Grüne Welle – wie der WWF nationale Klimabeiträge bewertet

Sie sind euch bestimmt an der ein oder anderen Stelle schon begegnet: Die NDCs sind das Herzstück des Pariser Klimaabkommens. Diese “Nationally Determined Contributions” sind die nationalen Beiträge von Staaten zur Umsetzung des Pariser Abkommens: Jedes Land legt seine Emissionsziele und Klimapläne fest und reicht sie beim Klimasekretariat der Vereinten Nationen ein. Um in der Summe der Klimabeiträge die Ziele des Pariser Abkommens erreichen zu können, sollen diese alle fünf Jahre überprüft und nachgebessert werden. 2020 war die erste Überarbeitung der Klimabeiträge vorgesehen, allerdings wurde die Klimakonferenz aufgrund der COVID-19 Pandemie verschoben und damit haben die Staaten noch etwas Aufschub für ihre überarbeiteten NDCs bekommen.

Erst vor kurzem hatten wir euch berichtet, dass die bisher eingereichten Ziele nicht annährend ausreichen um das Ziel die Erderhitzung auf 2- (geschweige denn das 1,5-) °C  zu begrenzen und dass die EU ihr NDC nicht im ausreichenden Maß nachgebessert hat.

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Mittlerweile gibt es Anlass zur Hoffnung: Nach dem Amtseintritt Joe Bidens sind die USA wieder in das Pariser Klimaabkommen eingetreten. Das könnte der Beginn einer neuen Dynamik sein und dazu führen, dass mehr Staaten ihre Klimaschutz-Ambitionen erhöhen und verbesserte NDCs einreichen.

Doch wie geht man mit diesen neuen Vorschlägen am besten um?

Es ist gar nicht so leicht die NDCs der verschiedenen Länder zu vergleichen und zu bewerten. Bei den Emissionszielen beispielsweise nehmen viele Länder unterschiedliche Basisjahre. Während die EU ihre geplante Emissionsminderung im Vergleich zum Jahr 1990 angibt, geben die USA sie im Vergleich zu 2005 an. Das erschwert natürlich die Vergleichbarkeit. Ganz allgemein ist es gar nicht so einfach nachzuvollziehen: Was ist ein ambitioniertes, gutes Ziel und hilft uns das die 1,5‑Grad-Grenze einzuhalten – und was ist definitiv zu wenig?

Was ist ein gutes Ziel? Eine neue Methodik

Deswegen hat der WWF ein Werkzeug zur Bewertung der NDCs entwickelt: Die Checkliste #NDCsWeWant, mit der die neu eingereichten nationalen Klimabeiträge im Vergleich zu den ursprünglichen NDCs systematisch beurteilt werden können.

Die Liste beinhaltet zwanzig verschiedene Faktoren zur Messung des Fortschritts bei den Klimazielen in fünf Bereichen:

  1. Ambitionen der NDCs
  2. Förderung des Systemwandels
  3. Einbeziehung und Mitwirkung
  4. Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung
  5. Verfolgen des Fortschritts

Eine Weltkarte voller Ampeln

Das Ergebnis dieser Liste seht ihr hier: Eine Weltkarte mit allen Ländern, die schon ein neues NDC eingereicht haben, mit einem Ampelsystem, das zeigt wo das jeweilige Land steht. Leider ist diese Karte (noch) voller roter, orangefarbener und gelber Ampelfarben. Das sind die NDCs „we don’t want“, die zu wenig ambitioniert sind und zu wenig zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen. Auch die EU beispielsweise hat wegen ihrer zu geringen Emissionsreduktionen nur ein gelbes Ampelzeichen.

Fallbeispiel Lateinamerika und Karibik

Auch für eine regionale Übersicht bietet die Checkliste eine gute Grundlage. Wir haben einen neuen Bericht mit einer regionalen Einordnung der NDCs und ihrer Bewertungen von 15 Ländern Lateinamerikas und der Karibik vorgelegt.  Lateinamerikas und Karibik umfassen eine Vielzahl von Ökosystemen, darunter natürlich auch der bedeutsame Regenwald. Hier gibt es zunehmend extreme Wettereignisse infolge der globalen Erderhitzung. In Konsequenz haben fast alle Länder in der Region ihre NDCs verbessert. Fünf Länder haben in der NDC-Bewertung bereits eine grüne Ampel erhalten: Kolumbien, Suriname, Panama, Costa Rica und die Dominikanische Republik haben sich solche NDCs gesetzt, wie wir sie uns wünschen.

