Er ist Augenzeuge eines der größten Dramen unserer Zeit. Immer wieder. Der Naturfotograf Thorsten Milse reist mit seiner Kamera in die unterschiedlichen Lebensräume. Und erlebt, wie Klimakrise, Lebensraumverlust, Wilderei und Umweltverschmutzung das Überleben für viele faszinierende Tiere immer härter machen.
Thorsten Milse nimmt uns in seinem Bildband „Survivor“ in die Wüste, ins Eis der Pole bis zu den feuchten Regenwäldern. Die einfühlsamen Portraits einer bedrohten Tierwelt lenken den Blick auf die Zerbrechlichkeit von einzigartigen Lebensräumen, die es vielleicht schon bald nicht mehr gibt. Er zeigt uns Tiere, die es geschafft haben, trotz Hitze, Trockenheit und schrumpfenden Habitaten eine Lücke in ihrem Ökosystem zu erobern. Nicht allen wird es auf Dauer gelingen sich anzupassen.
Tipp für Hamburg
Die Open-Air Fotoausstellung von Torsten Milse im Überseeboulevard in der Hafencity mit über 50 verschiedenen Tierbilden ist noch bis 31. August 2021 zu sehen.
Thorsten Milse gelingt es, uns mit seinen Bildern die Augen für diese Schönheit zu öffnen. Ohne Katastrophenszenarien zu entwickeln sind seine Fotos ein stummer Apell, die Einzigartigkeit unseres Planeten und seiner tierischen Bewohner Wert zu schätzen. Sein Buch ist eine Liebeserklärung an die Vielfalt unseres Planeten und ein fotografisches Plädoyer für den Erhalt unseres Planeten, eine Aufgabe vor der nicht nur Naturschutzorganisationen stehen, sondern mit der sich eine ganze Generation konfrontiert sieht.
Eine nachhaltige Entwicklung, von der Mensch und Natur profitieren ist dringender denn je. Dazu gehört es, den Wert der Natur endlich anzuerkennen und bei ihrem Schutz die Menschen vor Ort zu beteiligen. Denn auch wir Menschen steht bereits auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Viele von uns wollen das aber immer noch nicht wahrhaben.
Thorsten Milse: Survivor – Bedrohte Arten
Tecklenborg Verlag 2021, 312 Seiten, 42 €
Ein Teil des Erlöses aus dem Verkauf des Buches fließt in die aktuellen Artenschutzprojekte des WWF.
Der brasilianische Umweltminister Ricardo Salles ist zurückgetreten — wegen mutmaßlicher Verwicklungen in illegalen Holzhandel. Der oberste Gerichtshof Brasiliens hat zwei Untersuchungen gegen ihn angeordnet. Der Umweltschutz wird aber weiter systematisch ausgehöhlt.
Salles‘ Rücktritt war überfällig. Er gilt als enger Vertrauter des Präsidenten Jair Bolsonaro. Beide habe systematisch staatliche Umweltschutzprogramme untergraben und die Umweltbehörden de facto handlungsunfähig gemacht.
Messen kann man es im Amazonas durch die starke Zunahmen an Entwaldung und Waldbränden. Diese sind fast immer das Ergebnis krimineller Handlungen, die mit illegaler Abholzung und illegaler Landnahme verbunden sind. Brasilien konnte die Entwaldung am Amazonas bereits über 70 Prozent verringern so dass die Zunahmen, die direkte Folgen der aktuellen Regierung ist.
Entwaldung steigt, Verfolgung sinkt
Minister Salles rief indirekt auf zu Abholzung, Landraub, Vertreibung Indigener und Besetzung von Schutzgebieten. Und er schwächte gezielt die staatlichen Stellen, die den Verbrechen etwas entgegensetzen könnten. Im Ergebnis sind die verfolgten Umweltverbrechen in Brasilien in den vergangenen Jahren sukzessive gesunken. Wurden in 2018, vor Bolsonaros uns Salles Amtsantritt, noch rund 4000 Verfahren zur Untersuchung möglicher illegaler Entwaldung/Holzeinschlag eingeleitet. Diese Zahl sank in seinem ersten Amtsjahr 2019 auf 3000 und halbierte sich 2020 auf rund 2000 Fälle.
