Chance vertan beim Amazonas-Gipfel!

Die Staatsoberhäupter der Anrainerstaaten des Amazonas haben sich auf dem Amazonas-Gipfel dazu bekannt, den größten Regenwald der Erde zu retten. Schön. Zugleich haben sie aber versäumt, Bedingungen zu schaffen, damit aus frommen Wünschen Taten erwachsen. Eine verpasste Chance! Der vom brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula proklamierte „amazonische Traum“ bleibt ein Lippenbekenntnis, wenn es keine konkreten Ziele und Vorgaben gibt, den Raubbau zu stoppen.

Der Amazonas ist überall

Der Amazonas ist Regenmaschine, Klimaanlage und Kohlenstoffsenke © Chris J Ratcliff / WWF UK
Der Amazonas ist Regenmaschine, Klimaanlage und Kohlenstoffsenke © Chris J Ratcliff / WWF UK

Die Lage ist schon jetzt dramatisch. 18 Prozent des Waldes wurden bereits gerodet. Expert:innen fürchten, dass bei einer Zerstörung von 20–25 Prozent ein unumkehrbarer Kipppunkt erreicht sein könnte. Das darf nicht passieren. Die freigesetzte Menge an CO2 wäre so groß, dass wir das 1,5°C Ziel weltweit vergessen könnten. Wir fordern mindestens 80 Prozent der grünen Lunge unter Schutz zu stellen, um die Katstrophe abzuwenden. Für Indigene, andere traditionelle Gruppen, die Artenvielfalt und für uns alle.

Die Zerstörung des Waldes ist keineswegs allein ein Problem der 300 Millionen Menschen in Lateinamerika. Der Amazonas gehört zum Weltnaturerbe der Menschheit, er ist im wahrsten Sinne des Wortes unbezahlbar. Die Kosten, die für seinen Erhalt nötig sind, stehen in keinem Verhältnis zur ökologischen, klimatischen und wirtschaftlichen Katastrophe, die sein Verlust bedeuten würde.

Geld allein wird das Problem nicht lösen

Die Industrieländer können sich nicht von ihrer Mitverantwortung freikaufen. Deshalb ist es nicht genug, das Scheckbuch zu öffnen: Die Bundesregierung muss zusammen mit der EU deutlich machen, dass es nicht nur um Profite, sondern um eine wertebasierte Zusammenarbeit geht. Brandbekämpfung und Wiederaufforstung sind gut, sie bleiben aber nur Symbolpolitik, wenn die Ursachen der Entwaldung nicht angegangen werden.

Der Schlüssel zur Bekämpfung des Problems liegt in Südamerika, aber wir haben eine Mitverantwortung. Eine der Ursachen für die verheerenden Zerstörung am Amazonas und anderer Naturschätze, etwa der Cerrado-Savanne, findet sich in deutschen Futtertrögen: Soja. Allein für die Produktion von Tierfutter für Schweine, Rinder und Geflügel in Deutschland wird eine Anbaufläche so groß wie ganz Hessen benötigt. Ein großer Teil davon kommt aus Südamerika. Hier gilt es anzusetzen.

Soja frisst Amazonas auf
Soja frisst den Regenwald auf. © David Bebber / WWF-UK

Weniger Fleisch aus Massentierhaltung zu essen, ist deshalb eine sinnvolle Maßnahme. Aber Politik und Wirtschaft dürfen die Verantwortung nicht auf die Verbraucher:innen abwälzen. Wir brauchen eine Handelspolitik, die viel mehr Wert auf Nachhaltigkeit legt. Hier kommen auch deutsche Unternehmen ins Spiel. Dass Unternehmen sagen, sie wüssten nicht, unter welchen sozialen Bedingungen und mit welchen ökologischen Schäden ihre Zulieferer produzieren, ist im 21 Jahrhundert nicht mehr akzeptabel.

Die Entwaldung des Amazonas legt Brasilien trocken

Brände und Kahlschlag am Amazonas sind eine Tragödie für die Natur und die Indigenen, die in der Region leben. Mittelfristig wird es aber auch die Verursacher:innen des Problems treffen, also uns alle. Der Regenwald ist eine gigantische Klimaanlage, Regenmaschine und eine gewaltige Kohlenstoffsenke. Wenn es nicht gelingt, den Wald zu retten, wird sich der Süden des Kontinents in eine Arte Sahelzone in Lateinamerika verwandeln. Brasilien wird austrocknen. Dann können auch die Rinderzüchter und Sojabarone ihr Geschäftsmodell vergessen. Ohne Regen ist keine Landwirtschaft möglich. Und das Erreichen der weltweiten Klimaschutzziele ist dann ohnehin eine Illusion.

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Wälder in Flammen: neuer Normalzustand?

Neues Jahr, neue Waldbrände. Trotz eines überdurchschnittlich feuchten Frühjahrs brennt es vielerorts schon wieder. Haben unsere heimischen Wälder angesichts der voranschreitenden Klimakrise noch eine Zukunft?

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Wieder brennt eines der munitionsbelasteten Wildnisgebiete im Süden Brandenburgs, die auch der WWF mitbetreut. Auch andernorts stehen so früh im Jahr bereits Wälder in Flammen – etwa auf der WWF-Fläche Zerweliner Heide in der Uckermark.