Klimaziele: Sturm über der Karibik
Einige Staaten in der Karibik stehen bei den Klimazielen auf Grün © Valio84sl / iStock/GettyImages

Weniger erfreulich sind jedoch die Entwicklungen in den größten Volkswirtschaften, Brasilien und Mexiko. Statt ihre NDCs ambitionierter zu gestalten, glänzen sie mit Rechentricks. Sogar mit steigenden Emissionen können sie ihre gesetzten Ziele erreichen. Das ist natürlich Augenwischerei und schlicht enttäuschend, noch mehr wegen einer besondere Vorbildfunktion in der Region. Insgesamt reichen aber – wie im Rest der Welt – die Klimaziele nicht aus, um die globale Temperaturerhöhung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

NDCs als Chance

Noch ist ein Zeitfenster bis zur internationalen Klimakonferenz in Schottland im November. Mit unserer Bewertung der NDCs rufen wir alle Staatsoberhäupter dazu auf ihre nationalen Beiträge zum Klimaschutz nochmal zu überdenken. Wir glauben, dass die NDCs eine Chance sind, nationale Ambitionen zu verstärken, zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen und Fortschritte im Klimaschutz messbar zu machen.

Mit großen Ambitionen für den Schutz von Mensch und Natur und der Begrenzung der Erderhitzung auf 1,5‑Grad, sind die NDCs das richtige Werkzeug um am Ende vor einer Weltkarte voller grüner Ampeln zu stehen. Dafür brauchen wir jetzt schnelles und effektives Handeln von allen Ländern.

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Nur Mut! Der ESC und das Klima

Was geht denn beim ESC, beim Eurovision Song Contest? Gewöhnliche Popmusik muss sich immer, sonst würde sie niemand hören, um die immergrünen Themen drehen: Liebe in all ihren Formen und Anerkennung. Beim Eurovision Song Contest muss es immer um Populäres gehen, um Pop eben — aber die Bandbreite der Themen ist vielfältiger. Am Ende geht’s dort, wie am Samstag, 22. Mai, im Finale und den beiden Vorrunden am 18. und 20. Mai, um Punkte und Plätze. Zu gewinnen ist schwierig, wobei es traditionell allen teilnehmenden Ländern vor allem darauf ankommt, nicht Letzter zu werden: Wie peinlich wäre das denn?

Klima im ESC, geht das?

Aber geht beim ESC Politisches, Klimapolitisches, sind Lieder zu bringen möglich, die einen umweltpolitischen Kern haben? Ein bisschen wenigstens. Direkt Politisches ist verboten, Propaganda und direktes Politmarketing ist strikt untersagt. Deshalb ist für den ESC in Rotterdam auch Weißrussland nicht am Start. Das eingereichte Lied war eine Hymne auf die Politik von Diktator Lukaschenko.

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Aber für die Umwelt, ginge das nicht? Werden das nicht schlimmstenfalls Weltverbesserungsschnulzen? Pop darf ja eine Atmosphäre nicht verströmen: Oh, wichtig, zuhören, schwerpolitisch! Umweltthemen also? Schwer, ganz und gar schwer. Klimafragen sind komplizierte Fragen — und deshalb eignen sie sich nur selten für Pop. Man kann es natürlich probieren. Finnland hat 1982 ein Lied entsandt, es war die Zeit der großen Friedensbewegung, das die Nuklearbombe ablehnte. Das fiel durch, was auch an der eher scheppernden Musik gelegen haben mag. Gewonnen hat damals die Deutsche Nicole mit „Ein bisschen Frieden“. Man konnte lernen: Politische Botschaft müssen menschlich verpackt werden — und positiv. „Schwerter zu Pflugscharen“ wäre als Wortmonstrum schon gescheitert, aber „Ein bisschen Frieden“ ließ sich gut singen, das hat’s gebracht.

