Warum es Quatsch ist, das Heizungsgesetz abzuschaffen

Das Heizungsgesetz steht erneut unter massivem politischem Druck. Einige wollen es reformieren, andere es abschaffen. Drei Thesen, warum die Abschaffung Quatsch wäre.

Jens Spahn (CDU) bezeichnet das Gebäudeenergiegesetz (GEG) — umgangssprachlich Heizungsgesetz genannt- als „Unsinn“. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) will es grundlegend reformieren, die FDP spricht vom „Bürokratiemonster“. Oft genutzte Argumente: Das Gesetz sei zu teuer, zu kompliziert und bürokratisch, was die Menschen überfordern. Das finde ich so pauschal erstmal quatsch.

In der Politik werden einfache Lösungen auf sehr komplexe Probleme geboten. So mag die Abschaffung des  Heizungsgesetzes als Entlastung erscheinen. Es hätte jedoch gravierende Folgen – für die Umwelt, den Klimaschutz, die Verbraucher:innen und die soziale Gerechtigkeit. Dabei darf nicht vergessen werden: Das GEG ist das erste echte Klimaschutzinstrument für den Gebäudesektor. Ohne eine konsequente Wärmewende und den Ausstieg aus fossilen Heizquellen wird es unmöglich sein, die Klimakrise wirksam zu bekämpfen und die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Ich finde: Eine Abschaffung wäre bewusste Ignoranz gegenüber den vielfältigen und komplexen Herausforderungen.

Ich möchte anhand von drei Thesen exemplarisch aufzeigen, was es bedeutet, wenn das Heizungsgesetz abgeschafft wird – und warum das ein völlig falsches Signal wäre.

These 1: Ohne das Heizungsgesetz rückt die Klimaneutralität in noch weitere Ferne

Gebäudewärme verursacht rund 15 Prozent der deutschen CO₂-Emissionen – ohne den Gebäudesektor kann die Klimaneutralität daher nicht erreicht werden. Genau hier setzt das Gebäudeenergiegesetz an: Es soll alte, ineffiziente Heizsysteme durch moderne, verbraucherfreundliche sowie umwelt- und klimafreundliche Technologien ersetzen. Ohne dieses Gesetz bliebe der Gebäudesektor ein unkontrollierter Klimasünder und die Folgen wären fatal. Deutschland würde nicht nur seine Klimaziele verfehlen, sondern auch seine internationale Vorreiterrolle im Kampf gegen die Klimakrise einbüßen.

Das GEG ist das Ergebnis intensiver und oft kontroverser Verhandlungen. Es spiegelt einen Kompromiss zwischen drei Parteien wider, die ursprünglich grundlegend unterschiedliche Positionen vertraten. Ist das Gesetz perfekt? Nein. Unsere Kritik, dass Klima- und Verbraucherschutz ambitionierter gestaltet werden müssen, bleibt berechtigt. Doch das Gesetz markiert erstmals eine klare Richtung für die Wärmewende – eine Richtung, die es zuvor so noch nicht gab. Eine Abschaffung würde diese Richtungsweisung wieder vernichten mit all der Mühe, die sie gekostet hat, und stattdessen Unsicherheit schüren.

Noch schlimmer: Deutschland verlöre ein zentrales Werkzeug, um die selbstgesteckten Klimaziele zu erreichen. Genau in einer Zeit, in der entschlossenes Handeln gegen die Klimakrise entscheidend ist, würde dies ein fatales Signal senden – mit weitreichenden Folgen für die Zukunft unseres Planeten. Das GEG ist nicht perfekt. Und ja, es ist auch nicht ambitioniert genug im Klimaschutz-Sinne. Aber ohne das Heizungsgesetz fehlt ein zentrales Stück im Puzzle der Klimaschutzinstrumente.

These 2: Ohne Förderung werden vor allem einkommensschwache Haushalte im Stich gelassen

Fakt ist: Fossile Energien sind nicht nur extrem preisschwankend, sie werden durch den CO₂-Preis und Beimischungsverpflichtungen von Biomethan oder „Bioöl“ künftig stetig teurer. Das Instrument des CO₂-Preises ist richtig und wichtig und wird insbesondere von denselben Akteuren, die die Abschaffung des GEG fordern, als Klimaschutzinstrument bevorzugt. Synthetische Brennstoffe, oft fälschlich als klimafreundliche und gleichwertige Alternative angepriesen, sind äußerst ineffizient und benötigen 3–5 mal so viel erneuerbaren Strom wie die direktelektrische Nutzung. Zudem werden sie kaum in ausreichendem Umfang oder zu vertretbaren Kosten verfügbar sein.

Dennoch ignorieren manche Politiker diese Fakten, wenn sie solche Technologien als Lösung empfehlen und gleichzeitig fordern, staatliche Förderungen zu streichen, wie es Jens Spahn vor kurzem getan hat. Das ist der falsche Weg. So werden Verbraucher:innen getäuscht, in Kostenfallen gelockt und Haushalte langfristig im Regen stehen gelassen.