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Gewohntes Bild: Feuerwehr bei Löscheinsatz in Brandenburg © IMAGO / Andreas Friedrichs

Dabei fühlen wir uns erinnert an die letzten Jahre, als Brände bereits große Waldflächen zerstörten. Als Einzelfälle können wir diese Ereignisse nicht mehr bezeichnen. Bewegen wir uns auf eine Steppenlandschaft zu?

Folgen der Klimakrise

Mittlerweile ist wohl allen bekannt, dass die Auswirkungen der Klimakrise uns direkt betreffen. Mit den anhaltenden Dürren, sinkenden Wasserständen und rasch verschwindenden Seen sind sie für uns alle längst sicht- und greifbar. Unzählige Seen, in denen die Eltern und Großeltern schwimmen lernten, sind zu Grasflächen verdorrt. Und mit dem schwindenden Wasser steigt auch das Risiko für Waldbrände.

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Brandenburg ist deutschlandweit am stärksten von Waldbränden betroffen © IMAGO / A. Friedrichs

Laut Umweltbundesamt ist das Land Brandenburg deutschlandweit am stärksten von Waldbränden betroffen. Erstmals seit 1992 sind in den Jahren 2018 und 2019 wieder größere Flächen verbrannt. In Brandenburg fielen zwischen 2018 und 2019 über 3.000 Hektar Wald den Flammen zum Opfer. Mit jetzt schon über 700 Hektar Brandfläche bei Jüterbog droht auch 2023 wieder ein schlimmes Waldbrandjahr zu werden – sollte es nicht doch noch zu einer längeren Regenperiode kommen.

Feuer auf ehemaligen Truppenübungsplätzen

Ehemalige Truppenübungsplätze in Südbrandenburg, die sich derzeit zu Wildnisgebieten entwickeln, sind mit riesigen Mengen an alten Kampfmitteln belastet. Dies stellt die Feuerwehr vor große Herausforderungen: Waldbrände löschen, ohne das Leben der Mitarbeitenden zu gefährden.

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In den Wildnisgebieten ist das Löschen besonders gefährlich, die Zerstörung der Umwelt umso größer © Tilo Geisel

Dank ausführlicher Schutzkonzepte, die in Abstimmung mit Behörden, Feuerwehr, der Flächeneigentümerin Stiftung Naturlandschaften Brandenburg – Die Wildnisstiftung und vielen weiteren Akteuren erarbeitet wurden, konnten für den Ernstfall notwendige Vorbereitungen getroffen werden.

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Die Maßnahmen zeigen trotz Großbrand Erfolge: Mittels Brandschutzstreifen ließ sich die Gefahr für anliegende Siedlungen abwenden. Doch der Schaden für die Natur ist unvorstellbar. Denn im Herzstück des Wildnisgebiets, wo Wolf, Wildschwein, Wiedehopf und Co. ungestört leben sollten, ist das Löschen zu gefährlich.

Wie umgehen mit Dürre und Waldbränden? 

Bis auf Weiteres werden wir dank Klimakrise wohl oder übel lernen müssen, mit jährlichen Waldbränden zu leben. Auffällig ist, dass es bei den Bränden meist die für Brandenburg typischen Kiefern-Monokulturen trifft. Die trockenen Nadeln am Waldboden fungieren als idealer Zunder. Und durch die einheitliche Struktur können sich Feuer ungehindert ausbreiten – es sei denn, es werden riesige Waldbrandschneisen angelegt wie in Jüterbog. Strukturreiche, heimische Wälder mit einem großen Laubholzanteil verringern das Waldbrandrisiko erheblich. Also: Mehr Laubwälder müssen her.

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In Monokultur-Kiefernwäldern können sich Feuer ungehindert ausbreiten © IMAGO / Zoonar / Stefan Laws

Beim Umbau der Waldstrukturen handelt es sich jedoch um einen äußerst langwierigen Prozess. Die Effekte bereits angestoßener Bemühungen werden erst in vielen Jahren oder gar Jahrzehnten spürbar sein. Dazu ist bei fortschreitender Klimakrise ungewiss, ob an trockenen und nährstoffarmen Standorten wie Jüterbog überhaupt noch heimische Laubbäume großflächig überlebensfähig sein werden. Untersucht wird das derzeit unter anderem im Forschungsprojekt PYROPHOB.

Der Faktor Zeit

Neben waldbaulichen Maßnahmen müssen – dort wo es möglich ist – schleunigst weitere Kampfmittel beseitigt werden. Schließlich können die sich bei großer Hitze selbst entzünden und somit neue Waldbrände verursachen und Leben gefährden. An Standorten wie Jüterbog ist es dafür aber eigentlich schon zu spät: Die inzwischen hochgewachsenen Wälder müssten dafür vollständig gerodet werden. Kosten: mindestens 10.000€ pro Hektar.