Nicole ESC Klima
Ein bisschen Frieden mit der Umwelt, das wünsch ich mir © IMAGO / United Archives

Beim ESC hat es jedoch immer wieder Lieder weit nach vorn gebracht, die mehr als nur Liebe „transportieren“. Sehr oft geht es dann um das „Universum“, um die „Sonne“, um die kalte Pracht des Geldes, wie der Italiener Mahmood vor zwei Jahren beim ESC in Tel Aviv, als er von „Soldi“ sang oder vielmehr rappte.

Der erste Umweltsong — von 1971

Das erste Umweltschutzlied, der allererste Eurovisionssong, der offen und klar den Klimawandel zum Kern der Botschaft machte, war von einer Deutschen gesungen, exakt vor 50 Jahren, beim ESC in Dublin. 1971 war dies Katja Ebstein mit „Diese Welt“.

Im Text heißt das dann so:

„Sternenklare Nächte / Und die Luft ist wie Jasmin. / Flüsse wie Kristall so klar / Und Wälder saftig grün: / Kann es das noch geben / Oder ist es schon zu spät / Daß für alle überall / Dieser Traum noch in Erfüllung geht.“ Und im Chorus heißt es dann: „Diese Welt / Hat das Leben uns geschenkt./ Sie ist dein / Sie ist mein / Es ist schön auf ihr; / Was werden soll / Liegt an dir.“

Noch expliziter die zweite Strophe, getextet von Fred Jay:

„Rauch aus tausend Schloten / Senkt sich über Stadt und Land. /Wo noch gestern Kinder war’n / Bedeckt heut Öl den Strand. / In den Düsenriesen / Fliegen wir dem Morgen zu; / Wie wird dieses Morgen sein / Sinnlos oder voller Sonnenschein.“

Die Ebstein, in den siebziger Jahren eine der wichtigsten und dank ihrer Hippiekulturprägung klügsten Popschlagersängerin in Deutschland, sagte später: „Das Thema der Umweltverschmutzung lag ja längst in der Luft, nur hat man das im Pop nicht so bemerkt. ‚Diese Welt‘ hat das zum Ausdruck gebracht.“

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Ebstein wurde beim ESC mit diesem Lied sehr gute Dritte. Offen ist, ob die Jurys in jenem Jahr die sprachlich ja nicht ganz unkomplizierte Message überhaupt verstanden. Und gut möglich, dass der vorzügliche Gesang der Ebstein zu vielen Punkten beitrug- aber das Umweltthema war damit dem ESC auf der Agenda, vor allen anderen Foren der Popmusik.

Klima auf die Agenda!

In dieser Weise ausdrücklich ist das Umwelt- und Klimathema nie wieder prominent geworden beim ESC. Klima und Pop — das ist ein Verhältnis, in dem man sehr vorsichtig sein muss: Das Eurovisionsfestival ist ja schließlich vor allem dies — europäische Unterhaltung für 150 Millionen in vier Dutzend Ländern. Es wird Zeit, dass sich Texter des Pop wieder mehr riskieren als Liebe und ihre Spielarten singen zu lassen. Dass es geht, den Klimawandel auf die Agenda zu packen, hat schließlich Katja Ebstein bewiesen. Nur Mut!

#voicefortheplanet

Menschen auf der ganzen Welt erheben ihre Stimme und fordern den Schutz des Planeten. #VoiceForThePlanet trägt Ihre Stimme zu den entscheidenden Umwelt- und Klimakonferenzen der Vereinten Nationen. Mitmachen, unterschreiben!

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False Balancing: Wenn Journalist:innen in die Falle tappen

Ich weiß gar nicht mehr so recht, wie früh oder wie oft ich das Mantra vom ausgewogenen Journalismus während meines Studiums und Volontariats gehört habe. Auf jeden Fall hat es sich ähnlich wie die Popper‘sche Falsifikation eingebrannt.

Und das ist auch richtig so: Immerhin beansprucht Qualitätsjournalismus nicht die eine Wahrheit für sich. Er zeigt, welche Sichtweisen bei Themen aufeinanderprallen, welche Meinungen wer in Konflikten vertritt.