Heizungsgesetz: Wärmepumpe
Vergleichsweise hohen Investitionen stehen teils wesentlich günstigere Betriebskosten gegenüber © IMAGO / Daniel Reinhardt

Also braucht es kostengünstige Alternativen, von denen Haushalte langfristig profitieren. Solche Optionen sind etwa Wärmepumpen. Ja, ausgerechnet die vieldiskutierte Wärmepumpe. Vergleichsweise hohen Investitionen stehen teils wesentlich günstigere Betriebskosten gegenüber – langfristig zahlt es sich deutlich aus. Denn auch der CO2-Preis fällt nicht an. Fossile Brennstoffe bleiben auf lange Sicht die kostspieligere und klimaschädlichere Option. Einkommensschwache sollten natürlich stärker beim Kauf einer neuen klimafreundlichen Heizung unterstützt werden. Mit der erneuerten „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ erhalten Haushalte mit einem Einkommen unter 40.000 Euro brutto seit 2024 erstmals einen Sonderbonus: Bis zu 70 Prozent der Kosten eines Heizungswechsels werden übernommen. Langfristig sind Wärmepumpen oft die günstigste Alternative – und auch Sanierungen wirken sich positiv aus.

Das ist ein wichtiger sozialpolitischer Fortschritt, denn die steigenden Energiepreise belasten vor allem diejenigen, die ohnehin wenig haben. Die Abschaffung solcher Förderungen wäre ein massiver Rückschritt. Stattdessen sollte man die Förderprogramme langfristig absichern und sie stärker einkommensabhängig ausgestalten, auch für Sanierungen. Nur so können alle von der Wärmewende profitieren und Klimaschutz sozial gerecht gestaltet werden. Anstatt die notwendigen Förderungen abzuschaffen, sollten diese im Sinne des Klima- und Verbraucherschutzes reformiert werden.

These 3: „Bürokratie-Abbau“ geht auf Kosten von Planungssicherheit, Verbraucher:innen sowie Umwelt- und Gesundheitsschutz

Grundsätzlich erlaubt das GEG Heizungen, die mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen. Formell sei das GEG somit zwar „technologieoffen“, aber in Wirklichkeit gebe es strenge bürokratische Anforderungen, sodass nur wenige Optionen infrage kommen, so die Kritiker. Tatsächlich bietet das Gesetz pauschale und praxistaugliche Lösungen wie Solarthermie, Wärmepumpen und Fernwärme – Technologien die sich bewährt haben für Bereiche, die ohnehin klimaneutral werden müssen. Sie sind in der Regel verfügbar und funktionieren. An dieser Stelle können Haushalte oftmals schon vergleichbar einfach einen Haken an die Frage setzen, für welche Heizung sie sich entscheiden können.

Andere Heizungsarten unterliegen zusätzlichen Anforderungen, etwa an Nachhaltigkeit und Verbraucherschutz. Beispielsweise müssen Pelletheizungen Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Bei Wasserstoffheizungen müssen Gasnetzbetreiber garantieren, dass Erdgas rechtzeitig durch Wasserstoff ersetzt wird – oder sonst Haushalte entschädigen. Warum auch nicht? Was sollte eine Volkspartei gegen den Schutz der Verbraucher:innen vor hohen Kosten haben? Solche Vorgaben sind sinnvoll, um das komplexe Spannungsfeld der Wärmewende aus Wirtschaft, Klima‑, Umwelt‑, und Verbraucherschutz adäquat abzudecken. Risiken für Verbraucher:innen wie Kostensteigerungen oder Versorgungsproblemen zu schützen sowie negative Auswirkungen werden so reduziert.

Das Heizungsgesetz bietet zudem Ausnahmen, um wirtschaftliche Härten zu vermeiden, und klare Leitlinien, welche Technologien zukunftssicher sind. Ohne diese Schutzmechanismen stünden Verbraucher:innen allein vor der Frage, welche Investitionen sich langfristig lohnen. Auch hier kann man fragen, ob es perfekt ist. Das ist es sicherlich nicht. Aber eine Abschaffung des Gesetzes würde nicht nur die Klimaziele gefährden. Ohne das Gesetz würden diese als „bürokratischen Hürden“ verschrienen Schutzmechanismen wegfallen. Auch die Heizungsbranche pocht darauf, das Gesetz nicht abzuschaffen. Dies würde zu Verunsicherungen führen und gefährde Planungssicherheit,  sagte Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, im Interview. Man brauche jetzt Kontinuität und klare Signale seitens Politik.

Mein Fazit: Warum das Heizungsgesetz bleiben und  optimiert werden muss

Ohne klare Vorgaben gleicht die Klimapolitik einem Schiff ohne Kompass – die Klimaziele könnten langfristig nicht eingehalten werden und die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen ist womöglich kostspieliger und ineffizienter als sie sein müsste. Die Abschaffung des Heizungsgesetzes würde nicht nur die Energiewende im Gebäudesektor ausbremsen, sondern auch massive Unsicherheit schaffen. Auch alle Technologien uneingeschränkt zu erlauben und dabei etwa nur auf einen CO2-Preis zu setzen, käme dem gleich. Bürger:innen, die bereits klimafreundliche Heizsysteme planen oder eingebaut haben, wüssten nicht mehr, welche Regeln künftig gelten. Handwerksbetriebe und die Industrie müssten Investitionen zurückstellen, weil die politische Richtung unklar wäre. Diese Unsicherheit wäre ein fatales Signal für den Klimaschutz und die Wirtschaft – gerade in politisch stürmischen Zeiten. Ein verlässliches Investitionssignal ist das A und O, um Innovationen zu fördern und die Energiewende umzusetzen.