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Verbliebene Kampfmittel auf ehemaligen Truppenübungsplätzen müssen schleunigst beseitigt werden © IMAGO / IPON

Priorität sollte es also sein, schnellstmöglich die richtigen Bedingungen in der Landschaft zu schaffen. Damit sich heimische Laub- und Mischwälder wieder etablieren können. Dazu gehört auch die Verringerung der Wasserentnahme aus unseren Böden: Die Tage großer Beregnungsanlagen, die riesige Biogas-Maisäcker bewässern und dabei Jahr für Jahr der Landschaft das Grundwasser entziehen, sollten längst gezählt sein. Vielerorts sind sie leider immer noch gängige Praxis. Die Politik ist gefragt und sollte die Genehmigungen für solche Anlagen schnellstmöglich aussetzen.

Vorsicht im Wald

Aber auch ihr könnt euren Beitrag leisten. Mindestens 40 Prozent der Waldbrände gehen laut Umweltbundesamt nachweisbar auf Fahrlässigkeit und Vorsatz zurück. Die Dunkelziffer könnte viel höher sein, denn mehr als die Hälfte der Ursachen ist ungeklärt.

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Mindestens 40 Prozent der Waldbrände sind auf Fahrlässigkeit und Vorsatz zurückzuführen © IMAGO / Pond5

Daher gilt vor allem in trockenen Regionen besondere Vorsicht: Achtet auf Waldbrandgefahrenstufen und meldet Verstöße sofort bei der örtlichen Försterei oder Polizei. Wenn wir alle rücksichtsvoll handeln und alle gemeinsam daran arbeiten, Brandenburg widerstandsfähiger gegen die Dürre zu machen – dann haben unsere Wälder auch in der zunehmenden Klimakrise noch eine Chance.

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5 Gründe, warum der Amazonas nicht Bolsonaro wählen würde

Brasilien wählt — und die Welt hält den Atem an. Denn es geht nicht nur um den Präsidenten, sondern auch um den Amazonas.

Der amtierende Präsident Jair Bolsonaro kandidiert erneut. Gegenkandidat ist Ex-Präsident Lula da Silva. Es ist kein Geheimnis, dass Naturschützer Bolsonaro bei einer Abwahl keine Träne hinterherweinen würden. Unter Bolsonaro hat sich der Raubbau am Amazonas nochmals verschärft, seine Politik ist eindeutig ganz klar für die zunehmende Zerstörung des Amazonas verantwortlich.

1) Bolsonaros Politik führt zu Abholzen

Der Amazonas ist einer der größten Naturschätze. Auch Bolsonaro findet den Amazonas wichtig. Er sieht ihn vor allem als Chance, mit der seine Anhänger richtig viel Geld machen können. Er möchte den Amazonas „entwickeln“. Das heißt mehr Landwirtschaft, mehr Infrastruktur, mehr Rohstoffabbau. Und weniger Schutzgebiete, weniger Rechte für Indigene, weniger Umweltgesetze – weniger Natur.

Während seiner Amtszeit ist die Abholzung stark gestiegen. Eine Fläche größer als Schleswig-Holstein ging verloren — pro Jahr!

Amazonas Bolsonaro: Indigene Demonstration und Polizei
Wir müssen die Indigenen beim Kampf um ihre Rechte und ihre Heimat unterstützen! © picture alliance / AP Images | Eraldo Peres

An vorderster Front im Kampf gegen Entwaldung stehen die Indigenen, die den Wald verteidigen und ihr Leben riskieren. Wie es gerade so eindrucksvoll in dem Film „The Territory“ zu sehen ist. Bolsonaro hat für die Indigenen, ihre Rechte und ihre Heimat nicht viel übrig. 2017 sagte er im Wahlkampf: „Kein einziger Zentimeter wird als Schutzgebiet für Indigene ausgewiesen.“ Und genauso kam es.

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2) Bolsonaro intensiviert Landwirtschaft

Der Amazonas wird hauptsächlich gerodet für Rinderweiden und Soja, das bei uns in den Futtertrögen von Schweinen, Kühen und Hühnern landet. So hängen unsere Bratwurst und unser Gouda damit zusammen. Da die Nachfrage nach Fleisch weltweit steigt, wittert Bolsonaro bessere Geschäfte und sagt: „Abholzung und Feuer werden niemals enden.“

Brasilien Amazonas: abgeholzter Regenwald im Gebiet der Madiha, auch Kulina,
Unter Bolsonaro wurde deutlich mehr abgeholzt © imago / Joerg Boethling

Ganz nebenbei bemerkt wurden unter Bolsonaro auch 1500 neue Pestizide zugelassen. Viele davon gelten auch als schädlich für uns Menschen und sind in Europa verboten.

3) Mehr Gold-Abbau unter Bolsonaro

Goldsucher hinterlassen schon seit Jahren regelrecht ein Schlachtfeld an Zerstörung. Inklusive Kinderarbeit und Quecksilbervergiftungen. Das hat natürlich erhebliche Folgen für die Gesundheit der Menschen vor Ort und die Umwelt. Wir wissen allein von über 2500 illegalen Goldminen.

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Im Februar 2022 unterzeichnete Bolsonaro ein Dekret, dass illegalen Goldabbau legal macht! Die Bestrafung krimineller Goldgräber soll erschwert werden. Das ist ein Freifahrtschein! Er rechtfertigte diese Gesetze mit Ressourcenmangel durch den Krieg gegen die Ukraine. Die Folgen sind kaum auszumalen: Allein im letzten Jahr sind 20.000 illegale Goldgräber in das Yanomami Schutzgebiet eingedrungen. Vieler Orts herrscht Mord- und Totschlag.