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Das ist nicht einmal unbedingt nur im Journalismus so: Schon als Kinder lernen wir doch, dass es unterschiedliche Meinungen gibt und wir uns in andere hineinversetzen sollen, um Streitigkeiten beizulegen.

Erkenntnis versus Meinung

Aber da liegt nun die Krux: Manchmal darf es nämlich nicht um Meinungen gehen, sondern um Erkenntnisse. Um Fakten, die wissenschaftlich belegt sind. Wenn wir etwa über die Klimakrise schreiben, ihre Ursachen und Folgen, muss Ausgewogenheit anders aussehen als das übliche Pro und Contra. Dabei geht es um Fakten, nicht um Meinungen.

Ja doch: Die Wissenschaft ist sich einig

Dann bedeutet Ausgewogenheit, dass sich die nahezu 100 Prozent wissenschaftliche Übereinstimmung zu dem Thema auch so im Bericht niederschlägt. Die wenigen, häufig abseitigen Theorien von Klimaskeptikern hingegen dürfen nicht die Hälfte des Beitrags ausmachen. Das wäre dann verzerrt. „False balancing“ nennt man das Ganze. Beispiele dafür gibt es zuhauf. Das Ergebnis: Viele Menschen glauben an einen wissenschaftlichen Dissens, den es gar nicht gibt.  

Wenn Journalist:innen in die Falle tappen

Die Gegenseite zu Wort kommen zu lassen ist natürlich auch hier nicht verkehrt. Aber sie bekommt allzu oft einen überproportionalen Anteil, gemessen an dem, was wissenschaftlich erwiesen ist. Der Wunsch nach Berücksichtigung aller Seiten lässt Journalist:innen zum Teil noch immer in eine Falle tappen, wenn es um die Erderhitzung geht.

Pro & contra bitte bei den Lösungen

Bei der Diskussion um die Lösungen zur Klimakrise ist ein Pro und Contra wiederum nicht verkehrt. Im Gegenteil. Hier braucht es den Austausch, um am Ende hoffentlich das Beste herauszuholen. Idealerweise natürlich basierend auf belegbaren Fakten, umfassenden Berechnungen.

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Aber ein ausgewogener Artikel über die Grundlagen der Klimakrise – ihrer Treiber, ihrer Auswirkungen – muss eben nicht alle abseitigen Meinungen wiedergeben. Dafür gibt es ja im Zweifel auch immer noch das Internet. Der Artikel muss einordnen. Und dabei die wissenschaftliche Übereinstimmung repräsentieren.

Schwarzer und weißer Schwan
Schwarzer und weißer Schwan © IMAGO / Nature Picture Library

Der menschgemachte Schwan

Womit wir irgendwie auch wieder bei Karl Popper wären – wie kann es auch anders sein. Denn ja: Klimaschwankungen hat es immer gegeben. Sie sind wie die weißen Schwäne. Aber was aktuell passiert, ist nach überwältigendem Konsens der Wissenschaft nicht natürlich: Es ist ein menschengemachter schwarzer Schwan.

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Erneuerbare Energien: Deutschland hat den Anschluss verpasst

Mit Deutschland und der Energiewende ist es ein bisschen so wie mit der Erfindung des Fahrrads. Es wurde viel getüftelt und ausprobiert. Und am Anfang war alles noch sehr teuer. Aber irgendwann stimmte die Technik. Die Energiewende kam ins Laufen, sie hatte quasi endlich zwei gleich große Räder und alle wollten Fahrradfahren.

Mittlerweile aber hat Deutschland vergessen, wie man Fahrrad fährt, während andere Länder schon auf Pedelecs umsatteln. Deutschland, Geburtsland der Energiewende, hat den Anschluss verloren. Das ist nicht nur für unsere Wirtschaft gefährlich: Als eine der größten Industrienationen stehen wir in besonderer Verantwortung, was den Klimaschutz angeht. Aber ohne eine umfassende Energiewende hin zu Erneuerbaren heizen wir die Klimakrise weiter an.

Damit steigt das Risiko für extremes Wetter, auch bei uns in Deutschland. Hitzetage etwa nehmen zu, mit teils schweren Folgen für unseren Kreislauf. Tropische Krankheiten können sich ausbreiten. Dürren auf der einen, Überflutungen auf der anderen Seite gefährden Ernährungssicherheit und Wohlstand. Ein steigender Meeresspiegel vertreibt Millionen Menschen.

