielleicht ergeben sich aus dem Horror der Pandemie doch auch Hoffnungsschimmer. Vielleicht ist es naiv, aber wenn in der aktuellen Krise die Erkenntnis wächst, dass die Gesundheit eines jeden Menschen auch die Sache der anderen ist. Diese Einsicht könnte helfen, zu einem ganzheitlichen Verständnis für unseren Planeten zu gelangen. Einem Planeten, auf dem es eben nicht egal ist, wenn Arten aussterben, das Klima kippt, Wälder abgeholzt und Meere verdreckt werden. Nicht zuletzt, weil wir alle davon abhängen.