Amazonas Goldmine
So sieht Goldabbau am Amazonas aus © Edward Parker / WWF

4) Bolsonaro schwächt die Umweltbehörden

Bolsonaro hat kurzerhand das Geld für Umweltministerium und Umweltbehörden um ein Drittel reduziert. Sein Kalkül ist leicht zu durchschauen: Er will sie schwächen, damit er weniger Gegenwind bekommt. Von Umweltschutz hält er eh wenig. Das sei nur etwas für Leute, die Grünzeug essen.

5) Täuschen und Lügen

Vielleicht lebt Bolsonaro in einer anderen Realität. Oder er biegt sie eben zurecht, bis sie zu seiner Politik passt. Der Amazonas sei eine „Jungfrau“, sagt er einmal — und die sei nun bedroht. „Perverse“ wollten über den jungfräulichen Amazonas herfallen. Die in seiner Amtszeit grassierenden Feuer am Amazonas bezeichnete er als „Lüge“. “Tropischer Regenwald kann kein Feuer fangen”, behauptete Bolsonaro. Manchmal gibt er aber doch zu, dass es Feuer gibt. Die Schuld an den Bränden schiebt er aber auf Andere. Weil ihnen die Regierung Geld gestrichen habe, könnten sich Umweltorganisationen mit dem Anzünden des Waldes rächen, fantasierte Bolsonaro.  Und wer sonst als Leonardo DiCaprio soll diese Brände finanziert haben. Es wäre lustig, wenn es nicht so traurig wäre.

Warum die Amazonas-Politik so besonders wichtig ist

Der Amazonas-Regenwald verschwindet in alarmierendem Tempo. Daran wird der Wahlausgang am Sonntag erstmal nichts ändern. Er könnte an einen Kipppunkt gelangen, ab dem er sich nicht mehr erholen kann. Forscher gehen davon aus, dass dieser Punkt bei 20 Prozent, maximal 25 Prozent Verlust erreicht ist. Aktuell sind wir bei 18 bis 20 Prozent. Ein Großteil des Amazonas würde sich dann in eine Savanne verwandeln. Seine Funktion Treibhausgase zu absorbieren und Wasser zu recyceln wären damit verloren, ganz zu schweigen von der einzigartigen Biodiversität. Der Amazonas wäre nicht mehr die grüne Lunge unseres Planeten.

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Eines ist sicher: Wird Bolsonaro erneut Präsident, dann geht seine Politik auf Kosten des Amazonas weiter. Er hat bereits jetzt schon weitere verheerende Gesetze in der Schublade, wie Amnestie für Landräuber, die Freigabe von indigenen Territorien und Schutzgebieten für Landwirtschaft oder die Kontrolle des Obersten Gerichtshofs. Es ist die letzte Instanz, die ihm Einhalt gebieten kann.

Doch es gibt noch Hoffnung für den Amazonas. Die Brasilianer können sich an der Urne für einen anderen Weg entscheiden. Wir können die Ursachen der Abholzung durch unseren Konsum und unsere Politik beeinflussen. Und wir können die Indigenen vor Ort im Kampf für den Amazonas unterstützen. Wir können es schaffen. Helft uns dabei!

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“The Territory”: Der Kampf um den Amazonas

Der Dokumentarfilm “The Territory“ lässt uns über eine Zeit von drei Jahren in den Kampf des indigenen Volkes der Uru-eu-wau-wau um ihre Heimat im Amazonas Bundesstaat Rondônia eintauchen. Ein wichtiger, fesselender, ein dringlicher Film — mit einer Besonderheit.

Protagonisten des Films sind der junge Anführer der Uru-Eu-Wau-Wau, Bitaté, und Neidinha, die Leiterin der lokalen NGO Kanindé. Mit beiden arbeitet WWF Deutschland seit 2021 direkt zusammen, um sie bei ihrem Kampf und den anderer indigener und traditioneller Völker in Brasilien zu unterstützen.

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Neidinha, die Mentorin von Bitaté und Direktorin von der WWF Partnerorganisation Kanindé, auf einer kürzlich illegal gerodeten Fläche im Territorium der Uru Eu Wau Wau © Marizilda Cruppe / WWF-UK

Der Kampf um die Gebiete der Indigenen im Amazonas tobt seit Jahrzehnten. Er spitzt sich aber immer dramatischer zu. In den 1970er Jahren erlebte der brasilianische Bundesstaat Rondônia intensive soziale und ökologische Umwälzungen, als Zehntausende, meist verarmte Stadtbewohner und landlose Lohnarbeiter dorthin zogen, um dem Versprechen der Regierung auf freies Land und dem Traum vom eigenen kleinen Stück Paradies nachzujagen. Es folgte ein Frontalangriff auf den Regenwald. Von der einzigen damals existierenden Hauptstraße abzweigend, schlugen die Siedler immer weiter verästelte Straßen in den Dschungel. Sie rodeten und besetzen Parzellen, um Platz für Acker- und Weideland zu schaffen.