Die Abschaffung des Heizungsgesetzes wäre ein Rückschritt – für den Klimaschutz, die soziale Gerechtigkeit und die Glaubwürdigkeit der deutschen Klimapolitik. Das Gesetz ist nicht perfekt, aber es bietet eine wichtige Grundlage, um die Energiewende fair und effektiv voranzubringen. Dort wo es nicht perfekt ist, müssen wir es verbessern. Wir als WWF möchten uns gerne daran beteiligen, das Heizungsgesetz zu stärken und komplizierte Regelungen einfacher zu machen – allerdings nicht auf Kosten von Umwelt, Klima und Verbraucher:innen. Andernfalls würde damit die Verantwortung für den Schutz der Bürger:innen abgegeben.

Eine zukunftsorientierte Politik im Sinne der Bürger:innen und Verbraucher:innen muss diesem Druck standhalten und statt einer Abschaffung des Heizungsgesetztes dessen Optimierung vorantreiben. Der Klimaschutz braucht klare Leitplanken eine lebenswerte Zukunft und eine gerechte Energiewende – auch im Heizungskeller.

Mit dem WWF-Newsletter nichts mehr verpassen!

Der Beitrag Warum es Quatsch ist, das Heizungsgesetz abzuschaffen erschien zuerst auf WWF Blog.

Die kunterbunte Welt des Wasserstoffs

Noch basiert Wasserstoff zu 98 Prozent auf fossilen Quellen. Aber das könnte sich ändern. Je schneller, desto besser.

In Lingen im Emsland ging kürzlich eine Pilotanlage zur Produktion von grünem Wasserstoff an den Start.  Es dürfte nicht die letzte Anlage dieser Art bleiben, denn der Run auf den Stoff, aus dem die energiepolitischen Träume sind, steht erst am Anfang.

Dabei ist die Technik, Wasser, durch elektrischen Strom in Sauerstoff und Wasserstoff zu zerlegen und diesen als Energieträger zu nutzen schon ziemlich alt. Die erste Elektrolyse gelang schon 1789. Eine Idee, die schon Jules Verne, den Großvater aller Science Fiction Autoren, inspirierte. In seiner Story „Die geheimnisvolle Insel.“ entwickelte er die Vision vom Wasserstoff als „Kohle der Zukunft“.

Schon Jules Verne träumte davon, Kohle durch Wasserstoff zu ersetzen. © iStock-GettyImages

Das ist 175 Jahre her, und seitdem hatte sein Traum immer mal wieder Konjunktur. Mal ging es darum, die Abhängigkeit von ausländischen Rohstofflieferanten zu verringern, mal stand der Einsatz in der Raumfahrt im Vordergrund.

Von Klimakrise war zu Jules Vernes Zeiten noch nicht die Rede. Aber spätestens seit die Erderhitzung immer brutaler zuschlägt und sich die Weltgemeinschaft zum Abschied von fossilen Energien verpflichtet hat, wird immer deutlicher, dass in naher Zukunft kein Weg am Wasserstoff vorbeiführt.

Folge uns in Social Media

Ein ziemlich bunter Energieträger

Das Problem: Bislang wird der Energieträger zum Großteil mit Strom aus fossilen Quellen produziert. Dieser graue bzw. schwarze Wasserstoff führt nicht zu weniger, sondern zu mehr Emission. Bei so genanntem grünem Wasserstoff aus regenerativen Quellen ist das anders, doch der ist knapp und teuer.

Es gibt den Stoff mit der chemischen Formel H2 aber nicht nur in schwarz, grau oder grün, sondern die Farbpallette ist breiter. Die pinke Variante basiert auf Atomstrom. Sie ist zwar CO2 arm, aber risikoreich, teuer und deshalb kein sinnvoller Baustein für eine Energiewende. Weißen Wasserstoff gibt es auch. Der kommt in natürlichen Lagerstätten vor, ist aber so selten, dass er für die Lösung unserer energiepolitischen Aufgaben wohl keine Rolle spielen wird.

Mit einem Elektrolyseur wird Wasser in seine Bestandteile zerlegt. © picture-alliance-dpa-Rolf-Vennenbernd

Kontrovers diskutiert wird hingegen über blauen Wasserstoff. Der basiert zwar auch auf fossilen Energien, in der Regel auf Erdgas, doch die CO2-Emissionen sollen abgeschieden und unterirdisch gelagert oder weiterverarbeitet werden. CCS  (Carbon Capture and Storage) ist hier das Stichwort. Für den WWF ist das bei der Produktion von Wasserstoff keine Lösung in die knappe, öffentliche Fördergelder investiert werden sollten. Die Lagerung birgt Risiken und infrage kommende Standorte sind begrenzt. Deshalb ist CCS allenfalls etwas für Prozesse, bei denen CO2-Emissionen nicht vermeidbar sind, z.B. bei der Zementherstellung.