Es gibt nichts zu feiern

Leider folgt auf die Dringlichkeit aber noch nicht entschlossenes Handeln. Und so haben wir am Tag der Erneuerbaren am 24. April nichts zu feiern. Im Gegenteil: Der Ausbau sauberer Energie aus Wind und Sonne in Deutschland ist drastisch eingebrochen. 2020 wurden davon gerade einmal 6,3 Gigawatt zugebaut. Nötig wären mindestens 15 bis 20 pro Jahr, wenn Deutschland seine eigenen – ohnehin zu niedrigen – Klimaziele erreichen möchte. Bei Wind waren auch schon einmal vier- bis fünfmal so viel wie 2020, bis die Energiewende ins Stocken kam. Jetzt wurde sogar noch die Ausschreibungsmenge zurückgefahren.

Stattdessen sind noch immer sechs der zehn größten CO2-Schleudern Europas deutsche Kohlekraftwerke. Trotz Kohleausstiegsgesetz. Und das Klimaziel 2020 hat Deutschland nur erreicht, weil es unschöne Schützenhilfe von der Corona-Pandemie bekommen hat. Wir alle wissen, dass dieser Emissionsrückgang nicht nachhaltig bleiben wird.

Deutschland braucht mehr Erneuerbare

Unser gesamtes, zukunftsfähiges System hängt davon ab, dass uns ausreichend Strom aus Wind und Sonne zur Verfügung steht. Auch für den Verkehr: Wenn Tesla jetzt bald aus dem brandenburgischen Grünheide den deutschen Automarkt mit Elektroautos versorgt, brauchen diese Strom aus Erneuerbaren, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

Auch die Industrie braucht den schnellen Ausbau

Und auch die Industrie braucht einen schnellen Ausbau: Kommen jetzt nicht die richtigen  Weichenstellungen aus der Politik, kann es passieren, dass in klimaschädliche Produktionsanlagen reinvestiert wird, die über Jahre Bestand haben. Neben direkter Elektrifizierung ist für die Industrie auch die Förderung Grünen Wasserstoffs wichtig – also solcher, der mithilfe Erneuerbarer hergestellt wird. Denn nur grüner Wasserstoff ist langfristig sinnvoll.

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Augen auf für die Realität

Es ist also Zeit, die Augen zu öffnen und die Realitäten anzuerkennen. Wind und Sonne gehören die Zukunft. Deutschland möchte nicht in einer Flaute stecken bleiben, wenn nun auch die USA wieder mit dem Wind segeln. Wenn sich die Regierungsparteien hoffentlich endlich wieder den neuen Ausbauzielen in der Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) widmen, dann braucht es Verstand und Herz. 2030 sollten 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs aus Erneuerbaren stammen. Nur so kommen wir den Zielen des Pariser Klimaabkommens und der Klimaneutralität bis spätestens 2050 nahe.

Der Platz ist da

Daneben gilt der Blick der Fläche: Erneuerbare benötigen Platz. Wie wir vom WWF berechnet haben, reichen rund zwei Prozent der Landesfläche und die Dachflächen, um Deutschlands Energieversorgung zum größten Teil mit Wind- und Solaranlagen zu decken. Damit diese Flächen aber sozial- und naturverträglich erschlossen werden, ist eine viel bessere Planung und Steuerung auf regionaler Ebene nötig. Dafür braucht es unter anderem mehr personelle und finanzielle Ressourcen für die zuständigen Behörden. Und es braucht einheitliche, wissenschaftliche Kriterien, nach denen Standorte für Erneuerbare ausgewählt werden.

Dabei müssen zwingend auch die Menschen vor Ort eingebunden werden. Es ist unsere Energiewende, unsere Zukunft, die wir mitgestalten wollen und sollen. Dabei geht es auch um die finanzielle Beteiligung etwa an Windparks. Die großen Vorteile, die Wind- und Solarparks mit sich bringen, müssen endlich auch die Standortkommunen unmittelbar spüren.