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Wie sich das Muster aus Feldern, Straßen und Weideland einem Fischgrätenmuster gleich in den Urwald frisst, zeigt der Film gleich zu Beginn eindrücklich: Im Zeitraffer der historischen Entwicklung schrumpft der Regenwald weiter und weiter. Was bleibt, ist ein klar abgegrenztes Stück Erde: The Territory — das Territorium der Uru-Eu-Wau-Wau!

Dieser momentane Endpunkt einer Entwicklung ist das Sinnbild für alles, worum es in der Realität geht. In diesem Augenblick. Hier die Farmer, die für sich ein neues Leben schaffen wollen. Auf der anderen Seite die Indigenen, die ihr Land verteidigen. Der Film gibt beiden Perspektiven Raum.

Gegen eingeschleppte Krankheiten sind die Indigenen wehrlos

Die neu angekommenen Siedler betrachteten die indigene Bevölkerung als Feinde. Bei dem verzerrten Konflikt mit fliegenden Kugeln auf der einen und fliegenden Pfeilen auf der anderen Seite waren die Uru-Eu-Wau-Wau natürlich die Verlierer. Noch verheerender als die Gewalt waren die von den Siedlern eingeschleppten ansteckenden Krankheiten. Die indigenen Völker hatten dagegen keinen Imun-Schutz.

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Entwaldung am Uru-eu-wau-wau-Schutzgebiet © Andre Dib / WWF-Brazil

Während die Bevölkerung Rondônias in den 1970er und 80er Jahren um 15 Prozent pro Jahr anstieg, sank die Zahl der Uru-Eu-Wau-Wau von mehreren Tausenden auf knapp 200! Die Uru-Eu-Wau-Wau hatten aber auch Verbündete. Durch den Einsatz der Nationalen Behörde für Indigene (FUNAI), wurde 1991 die offizielle administrative Abgrenzung des indigenen Gebiets Uru-Eu-Wau-Wau genehmigt – des  Territoriums, um das in dem Film geht. Während anderswo in Rondônia die Wälder für Rinderfarmen und Sojaplantagen abgeholzt wurden, ist ihr 1,8 Millionen Hektar großes Reservat eine der letzten Bastionen unberührten Regenwaldes. Mindestens vier Gruppen isolierter indigener Nomaden wandern noch immer in den Tiefen Regenwalds, wie wir in dem Film erfahren.

Neue Angriffe unter Bolsonaro

Doch heute sind die überlebenden Mitglieder des Volkes einem erneuten Angriff ausgesetzt. Der Film beginnt 2018 wenige Tage vor der Machtübernahme des rechtsextremen Präsidenten Bolsonaro. Bitaté und Neidinha verfolgen die Übertragungen der Hetzparolen des Präsidenten gegen die Indigenen mit Entsetzen. Sie ahnen was nun kommt. Die neue Attacke auf das Territorium der Uru-Eu-Wau-Wau wird durch Bauernvereinigung von Rio Bonito geführt. Die ist überzeugt, dass “die Indianer” zu viel Land haben. Skrupellos legen sie Feuer, roden und besetzen das Land. Die Kamera ist auch bei ihnen ganz nah dabei und schafft es, auch ein menschliches Bild der Invasoren zu zeichnen. Als perspektivlose Bauern, die von ihrem eigenen Land träumen und Gott und den Präsidenten auf ihrer Seite wähnen.

Einer meiner wenigen Kritikpunkte an dem Film ist, dass die mafiösen Strukturen der Großgrundbesitzer, die eigentlich hinter dem Landraub stehen, nur an einer Stelle benannt werden.

Der Konflikt um den Amazonas eskaliert

Der Konflikt eskaliert, als der sympathische Indigene Ari ermordet wird. Angeführt vom jungen Bitaté nehmen die Uru-Eu-Wau-Wau den Schutz ihrer Heimat nun selbst in die Hand. Sie patrouillieren ihr Gebiet, nehmen Beweise auf und verbrennen die Besitztümer der Eindringlinge auf ihrem Land. Der Kampf der Uru-Eu-Wau-Wau für den Schutz ihres Territoriums ist in ihrer uralten Verbindung zum Land verwurzelt. Bitaté beschreibt es so: “Wir haben eine besondere Liebe und Fürsorge für unser Territorium, weil unsere Vorfahren von dort stammen. Es ist der Ort, an dem die ganze Weisheit liegt. Unsere Kultur, unsere Traditionen, unsere traditionellen Lebensmittel und Heilpflanzen sind alle im Wald. Das ist ein Reichtum, den wir für künftige Generationen bewahren wollen. Deshalb haben wir für dieses Gebiet gekämpft. Und tun es immer noch”.

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Die wichtigste Waffe der Uru-Eu-Wau-Wau in diesem Kampf sind Kameras, Drohnen und GPS Geräte. Die Älteren hatten nicht die Möglichkeit, derartige Technologie zu nutzen. Bitaté hingegen hat handfeste Beweise.

Der Film zeigt nicht nur den verzweifelten Kampf gegen Umweltzerstörung und Landraub, sondern gibt den Uru-Eu-Wau-Wau eine Stimme. Auch im Rahmen des Films. Statt als privilegierter, weißer Filmemacher eine marginalisierte Gruppe als sympathische Opfer darzustellen, macht der Regisseur Pritz die Uru-Eu-Wau-Wau  zu Co-Produzenten des Films. Und lässt sie selbst die Kamera führen.