Woher kommt der begehrte Stoff

Kurzum: der verstärkte Einsatz von Wasserstoff ist nur sinnvoll, wenn er Hand in Hand mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien geht. Aber auch wenn der Ausbau von Sonne- und Windenergie in Deutschland zuletzt wieder angezogen ist, wird das heimische Potenzial  nicht reichen, um die nationale Nachfrage nach grünem H2 zu decken. In der 2023 überarbeiteten Nationalen Wasserstoffstrategie, rechnet die Bundesregierung damit, dass bis 2030 insgesamt etwa 50 bis 70 Prozent importiert werden muss. Da der Bedarf danach weiter steigen dürfte, ist es nicht verwunderlich, dass der Wirtschaftsminister fleißig durch die Welt tourt, um sich nach potenziellen Lieferanten umzusehen.

Mit dem WWF-Newsletter nichts mehr verpassen!

Das birgt weitere Herausforderungen. Das sonnenreiche Nordafrika bietet sich z.B. als Standort für die Produktion von grünem Wasserstoff an. Doch, wo die Sonne kräftig scheint, fehlt es oft an einem anderen Grundstoff: Wasser. Deshalb muss bei all den Lieferverträgen sichergestellt sein, dass die Produktion nicht zulasten der Bevölkerung vor Ort geht und das Wasser an anderer Stelle, z.B. in der Landwirtschaft fehlt. Werden die Interessen der Einheimischen vernachlässigt, droht eine erneute „Tank oder Teller-Diskussion“ wie wir sie vom Einsatz von Biosprit, etwa auf der Basis von Palmöl, bereits kennen. Und auch der Umwelt wäre damit nicht geholfen. Der WWF setzt sich daher für umfassende Nachhaltigkeitskriterien für die Produktion für Wasserstoff und seiner Folgeprodukte ein.

Herausforderung Transport

Ohnehin stellt der Transport des begehrten Stoffes eine nicht unwesentliche Hürde da. Zunächst wird Deutschland beim reinen Wasserstoff wohl auf europäische Partner, etwa auf der iberischen Halbinsel und in Skandinavien setzen. Hier ist ein Transport über Pipelines noch machbar.

Beim Transport von Wasserstoff über weite Strecken gehen Teile des Energieträgers verloren. © IMAGO-ITAR-TASS-Sergei Krasnoukhov

Chile, Australien oder Namibia sind zu weit weg und dürften erst später oder über sogenannte „Wasserstoffderivate“ wie Ammoniak oder Methanol, also Wasserstoffverbindungen, die einfacher zu transportieren sind,  ins Spiel kommen. Zum Transport von Wasserstoff über weite Strecken wären gewaltige Investitionen in die Infrastruktur wie den Transport mit Spezialschiffen nötig. Hinzu kommt, dass dabei viel von dem kostbaren Energieträger verloren geht.

Wasserstoff ist keine Allzwecklösung

Trotz vieler Hindernisse: Wasserstoff wird eine wichtige Rolle bei einer Transformation zur klimaneutralen Wirtschaft spielen. Aber es bleibt auf absehbare Zeit ein eher teurer und begrenzter Rohstoff. Deshalb wird es vor allem darum gehen, wie man den Stoff, der theoretisch für viele Zwecke einsetzbar wäre, am sinnvollsten nutzt. Der Energieträger ist zwar immer mal wieder als Treibstoff für Autos oder den Betrieb von Heizungen im Gespräch, das lässt sich aber als teure Speziallösung abhaken. Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen sind viel effizienter und kostengünstiger und bleiben in absehbarer Zeit eindeutig die bessere Lösung.

Kann man machen, muss man aber nicht. Als Treibstoff für Pkw ist H2 zu teuer und wenig effizient. © IMAGO-Rupert Oberhaeuser

Grüner Stahl

Für den Wasserstoff bieten sich hingegen der Schiffs- und Flugverkehr sowie die Chemieindustrie an. Ein ganz wichtiges Einsatzgebiet könnte zudem vor allem die Stahlindustrie werden. Die Branche ist in Deutschland für acht Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich.  Der Grund: Bislang wird in den Hochöfen Koks als so genanntes Reduktionsmittel verwendet, um die extrem hohen Temperaturen für die Produktion zu erzeugen. Dabei entstehen große Mengen CO2. Die Kohle direkt durch erneuerbare Energien zu ersetzen, ist technisch nicht machbar. Mit so genannten Direktreduktionsanlagen ließen sich die CO2-Emissionen massiv reduzieren. In einem solchen Verfahren wird das Eisen mit grünem Wasserstoff hergestellt. Der bindet den Sauerstoff aus dem Eisenerz und hinterlässt nur Wasser als Abfallprodukt. Erste Pilotanlagen werden bereits von Salzgitter, Thyssenkrupp und ArcelorMittal betrieben. Die neuen Anlagen sind sehr kostspielig. Daher wird es ohne öffentliche Förderungen wohl nicht gehen, um eine Transformation im Stahlsektor anstoßen und Risiken für die Unternehmen zu mindern.