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Aber offensichtlich hat Salles überzogen. Jetzt wird wegen Korruption und Holzschmuggel sowie wegen Behinderung der Justiz gegen ihn ermittelt. Er soll illegale Abholzungen im Amazonasgebiet gedeckt haben. Die Justiz verfügte Durchsuchungen, Bank‑, Telefon- und Steuergeheimnisse sind bereits aufgehoben. Man darf gespannt sein.
Salles wird in die Geschichte eingehen als der schlechteste Umweltminister in der Geschichte Brasiliens. Seine Politik wird aber vorerst bleiben. Am Tag von Salles‘ Rücktritt hat ein Gesetzentwurf, der die Rechte der Indigenen an ihrem Land erneut schwächen würde, im Parlament die nächste Hürde genommen. Es ist ein weiterer Schritt von vielen seit Bolsonaros Amtsantritt, mit denen der Umweltschutz und Schutz der indigenen Territorien systematisch ausgehöhlt werden.
Brasilien wird erst wieder aufatmen können, wenn das gesamte System Bolsonaro Geschichte ist.
Bereits zu Anfang ist klar: Es geht für uns und unsere Kinder ums Überleben. Im gerade veröffentlichten Netflix-Film „Breaking Boundaries” zeigen der System-Ökologe Johan Rockström und David Attenborough was die Welt in Balance hält. Welche naturgesetzlichen Grenzen wir halten müssen. Und zieht die Schlussfolgerungen für unser Handeln und Wirtschaften.
Es ist ein düsteres Bild, das „Breaking Boundaries“ zeichnet. Sehr düster. Hoffnung? Nun ja. Wir müssen rasend schnell handeln, um den freien Fall zu stoppen. In der Hoffnung, dass keine finalen Kipppunkte eintreten. Wir verstehen, warum wir diese nie erreichen dürfen. Sonst droht eine Umwelt wie bei dem apokalyptischen Klassiker „Mad Max“.
Kipppunkte und Grenzen
Kipppunkte sind Schwellen, bei denen die Domino-Steinen reihenweise fallen. Etwa bei der Eisschmelze der Pole. Schmilzt der viele Kilometer dicke Eisschild bis hinunter in tiefere Lagen, dann sind die Temperaturen dort so hoch, dass das Eis immer noch schneller schmelzen wird. Es entsteht ein Teufelskreis.
Die planetaren Grenzen
Planetare Grenzen sind Klima und Temperatur, die Verteilung der Ökosysteme auf unserer Erde. Es ist die Artenvielfalt, die Wasserkreisläufe; die Nährstoffkreisläufe wie die der Phosphate und der Nitrate; und schließlich der Säuregehalt unserer Meere. Bei drei von sechs Grenzen sind wir bereits im Hochrisikobereich. Wir befinden uns im freien Fall. Der Fall gleicht der Ursache, dem ständigen Wachstum: größer, immer schneller und weiter.
Wasserkreisläufe sind global noch grün – somit intakt und innerhalb der globalen Grenzen. In Risikogebieten sind aber auch sie bereits weit im gelben Bereich. Mit Trinkwasserknappheit und Dürren inklusive der Ausbreitung von ariden Zonen und Wüsten.
Für die Klimaerhitzung haben wir gelb überfahren und sind teilweise bereits auch schon Rot. Wir sind in Hochrisikobereiche eingetreten, in denen wir immer näher an Kipppunkte herankommen.
Arten vernichten wir in einer Geschwindigkeit, vergleichbar mit den großen Aussterbewellen, induziert etwa durch überregional und global wirksame Vulkanausbrüche oder Meteoriteneinschläge. Wir befinden uns im blutroten Bereich. Unter anderem wegen des absurden Argumentes nur mit Intensiv-Landwirtschaft und Monokulturen die Ernährungssicherheit für die Menschheit zu erhalten. Das Gegenteil ist richtig, denn durch den Artenschwund steht heute die Ernährungssicherheit in Gefahr!
Nicht vergessen dürfen wir zudem die menschengemachten, lebensbedrohenden Schadstoffe unseres linearen, ressourcenintensiven Wirtschaftens wie Atommüll, Schwermetalle, (Mikro-)Plastik und auch die Luftschadstoffe. Johan Rockström ist sich nicht sicher, ob diese Schadstoffbelastungen nicht auch als planetare Grenze gelten müsste.