Territory Film: Amazonas Uru Eu Wau Wau überwachen ihr Territorium gegen illegale Eindringlinge
Amazonas Uru Eu Wau Wau überwachen ihr Territorium gegen illegale Eindringlinge © Marizilda Cruppe / WWF-UK

„The Territory“ ist dadurch ein authentisches Porträt einer bedrohten Gemeinschaft im Kampf um Heimat und Selbstbestimmung. Gleichzeitig mahnt der Film aber auch, dass das Schicksal der Uru-Eu-Wau-Wau und aller anderen Stämme eng mit unserem verknüpft ist. Denn die indigenen Territorien haben eine große Bedeutung für den Erhalt der biologischen Vielfalt. Und für die Bekämpfung des Klimawandels weltweit. Allein in Brasilien leben etwa 305 indigene Gruppen mit unterschiedlichen Weltanschauungen und über 270 Sprachen. Ihre Gebiete nehmen 13 Prozent der Fläche Brasiliens ein. 97 Prozent ihrer natürlichen Vegetation ist noch erhalten!

Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im Oktober 2022 hat sich die Lage für die indigenen Völker nun noch einmal extrem verschärft. Es herrscht ein Klima der Angst und Gewalt in Brasilien, Waldbrände und illegale Abholzungen sind auf ungebremstem Rekordkurs.

Der Film ist am 18. und 23.10 im Rahmen des Human Rights Film Festival in Berlin zu sehen. (https://www.humanrightsfilmfestivalberlin.de/de). Streaming wird auf Disney+ im Dezember erwartet. Mehr Info zum Film findet ihr hier: https://films.nationalgeographic.com/the-territory

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Neophyten: Wie gefährlich sind eingeschleppte Pflanzen?

Als Neophyten werden üblicherweise Pflanzen bezeichnet, die seit der „Entdeckung“ Amerikas nach 1500 und damit dem Beginn des globalen Warenverkehrs bei uns absichtlich eingeführt oder eingeschleppt wurden und sich dann in der freien Natur ausgebreitet haben. „Neophyt“ bedeutet dabei lediglich: Neue Pflanze.
Doch Neophyten haben einen schlechten Ruf und viele Laien und auch Naturschützer:innen denken an solche Arten mit Grausen: Der Riesen-Bärenklau kann schlimme Verbrennungen verursachen. Die kanadische Goldrute verdrängt geschützte Orchideen und die Ambrosie ist für Allergiker schlimmer als jede andere Pflanze in Deutschland. So gibt es seit Jahrzehnten einen regelrechten Kulturkampf gegen die „Ausländer“ unter den Pflanzen. Ungerechtfertigt, wie ich finde. Ich möchte deshalb für mehr Toleranz gegenüber diesen Zuwanderern werben:

Neophyten sind nicht so schlecht wie ihr Ruf!

Die allermeisten Neophyten verursachen überhaupt gar keine Probleme und verdrängen keine heimischen Arten. Viele von ihnen bereichern unsere Ökosysteme. Auch Weizen, Walnuss, Kulturapfel – oder Blumen und Heilpflanzen wie Klatschmohn, Kornblume, Echte Kamille und Kornrade sind ursprünglich nicht bei uns zuhause, sondern durch den Menschen zu uns gekommen.
Kartoffel, Tomate, Aubergine, Mais, Kürbis und viele andere stammen zum Beispiel aus Amerika. Ohne „eingeschleppte“ Getreide‑, Obst- und Gemüsearten sähe es mit der Ernährung bei uns ganz schön trostlos aus. Vor der Einführung der Kartoffel aßen die meisten Mitteleuropäer den ganzen Tag Getreidebrei oder Brot. Als Gemüse gab es nur wenig dazu: Rüben, Kohl und Linsen.

Was sind Neophyten? Warum sind sie ein Problem? Woran erkennt man sie und was kann man tun?
Auch die Kastanie war hier einst nicht heimisch © CHROMORANGE / IMAGO

Warum wird zwischen alten und neuen eingeschleppten Pflanzen unterschieden?

Etwa 12.000 Pflanzenarten sind seit 1500 zu uns gekommen. Die meisten davon werden in Gärten und Parks gehalten oder angebaut. Nur etwa 100 Pflanzen sind so „eingebürgert”, dass sie als Teil unserer heimischen Flora angesehen werden. Pflanzen, die schon vorher seit der Steinzeit zu uns gelangt und heute fester Bestandteil unserer heimischen Flora sind, bezeichnet die Wissenschaft hingegen als „Archaeophyten“ (Alte Pflanzen). Diese Einteilung ist aber eigentlich völlig willkürlich.
Warum sollten Arten, die nach 1500 zu uns gelangt sind, für unsere Natur gefährlicher sein als solche, die um 1400 oder zur Zeit der Geburt Christi kamen? Und sind sie gefährlich invasiv? Wie verhält es sich mit den Arten, die aus dem Garten flüchten? Sind sie nun gut oder schlecht? So einfach ist das nicht. Deshalb will ich mich heute genauer mit dem Phänomen Neophyten beschäftigen und einige Arten näher betrachten, die geschmäht werden.