Alles in allem: Es tut sich was in Sachen H2. Wasserstoff bietet große Chancen, wenn Rahmenbedingungen stimmen. Viele Fragen sind noch offen, aber Jules Vernes Vision von einer Wasserstoffwirtschaft nimmt konkretere Züge an.

Mehr zum Thema

Mehr Informationen zum Thema Wasserstoff haben wir in einem kostenfreien Online-Kurs „Wasserstoff für Energiewende und Klimaschutz – Power-to‑X“ in der WWF Akademie aufbereitet. 10 Expert:innen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft geben

Der Beitrag Die kunterbunte Welt des Wasserstoffs erschien zuerst auf WWF Blog.

Zurück zu Natur — Was bringt das Nature Restoration Law?

Vor 17 Jahren wurde unter dem damaligen Umweltminister Siegmar Gabriel das Ziel ausgegeben, den Rückgang der Biodiversität innerhalb von nur drei Jahren aufzuhalten. Es blieb ein frommer Wunsch. Die Trendwende blieb aus.  Der Verlust der Artenvielfalt schritt weiter voran. Inzwischen gelten hierzulande etwa ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten als gefährdet. Zwei Drittel unserer geschützten Lebensräume sind in schlechtem Zustand.

Vor allem bei der Renaturierung von Mooren und Feuchtgebieten bleibt einiges zu tun. ©Claudi Nir/WWF

Jetzt kommt endlich ein neuer Versuch, das Sterben zu stoppen: Mitte August tritt die  europäische Naturwiederherstellungsverordnung, das Nature Restoration Law, in Kraft. Eine Regelung, die  sich  als „Gamechanger“ erweisen könnte. Die Verordnung gilt als wichtigstes EU-Naturschutzgesetz seit Jahrzehnten. Richtig umgesetzt, wird sie entscheidend zum dringend notwendigen Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen beitragen.

Folge uns in Social Media

Papier ist geduldig

Manchmal muss der Mensch nachhelfen, damit die Natur sich erholen kann. ©Silas Ismael/WWF-Brazil

Deutschland- und europaweit gibt es ein riesiges Netz an Naturschutzgebieten.  Es gibt mit der Flora-Fauna-Habitat‑, der Wasser-Rahmen- und der Vogelschutzrichtlinie wegweisende europäische Vorgaben. Sie sind zum Teil seit Jahrzehnten in Kraft.  Trotzdem ist die Natur  nicht ausreichend geschützt. Papier ist geduldig! Den Niedergang der Natur haben die Richtlinien nicht aufgehalten. Die in den vergangenen zwei Jahren in einem Politikkrimi ohnegleichen umkämpfte Wiederherstellungsverordnung soll frühere Fehler ausbügeln. Auch wenn das Gesetz im politischen Verfahren durch Abschwächungen und Ausnahmen an Substanz verloren hat, birgt es die Chance für einen Neustart. Das Nature Restoration Law soll das Artensterbens in Europa stoppen und für mehr Widerstandsfähigkeit gegen die Folgen der Klimakrise wie Dürren, Überflutungen und Waldbrände sorgen.

Wie konnte es mit unserer Natur überhaupt so weit abwärts gehen und was muss man sich unter ihrer Wiederherstellung vorstellen? Die Ursachen für das Artensterben liegen in der Übernutzung und Schädigung der Natur durch den Menschen.  Hohe Stickstoff- und Pestizideinträge in der Landwirtschaft, die intensive Bewirtschaftung von Feldern und Wäldern haben genauso ihre Spuren hinterlassen wie Verluste und Zerschneidung natürlicher Flächen durch Versiegelung der Böden oder Verkehrsprojekte. Hinzu kommt die Verschmutzung von Gewässern und die zunehmende Erderwärmung.

Wiedervernässen, Entsiegeln, Aufforsten

Noch immer sind Staustufen und Dämme oft unüberwindbar für Wanderfische. ©Claudi Nir / WWF

Wiederherstellung kann bedeuten, der Natur zu erlauben, sich weitgehend ohne schädigende Einflüsse des Menschen zu erholen. Oft ist dazu ein aktives Eingreifen nötig. Manche Maßnahmen setzen auf eine veränderte oder schonendere Nutzung der Natur. Als Wiederherstellungsmaßnahmen gelten beispielsweise die Wiedervernässung entwässerter Moore, der Waldumbau hin zu naturnäheren und klimaresilienteren Wäldern. Wichtig ist zudem das Zurückverlegen von Deichen, um Flüssen mehr Raum zu geben und neue Auen zu schaffen. Zur Renaturierung gehören auch eine durch mehr Baumreihen, Feldgehölze und Hecken aufgelockerte Agrarlandschaft, die vielerlei Arten Rückzugsraum bietet, besser geschützte Naturschutzgebiete und mehr Parks und Grünflächen in den Städten.