Was wir für die Hoffnung tun müssen
Eigentlich weiß ja auch der Gedankenloseste, was wir tun und lassen müssen, damit wir „stabil“ und gesund bleiben. Energie sparen und gewinnen aus Sonne und Wind, überall und dezentral. Nie wieder Wärme oder Energie aus fossilen Brennstoffen. Wälder erhalten, Feuchtgebiete, allen voran Moore wiedervernässen. Bäume pflanzen, um in vielen Jahrzehnten alte stabile Wälder zu haben. Es sind gute und günstige Kohlenstoffspeicher, auch noch für unsere Kinder und Kindeskinder.
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Der menschengemachte CO2-Ausstoß muss auf nahe Null heruntergefahren werden. Ansonsten ist die Chance die Klimaerhitzung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen bald vorbei.
Wir brauchen Kreislaufwirtschaft ohne Müll- und Abwasser-Produktion. Produktionsnebenprodukte werden die Rohstoffe für andere Produktionsketten. Ein alter Wald ist hierfür ein gutes Vorbild.
Diese hochwirksamen Anstrengungen zahlen auf mehrere der planetaren Grenzen ein. Wir können mit der Mobilisierung jeder/s Einzelnen hin zur Selbstwirksamkeit viel erreichen.
Hoffnung Ozonschicht
Mit einem letzten Beispiel gelingt es David und Johan große Hoffnung zu schaffen. Bei der Ozonschicht waren wir mal im tief roten Bereich. Hier hat es die Menschheit in wenigen Jahren durch global wirksame Entscheidungen und Anstrengungen — inklusive konsequenter Verbote der Schadstoffe — geschafft, die für uns überlebenswichtige Ozonschicht zu retten. Heute sind wir hier im grünen Bereich.
Wir haben noch dieses Jahrzehnt, um im besten Sinne egoistisch unser Leben und Wirtschaften in die planetaren Grenzen einzupassen. Damit wir der ganzen Menschheit ein Überleben, ja ein „Gutes Leben“ ermöglichen. Und, wie Johan Rockström und David Attenborough zeigen, unseren Planeten als unser „perfekt home“ erhalten.
Schwarz-weiß-Fotos von Menschen in afrikanischen Flüchtlingscamps, dramatische Fotos vom Kampf gegen brennende Ölquellen und beeindruckende Bilder von Arbeitern in brasilianischen Goldminen machten Sebastião Salgado weltberühmt.
Doch er ist eben viel mehr als ein Fotojournalist. Er ist kämpferischer Naturschützer, der begeistern und aufrütteln kann, der Worten und Bildern auch Taten folgen lässt. Und er ist der große Botschafter für den Amazonas Regenwald und seine Bewohner. Davon gibt nun auch sein neues, in Deutschland erschienenes Buch Amazônia eindrucksvoll Zeugnis. Sechs Jahre lang fotografierte er die unvergleichliche Schönheit des Regenwaldes, der Flüsse, der Berge. Dort, wo die ungeheure Kraft der Natur wohl wie nirgendwo sonst auf der Erde zu spüren ist. Und er begleitete die Menschen, die dort leben.
Gewidmet den Hütern des Waldes
Salgado widmet das Buch dann auch den indigenen Völkern des Amazonas, für die er sich immer einsetzt.Amazônia feiert das Überleben ihrer Kulturen, ihrer Bräuche und ihrer Sprachen. Zudem würdigt es ihre Rolle als Hüter der Schönheit, der natürlichen Ressourcen und der Artenvielfalt des Regenwaldes, der Angriffen wie nie zuvor ausgesetzt ist. “Wir sind ihnen für immer dankbar, dass sie uns empfangen haben, um ein Stück ihres Lebens mit uns zu teilen“, schreibt Salgado.
Doch der Amazonas ist nicht die einzige Herzensangelegenheit des Ehepaars Sebastião und Lélia Wanik Salgado. Sie leben für ihren Traum, den fast vollständig abgeholzten Atlantischen Regenwald von einer alten Farm der Familie Salgado aus wiederherzustellen. Der Mata Atlântica war einer der artenreichsten tropischen Wälder der Erde. Durch Abholzung, vor allem zugunsten von Rinderzucht, sind nur noch Fragmente des einst 1,3 Millionen Quadratkilometer großen Wald erhalten. Die Salgados haben aber die Biodiversität zurückgeholt. Mehr als 2,5 Millionen Bäume wurden gepflanzt. Nach zwei Jahrzehnte Arbeit erstreckt sich wieder dichter Wald über das mittlerweile 608 Hektar große Privatschutzgebiet. Und mit dem Wald kam all das Leben zurück. Ameisen, Termiten, Vögel, jede Menge Leben.