Riesen-Bärenklau: Gesundheitsgefährdend und breitet sich aus

Wie sehen Neophyten aus? Neophyt Riesen-Bärenklau
Riesen-Bärenklau © imagebroker / IMAGO

Der Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum) wird auch Herkulesstaude genannt, weil er über drei Meter hoch wird. Er wurde im 19. Jahrhundert als Zierpflanze sehr beliebt. Ihre eigentliche Heimat hat die Herkulesstaude im Kaukasus. Aufgrund der späten Blüte ist sie eine wichtige Nahrungspflanze für Bienen. An Lichtungen im Wald wurde sie als Deckungspflanze für das Wild angepflanzt. Schnell hat sie die frischen, nährstoffreichen Standorte entlang von Fließgewässern besiedelt, so dass dadurch tausende von Samen flussabwärts verbreitet wurden. Sie wächst auch an Acker- und Grünlandstandorten und kann mit ihrer Größe und den immensen Blattflächen andere Arten verdrängen.

Wie problematisch ist der Riesen-Bärenklau?

Gelangt der Saft des Riesen-Bärenklaus auf die Haut, führt schon eine geringe Sonneneinstrahlung zu schlimmen Verbrennungen, oft mit Blasenbildung, deren Folgen monatelang anhalten können. So wird der Riesenbärenklau aus dem Kaukasus zum Opfer wahrer „Kreuzzüge“ gegen ihn. Aber: Der einheimische Bärenklau verursacht dieselben Verbrennungen und ist nicht dem Furor der Fremdenfeinde ausgesetzt.

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Der vom Riesen-Bärenklau ausgehende ökologische Schaden wird im Vergleich mit anderen invasiven Neophyten wie beispielsweise der Späten Traubenkirsche oder der Gewöhnlichen Robinie eher überschätzt. Es ist keine Art bekannt, die durch den Riesen-Bärenklau bedroht ist. An Flüssen und Bächen kann die Pflanze aber die Gefahr der Ufererosion erhöhen.

Ambrosie bedroht die Gesundheit

Warum sind Neophyten ein Problem?
Ambrosia artemisiifolia oder Beifußblättriges Traubenkraut © PantherMedia / IMAGO

Ebenfalls ernsthaft gesundheitsgefährdend ist die Ambrosia artemisiifolia, auch Beifußblättriges Traubenkraut genannt. Die Ambrosie ist ein Neophyt, der in Nordamerika weit verbreitet ist und von dort unbeabsichtigt nach Europa gebracht wurde. Sie wächst besonders gern auf gestörten Böden, so beispielsweise an Straßenrändern, in Kiesgruben, an Bahndämmen, auf Baustellen und Schutthalden. Die häufigsten Wuchsorte sind aber Gärten, vor allem unter Vogelfutterplätzen: Mit Ambrosia-Samen verunreinigtes Vogelfutter ist der Haupteinfuhrweg!

Die Allergene der Ambrosia können auch bei Nicht-Allergiker:innen tränende Augen, Asthmaanfälle und Ekzeme verursachen. Die Pflanze blüht erst spät im Jahr, verlängert damit die Allergie-Saison und breitet sich rasch aus. Deshalb könnte sie zum Problem für unser Gesundheitssystem werden. Auch in ihrer Heimat Amerika verursacht die Pflanze große Gesundheitsprobleme. Daran sieht man, dass nicht nur Neophyten Schwierigkeiten bringen.

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Verschleudert seine Samen: Indisches Springkraut

Das Drüsige oder Indische Springkraut (Impatiens glandulifera) kam als Zierpflanze aus den Höhen des Himalajas zu uns. Es ist eine einjährige Pflanze, die in kurzer Zeit über zwei Meter hoch werden kann. Die großen purpurnen Blüten sind schön anzusehen und ein Paradies für Bienen: Das Indische Springkraut stellt etwa vierzigmal so viel Nektar her wie eine vergleichbare heimische Pflanze. An Flüssen und Bächen verdrängt das Springkraut aber einheimische Pflanzen, indem es seine Unmengen von Samen bei der kleinsten Berührung bis zu sieben Meter weit schleudert. Nach der Blüte im Herbst hinterlässt das Wildkraut an den Ufern kahle Stellen, die Erosionsgefahr steigt.

Ghettopalme oder Götterbaum?

Wie viele Neophyten gibt es in Deutschland? Was kann man gegen sie tun?
Götterbaum trotzt allen Widrigkeiten © apugach / iStock / Getty Images

Beides beschreibt den Baum ganz gut, der neuerdings besonders das Berliner Stadtbild stark prägt. Götterbaum, weil er extrem rasch wächst, bis zu vier Meter pro Jahr. Damit streckt er seine Krone schneller den Göttern entgegen, als jeder andere europäische Baum.  Ghettopalme, weil der Baum mit den fiedrigen Blättern selbst im kleinsten Betonspalt und unter widrigen Stadtbedingungen mit Luftverschmutzung und urinierenden Hunden gut gedeiht.