Befreite Flüsse und drei Milliarden Bäume

Die nun in Kraft tretende EU-Naturwiederherstellungsverordnung zielt auf die langfristige Erholung der europäischen Ökosysteme an Land und in den Meeren ab. Dafür sollen bis 2030 auf 20 Prozent der Landes- und Meeresfläche Europas Wiederherstellungsmaßnahmen erfolgen – bis 2050 auf allen geschädigten Naturflächen. Die Verordnung macht Vorgaben zur Verbesserung des Zustands europäischer FFH- und Vogelschutzgebiete. Sie schreibt überprüfbare Verbesserungstrends für den Wald, die Agrarlandschaft und den Zustand von Insektenpopulationen vor. Europaweit soll das Ziel von zusätzlich 25.000 Kilometern freifließender Flüsse erreicht werden. Es sollen Moore wieder vernässt, drei Milliarden Bäume gepflanzt und innerstädtische Grünflächen ausgebaut werden.

So geht Naturschutz: Rückbau eines Wehrs. © Olaf Obsommer / WWF

Wird das eines Tages wahr, ist nicht nur der Natur gedient, sondern auch uns Menschen – nicht zuletzt haben die Maßnahmen sehr positive Effekte für den Klimaschutz und die Klimaanpassung. Eine intakte Natur erbringt unentbehrliche Ökosystemleistungen, liefert wichtige Rohstoffe, sorgt für fruchtbare Böden, sauberes Trinkwasser und saubere Luft. Wildbienen leisten als Bestäuber unbezahlbare Dienste für unsere Lebensmittelversorgung. Grünflächen liefern Feuchtigkeit und Kühle. Ein gut gemachter Waldumbau und die Renaturierung von Flüssen wirken sich positiv auf den Landschaftswasserhaushalt aus, was angesichts zunehmender Dürren dringend erforderlich ist. Intakte Moore und Wälder sind nicht nur wertvolle Ökosysteme, sondern dienen zugleich als CO2-Speicher.

Zeit, die wir nicht haben

Doch erst einmal muss dem Gesetz Leben eingehaucht werden. Das kann bis 2027 dauern, denn zunächst müssen die EU-Mitgliedsstaaten auf ihre Bedingungen angepasste Nationale Wiederherstellungspläne entwickeln. Anschließend muss die EU-Kommission Grünes Licht geben. Hier verstreicht zu viel Zeit, nicht nur, wenn man bedenkt, dass Renaturierungsprojekte oft viele Jahre dauern.  Sondern auch vor dem Hintergrund, dass das von allen EU-Mitgliedsstaaten unterzeichnete Kunming-Montreal-Abkommen den Stopp des weltweiten Biodiversitätsverlustes bis 2030 anpeilt. Die deutsche Bundesregierung muss mit der Wiederherstellung der Natur deshalb in Vorleistung gehen und tut das auch mit dem  „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz“. Dieses darf keiner Sparrunde zum Opfer fallen und muss von der nächsten Regierung ungemindert fortgeführt werden.

Mit dem WWF-Newsletter nichts mehr verpassen!

Gemeinsam geht es besser

Die Naturwiederherstellungsverordnung dürfte zu intensiven Diskussionen um eine naturnähere Land- und Forstnutzung führen. Sie kann nur mit den Landnutzenden gemeinsam umgesetzt werden. Tragfähige Einkommensquellen in diesen Bereichen bleiben ein zentrales Thema. Gut organisierte Beteiligungsformate müssen die Erstellung des Nationalen Wiederherstellungsplans flankieren. Schwarz-Weiß-Denken sollte von allen Seiten überwunden werden.

 

Erlenbruch des WWF in der Uckermark (von unserem ehemaligen Mitarbeiter Thomas Neumann
Auch so kann ein Wald aussehen. Erlenbruch des WWF in der Uckermark. © Thomas Neumann /WWF

Trotz oft erbitterten Streits ist die Naturwiederherstellungsverordnung ein wunderbares Erbe der gerade beendeten EU-Parlamentsperiode. Sie bietet erneut die Chance einer Trendwende. Nun kommt es darauf an, diese nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.

Der Beitrag Zurück zu Natur — Was bringt das Nature Restoration Law? erschien zuerst auf WWF Blog.

Ozeane vor dem Burnout

Das Meer ist endlich. Und es ist satt oder eher schon: übersättigt. An Hitze, Lärm und Plastik. Wo es fast überall ein Zu-Viel gibt, gibt es zugleich einen Mangel:  An Sauerstoff, an intakten Lebensräume und an ungestörten Brut- und Laichgebieten. Ursache ist die Unersättlichkeit der menschlichen Begierden an den Ozeanen. 

Wir brauchen gesunde Meere. Für mehr als drei Milliarden Menschen ist Fisch eine der wichtigsten Proteinquellen. Die Ozeane sind natürliche Kohlenstoffsenken und schlucken den Großteil der menschengemachten Erderhitzung. Seegraswiesen und Korallenriffe bieten vielen Lebewesen eine Heimat. Zugleich sind widerstandsfähige und intakte Meere unsere größten Verbündeten zur Bewältigung von Klima- und Biodiversitätskrise und sie sichern Einnahmen im Tourismus.