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Zusammenarbeit mit dem WWF
Wir beim WWF engagieren uns zusammen mit dem von Salgado ins Leben gerufene Instituto Terra, einer privaten Stiftung und dem Wacken Open Air insbesondere für die Renaturierung der Quellen im Einzugsgebiet des Rio Doce. Im Januar 2021 hat unsere Unterstützung für die aufwändigen Renaturierungsmaßnahmen begonnen. Mehr als 20 Quellen befinden sich im Prozess der Erholung. Lokale Kleinbauern sind an dem Programm beteiligt. Sie verpflichten sich dazu, aktiv an dem Projekt mitzuwirken, die Quellen zu schützen und an Schulungen für nachhaltige Techniken zur Landnutzung teilzunehmen. Dann wird hier wieder zusammenhängender Wald als Lebensgrundlage für Mensch und Tier entstehen.
Die brasilianische Regierung versucht indigene Aktivisten mit absurden Behauptungen einzuschüchtern – um vom eigenen Versagen abzulenken.
Wir sind empört über die Einschüchterungen gegenüber Sônia Guajajara, eine der leitenden Koordinatorinnen der Vereinigung der indigenen Völker Brasiliens (APIB). Sie wurde zur Zielscheibe einer von der Bundespolizei eröffneten Untersuchung.
Anlass ist die aufsehenerregende Webserie “Maracá — Indigener Notfall”. In acht Folgen wird gezeigt, wie die indigene Bewegung versucht die Corona-Pandemie zu bekämpfen. Sônia Guajajara wird nun vorgeworfen die Zahlen der von COVID-19 betroffenen Indigenen zu fälschen. Dadurch werde das Image Brasiliens geschädigt. Der indigene Anführer Almir Suruí ist ähnlichen Vorwürfen ausgesetzt.
Zum Glück hat jetzt ein Gericht in Brasilia das Verfahren gestoppt. Das ist ein Zwischenerfolg. Aber selbst wenn dieses Verfahren eingestellt wird, werden Angriffe auf Indigene, deren Organisationen oder Anführer nicht aufhören. Die Attacken zeigen das autoritäre Gesicht der Regierung Bolsonaro. Unabhängige Stimmen, die auf Probleme hinweisen, werden nicht geduldet. Schon gar nicht bezüglich der Pandemie, die bereits mehr als 400.000 Brasilianer das Leben gekostet hat.
Längst nicht der einzige Angriff
Nicht zum ersten Mal wird mit den Untersuchungen der Polizei direkt die Meinungsfreiheit angegriffen: Forscher, Journalisten und Umweltaktivisten, wie der Koordinator der Klimabeobachtungsstelle, Márcio Astrini, wurden bereits unter zweifelhaften Gründen zu Aussagen vorgeladen.
Dieser klare Angriff auf die brasilianische Demokratie muss ein Ende haben. Jetzt haben mehr als 1000 zivilgesellschaftliche Organisationen die andauernden Versuche der Regierung Bolsonaro verurteilt, die indigenen Organisation und ihre Führer einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen.
Es ist bezeichnend, dass die Untersuchung viele Monate nach der Veröffentlichung der Web-Serie eingeleitet wurde. Sie kommt einem Zeitpunkt, an dem sich die Regierung mit einer parlamentarischen Untersuchungskommission auseinandersetzen muss. Dort werden Handlungen und Unterlassungen im Umgang mit der Pandemie und dem Zusammenbruch des Gesundheitssystems im Bundesstaat Amazonas unter die Lupe genommen. Da kommt der Regierung jede Ablenkung von eigenen Versäumnissen recht.
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Um es nochmal deutlich zu sagen: Für uns vom WWF sind Demokratie, Menschenrechte und Meinungsfreiheit nicht verhandelbar. Wir alle stehen solidarisch zu Sônia Guajajara, einer unverzichtbaren Führungspersönlichkeit der gesamten Indigenen-Bewegung.