Der Götterbaum stammt ursprünglich aus China. Während des Wiederaufbaus in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg wurde er zum „Trümmerbaum“, weil er auch hier allen Widrigkeiten trotzte. Jahrelang pflanzte man ihn gerne in Parks, bis man sich seiner invasiven Eigenschaften bewusst wurde. Doch wo nichts anderes wächst, sollten wir uns über „Ghettopalmen“ in widrigen Betonwüsten lieber freuen, als sie zu verteufeln.

Robinie: Düngt da, wo man es nicht braucht

Neophyten - was ist das?
Robinie: Herrlich duftende Blüten © IMAGO / blickwinkel

Sicher habt Ihr die Robinie (Robinia pseudoacacia) mit ihren knorrigen Ästen und der wunderbaren, weißen Blütenpracht schon einmal gesehen. Sie wächst an Bahndämmen, auf trockenem, gestörtem Boden und wird gerne in Parks und Gärten gepflanzt. Auch wird sie in Wäldern gezielt angebaut, da man aus ihrem Holz haltbare Gartenmöbel herstellen kann und es eine Alternative zu importiertem Tropenholz darstellt. Vor vierhundert Jahren wurde sie nach den meisten Berichten vom französischen Hofgärtner und Apotheker Jean Robin nach Paris gebracht und sorgte dort für Staunen unter den Adligen, die bald die Pflanze wegen ihres Blütenduftes und den herrlichen Blüten in ihren Schlossparks anpflanzten. Der Baum ist eine wundervolle Bienenweide. Mit der Zeit verbreitete sich die Robinie über ganz Europa, Afrika, West- und Ostasien.

Mancherorts ist die Robinie jedoch eine invasive Pflanzenart geworden. Sie reichert nämlich den Boden mit Stickstoff an, „düngt“ ihn also. Dies kann vor allem seltene Biotop-Typen wie Magerrasen, Kalkmagerrasen und Sandtrockenrasen bedrohen. Seltene dort lebende Arten, die sich besonders auf die Nährstoffarmut eingestellt haben, können verdrängt werden.

Wenn Neophyten zum Problem werden: Japanischer Staudenknöterich

Was kann man gegen Neophyten tun?
Japanknöterich erobert Flussufer im Sturm © Wolfgang Smilinger / IMAGO

Bis zu 25 Zentimeter am Tag wächst der Japanknöterich (Reynoutria oder Fallopia japonica) und kann vier Meter hoch werden. Sein dichtes Blätterdach nimmt anderen Pflanzen das Licht. Seine zwei Meter tief reichenden Wurzeln machen Felder für den Anbau anderer Pflanzen unbrauchbar. Die Wildstaude kam 1825 als Zier- und Futterpflanze nach Europa und erobert seitdem unsere Flussufer, Waldränder und Bahndämme im Sturm.

Was tun gegen Neophyten?

Kann man dafür sorgen, dass eingeschleppte Pflanzen wieder verschwinden? Wenn die „Fremden“ sich einmal eingebürgert haben, hat man so gut wie keine Chance, sie wieder loszuwerden. Sicher kann man da und dort in der Natur „gärtnern“, also ausreißen, abmähen, ausgraben. Und wenn man froh ist, alle „Ausländer“ ausgerottet zu haben, sind doch noch Samen im Boden oder werden von Wasser und Wind herbeigetragen – und es geht alles von vorne los. Das erinnert mich an Sisyphos, der auf ewig einen Felsblock einen Berg hinaufwälzen musste, welcher, fast am Gipfel, jedes Mal wieder ins Tal rollte. Auf kleinen Flächen geht das vielleicht, wenn man jedes Jahr mit vielen ehrenamtlichen Helfern großen Aufwand treibt. Aber überall? Etwas anders sieht es mit Pflanzen aus, die sich noch nicht bei uns etabliert haben und jetzt erst zu uns kommen. Wenn man da hinterher ist, kann man vielleicht eine größere Verbreitung von wirklich invasiven, schädigenden Arten aufhalten. Und das sollte man auch tun.

Bitte nicht so fremdenfeindlich!

Nur einige wenige neue Pflanzen stören unsere Ökosysteme. Noch weniger sind gesundheitsgefährdend. Da durch die Eiszeiten viele ursprünglich bei uns heimische Arten ausgestorben sind, ist in zahlreichen ökologischen Nischen noch Raum für neue Arten. Die mitteleuropäischen Ökosysteme haben im Laufe der Eiszeiten eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber neu eingewanderten Tier- und Pflanzenarten entwickelt. Sie können ohne negative Folgen von neuen Arten besetzt werden. Schon seit dem Ende der letzten Eiszeit vor 10.000 Jahren wandern Arten nach Mitteleuropa ein. Die neuen Pflanzenarten fügen sich in diese Geschichte der Zuwanderung ein. Der Klimawandel verstärkt diese Dynamik. Angesichts der Erderhitzung können wir davon ausgehen, dass sich die Verbreitungsgebiete zahlreicher Arten signifikant verlagern werden. Der Naturschutz muss sich in Zukunft verstärkt dem Schutz dieser Zuwanderer widmen. Insbesondere sollten wir solche Arten tolerieren, die in früheren Warmzeiten, also zwischen den Eiszeiten, bereits in Mitteleuropa einheimisch waren.

Der Beitrag Neophyten: Wie gefährlich sind eingeschleppte Pflanzen? erschien zuerst auf WWF Blog.