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Die Erneuerbaren entschlossen auszubauen ist eine Chance auf nachhaltigen Wohlstand – für uns und andere Länder. Der Innovationsgeist hierzulande hat einst dazu geführt, die Energiewende zum Exportschlager zu machen. Diesen Geist gilt es, wiederzubeleben. Sonst verlernt Deutschland vielleicht irgendwann tatsächlich noch das Fahrradfahren.

(Dieser Blogbeitrag erschien in ähnlicher Form als Gastkommentar in der taz vom 23.4.2021)

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So geht Zukunft: Superblocks und Fahrradstadt

So geht Zukunft

Das haben wir alle verstanden: Wir müssen unser Leben sozial-ökologisch ausrichten, um die Grenzen unseres Planeten nicht zu überschreiten. Doch wie geht das? Wir haben uns gemeinsam mit dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) auf die Suche nach guten sozial-ökologischen Vorbildern gemacht. Und haben dabei erstaunlich vielfältige innovative Ansätze mit positiven ökologischen und sozialen Effekten gefunden. So geht Zukunft. Wir stellen einige dieser Ansätze in lockerer Serie hier vor. Hier: Mobilität

Barcelona. Millionen Touristen pilgern jedes Jahr durch die Stadt. Sie bestaunen den Baufortschritt an der Sagrada Familia, einer Kathedrale, die wohl niemals fertig wird, flanieren über die Ramblas und das Barrio Gótico. Oder machen einen Abstecher zum FC Barcelona ins Camp Nou.

Neuerdings mischen sich unter die Fans von Jugendstilbauwerken und gepflegtem Ballbesitzfußball vermehrt Verkehrsplaner und Lokalpolitiker, um einen neuen Ansatz in der Stadtplanung unter die Lupe zu nehmen: „Superilles“ oder „Superblocks“ heißt das Konzept, das inzwischen auch außerhalb Kataloniens Nachahmer findet.

Das Prinzip ist einfach. Schachbrettartig werden rund ein Dutzend Häuserblöcke verkehrstechnisch zu Inseln zusammengefasst, aus denen der Durchgangsverkehr systematisch ausgesperrt wird. Anders als in autofreien Quartieren dürfen Anwohner mit ihren Fahrzeugen weiter bis vor die Haustür fahren und auch der Lieferverkehr hat Zugang, allerdings mit deutlich reduzierter Geschwindigkeit. Geparkt wird in Tiefgaragen. Fußgänger und Radfahrer haben grundsätzlich Vorrang. Erste Pilotprojekte gab es schon in den 1990er Jahren. Doch erst in den letzten Jahren scheint das Konzept richtig durchzustarten.

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Der Grund dafür liegt zum einen an den politischen Mehrheitsverhältnissen in der Stadt. Zum anderen an einem erheblichen Leidensdruck. Wie die meisten Großstädte ist Barcelona in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr unter die Räder gekommen. Die Stadt leidet seit Jahren unter Staus, hoher Luftverschmutzung und Lärmbelastung. Jedem Bewohner stehen durchschnittlich nur 6,6 Quadratmeter Grünfläche zur Verfügung, in den Innenstadtvierteln sogar nur 1,85 — während die WHO mindestens neun Quadratmeter pro Kopf empfiehlt.

Lebensqualität statt Stau

Zeit etwas zu ändern, nicht nur in Katalonien. Es geht letztlich darum, die Stadt nicht mehr allein durch die Windschutzscheibe zu planen. Noch beanspruchen Autos 60 Prozent der Verkehrsfläche in Barcelona, sie bewältigen aber nur 20 Prozent der Mobilität. Mit den Superblocks will die Stadt die Dominanz der Autos brechen. Das beginnt bei der Neuverteilung des öffentlichen Raums. Neue Rad- und Fußwege werden gebaut, zwischen die Häuser pflanzt man Bäume. Es entstehen Plätze mit Bänken und Spielmöglichkeiten, die als „erweitertes Wohnzimmer“ eine gemeinschaftliche Nutzung der Straßen ermöglichen sollen. Im Idealfall entstehen Cafés, Spielstraßen und kleine grüne Oasen, die die ganze Nachbarschaften aufblühen lassen. Das Ganze hat allerdings auch einen Haken: Nicht nur die Lebensqualität steigt, sondern auch die Mieten. Die Angst vor Gentrifizierung geht um.