Wir brauchen die See für unsere Wirtschaft. Fast nirgends wird dies so häufig diskutiert wie beim Ausbau der Offshore-Windenergie. Ein Thema, das leider oft für populistische Schlagabtausche herhalten muss. Meeresschutz und Klimaschutz werden in der Debatte gern gegeneinander ausgespielt. Dabei ist klar: Wir bauchen den Wind vom Meer. Nur ein 100 Prozent erneuerbares Energiesystem bewahrt uns vor den verheerenden Konsequenzen einer ungebremsten Erderhitzung, die nicht zuletzt den Meeren schadet.

Folge uns in Social Media

Grenzen der Ozeane

Die Linie verläuft nicht zwischen Klima- und Meeresschutz. Sie läuft zwischen industrieller Überbeanspruchung und Meeresschutz. Am Ende lautet die Frage: Was können und müssen die Ozeane stemmen, und wo braucht es dringend Grenzen?

Eine saubere Energieerzeugung ist auf Windparks im Meer angewiesen ©IMAGO / Westend

Wir können auf die Windenergie nicht verzichten. der Ausbau ist nötig,  aber nicht ohne Wenn und Aber. Strenge Umweltstandards müssen eingehalten werden, wenn Windparks geplant und umgesetzt werden. Beschleunigungsgebiete ohne Umweltverträglichkeitsprüfung auszuweisen, wie es die aktuelle Novelle der europäischen Erneuerbaren-Richtlinie vorsieht, ist ein Schnellschuss. Er schadet  den Meeren potenziell und beschleunigt die Energiewende nicht. Denn der Ausbau stockt nicht aufgrund von Umweltstandards, sondern an fehlenden Netzanbindungen und mangelndem Personal. Besonders sensible Gebiete wie Schutzgebiete müssen von industriellen Tätigkeiten ausgespart werden. Das Ausschreibungssystem ist einer der Dreh- und Angelpunkte für den naturverträglichen Ausbau der Offshore-Windenergie: Wir müssen über ambitionierte qualitative Kriterien den Schutz der Meere verbessern und die innereuropäische Windenergieindustrie stärken.

Klimaschutz ist Meeresschutz

An anderen Stellen können und müssen wir die Ozeane stärker entlasten. Zuerst natürlich beim CO2-Eintrag, der das Gleichgewicht an Land wie im Wasser durcheinanderbringt. Konsequenter Klimaschutz mit dem Ausstieg aus fossilen Energien, besserer Energieeffizienz, einem nachhaltigen Finanzsystem, Gebäude- und Verkehrswende schützen am Ende auch die Meere vor Übersäuerung und Überhitzung.

Die Ozeane versinken im Plastikmüll
Das Meer muss als Müllkippe für Plastik und andere Abfälle herhalten. © Aryfahmed / iStock-GettyImages

Stichwort Plastik: Jedes Jahr gelangen 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen Plastik in die Weltmeere. Wenn es so weitergeht , wird bis 2050 fast jeder Meeresvogel Plastikteile im Magen haben. Neben den Tieren leidet die Wirtschaft unter dem Müll: Allein für den asiatisch-pazifischen Raum entstehen der Tourismusbranche jährlich Kosten von 622 Millionen Dollar. Für jeden Dollar, den die Hersteller in die Plastikproduktion investieren, müssen Regierungen und die Gesellschaft mindestens zehnmal so viel bezahlen, um die negativen Auswirkungen zu beheben. Die Lebenszeitkosten von Plastik, das 2019 produziert wurde, schätzt ein Bericht des WWF auf 3,7 Billionen US-Dollar.

Was braucht es? Insgesamt natürlich eine viel geringere Plastikproduktion und dann besseres Recycling, eine bessere Abfallwirtschaft. Viel Hoffnung liegt auf dem aktuell verhandelten internationalen Vertrag gegen Plastikverschmutzung, der bis Ende des Jahres verabschiedet werden soll.

Wale haben keine Ohrstöpsel

Stichwort Lärm: Besonders die Schifffahrt ist für eine enorme Lärmbelästigung der Ozeane verantwortlich. Auf die Nordsee beispielsweise entfallen fast 25 Prozent der weltweiten Schiffsbewegungen. Sie ist damit eines der meistbefahrenen Meeresgebiete der Welt. Darunter leidet unter anderem der Schweinswal. Er orientiert sich durch Echoortung und wird vom Unterwasserlärm stark gestresst. Am Beispiel einer sich nähernden Schnellfähre konnten dänische Forscher:innen nachweisen, dass Schweinswale auf den Grund abtauchen, ihre Echoortung und auch das Fressen einstellen. Neben dem Schiffsverkehr sorgt die Rohstoffförderung für Lärm.