Lebensqualität statt Stau: Superilles in Barcelona © imago / ZUMA Press

Vielleicht wird sich dieses Problem lösen, wenn die Zahl der umgestalteten Quartiere wächst. Bislang hat Barcelona sechs solcher Superblocks realisiert. Dort wohnen gerade mal 40.000 der 5,6 Millionen Bewohner. Es bleibt also noch einiges zu tun, damit das Konzept messbare Wirkung entfaltet. Die Stadtverwaltung will 500 weitere Blocks umsetzen. Die Verantwortlichen rechnen damit, dass dadurch der motorisierte Individualverkehr um knapp 20 Prozent zurückgeht und damit zugleich Luftverschmutzung und Lärmbelastung in den Quartieren.

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Viele Städte sind inzwischen auf der Suche nach Wegen aus der verkehrspolitischen Sackgasse. Die Corona Pandemie hat innovative Ansätze vielerorts beschleunigt. Auch wenn aus Angst vor Ansteckung so mancher wieder die Flucht ins eigene Auto angetreten hat, werden viele Pop-Up-Radwege nach der Pandemie nicht wieder mehrspurigen Schnellstraßen weichen. Die Mobilitätswende hat Fahrt aufgenommen. Beobachten kann man das beispielsweise in Paris. Bürgermeisterin Anne Hidalgo hat vor Kurzem angekündigt, die weltbekannten Champs-Élysées in einen außergewöhnlichen Garten zu verwandeln.

Paris, Stadt der Fahrräder

Bis es soweit ist können sich die Pariser bereits an die modernen Zeiten gewöhnen. An jedem ersten Sonntag im Monat ist der Prachtboulevard und vier weitere Innenstadtbezirke bereits seit 2019 für den Autoverkehr gesperrt. Wenn das autofreie Zentrum von kommt, sollen dort elektrische Shuttlebusse für zusätzliche Mobilität sorgen.

Die Pläne sind Teil eines größeren Vorhabens, Die Bürgermeisterin ist angetreten für eine Stadt der kurzen Wege. In 15 Minuten soll jeder Bürger Supermärkte, Schulen und Ärzte zu Fuß oder per Fahrrad erreichen können.

Fahrrad for future

Paris ist damit auf den Spuren von Amsterdam oder Kopenhagen. Insbesondere das Fahrrad soll als innerstädtisches Verkehrsmitte an Bedeutung gewinnen. 60.000 Parkplätze werden gestrichen. Stattdessen sollen in den nächsten Jahren in jeder Straße ein Fahrradweg entstehen.

Wasser als Verkehrsweg

Es tut sich einiges in der französischen Hauptstadt und nicht nur auf Straßen und Plätzen, sondern auch auf der Seine. Vorreiter war der Lebensmittelhändler Fanxprix. Das Unternehmen startete 2012 damit, seine Märkte auf dem Wasserweg zu beliefern. Inzwischen werden rund 300 Supermärkte auf diese Weise versorgt. Lastkähne fahren täglich zwei Haltepunkte in der französischen Hauptstadt an und liefern Container voll mit Trockennahrungsmittel, Haushaltwaren und Getränken. Nur die letzten Kilometer Supermarkt werden noch mit dem LKW bewältigt.

Die Rückbesinnnung auf die Binnenschifffahrt ist ein wenig aus der Not geboren, denn schon lange ächzt die Metropole unter dem zunehmenden Warenverkehr. Das enge Pariser Straßennetz ist dem innerstädtischen Schwerlastverkehr nicht gewachsen und es fehlt an geeigneten Parkmöglichkeiten. Das führt nicht nur zu Frust bei Kunden und Lieferanten, sondern auch zu hoher Belastung der Straßen, Staus und Luftverschmutzung.

Frachtkähne verbrauchen im Vergleich zum Warentransport mit Lkws fünfmal weniger Kraftstoff. Kein Wunder also, dass die Stadt Güterverkehr auf Wasserstraßen fördern will. Insgesamt soll er sich verdreifachen — und damit zwei Millionen Lastwagenfahrten einsparen.

 

 

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