Drama auf den Ozeanen. Wale kollidieren mit großen Schiffen
Unterwasserlärm und Kollisionen mit Schiffen gefährden das Überleben vieler Meeressäuger © IMAGO-Nature-Picture-Library

Womit wir beim nächsten Thema wären: Ressourcenabbau in den Meeren. Die Weltgemeinschaft hat auf der Klimakonferenz in Dubai 2023 die Abkehr von fossilen Energien beschlossen. Das heißt: Es darf auch keinen Abbau von Öl und Gas mehr geben. Die Bohrungen sind  ein gewaltiger Infrastruktur-Eingriff in die Meere, den wir beenden können und müssen. Und wo wir schon von Ressourcen und Rohstoffen sprechen: Zum diskutierten Tiefseebergbau darf es gar nicht erst kommen, denn er hätte voraussichtlich zerstörerische Auswirkungen. Stattdessen ist es entscheidend, alternative Materialien zu finden und sich auf die drei zentralen Schlagworte für eine nachhaltige Wirtschaft zu besinnen: Reduzieren, Wiederverwenden, Recyceln.

Das Ende der Fossilen

Und apropos Abkehr von fossilen Energien: Die aktuell geplante Infrastruktur für Flüssiggas, kurz LNG, ist viel zu weitreichend. Das belastet die Meere und hilft auch dem Klima nicht, denn es verlängert die Abhängigkeit von Gas. Eine konsequente Ausrichtung an erneuerbaren Energien würde das verhindern.

Ebenso zu weitreichend geplant, ist die Speicherung von CO2 unter dem Meeresgrund, das sogenannte Carbon Capture and Storage (CCS) . Die Carbon Management Strategie der Regierung öffnet die Türen für Speicherung von  Emissionen aus Gaskraftwerken. Das ist sowohl für das Klima als auch für die Ozeane hochriskant. CCS verlängert die Abhängigkeit von Fossilen, es schiebt Verantwortung für die sichere Speicherung auf künftige Generationen ab und wird mit einem massiven Infrastrukturzubau und damit zusätzlichen Belastungen verbunden sein. Deshalb darf die Technik  für nicht-vermeidbare Restemissionen in der Industrie zum Einsatz kommen.  Letztlich steht die Frage im Raum, warum nur die Meere herhalten sollten und nicht auch das Land.

Nachhaltige Fischerei

Und wie steht es um die Fischerei? Weltweit galten 2022 über 35 Prozent der kommerziell genutzten Fischbestände als überfischt und 57 Prozent als maximal genutzt. Im Mittelmeer und im Schwarzen Meer werden sogar 63,4 Prozent der Bestände als überfischt eingestuft.

Die Überfischung viele Fischgründe bedroht die Ozeane
Subventionierter Treibstoff industrieller Fangflotten ist Gift für lebendige Meere. © WWF-Malaysia / Mazidi Abd Ghani

Es braucht besseres Management, das sowohl die Fischbestände besser schützt als auch den Fischer:innen langfristige Perspektiven gibt. Faire Abkommen mit Drittstaaten müssen eine umweltverträgliche und nachhaltige Fischerei fördern und die Rechte und Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung  schützen. Daneben dürfen Subventionen nicht länger in die Überfischung fließen.

Mit dem WWF-Newsletter nichts mehr verpassen!

Ein Weniger an schädlichen menschlichen Eingriffen von Rohstoffabbau bis hin zu Abfallspeicherung  hilft, nötige Eingriffe wie Offshore-Windparks zu ermöglichen.

Weil unseren Ozeanen aber schon derart schlecht geht, braucht es neben der Reduzierung von Belastungen massive Anstrengungen für eine Verbesserung ihres Zustands etwa durch deutlich wirksameren Schutz und der Rückgewinnung verlorener Lebensräume und natürlicher CO2-Senken wie Seegraswiesen. Nur so können wir die lebenswichtigen Funktionen der Meere für uns Menschen — und den Klimaschutz — erhalten.

Am Ende müssen wir ein Netz an geschützten Gebieten sicherstellen, die die Biodiversität in den Meeren und ihre Resilienz gewährleisten. Solch ein Netz trägt auch zum globalen Ziel bei, mindestens 30 Prozent aller Flächen an Land und auf See bis 2030 unter besonderen Schutz zu stellen.

Der Beitrag Ozeane vor dem Burnout erschien zuerst auf WWF Blog.

Green Deal: Mission possible?

Der Weg zum Mond ist ziemlich weit. Ungefähr 380.000 Kilometer, um genau zu sein. Angesichts dieser Entfernung verwundert es nicht, dass die EU mit der von ihr postulierten „Mondmission“, dem europäischen Green Deal, noch ein ziemliches Stück vom Ziel entfernt ist. Aber viel besorgniserregender ist: einiges deutet drauf hin, dass die Rakete bereits auf dem Rückweg ist, bevor sie überhaupt richtig losgeflogen ist.

Ende 2019 präsentierte die frisch gebackene EU-Präsidentin Ursula von der Leyen ihren „Green Deal“ als „Man on the Moon-Moment“. Sie kündigte ein Gesamtpaket für wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz an. Ihr Ziel war und ist es, den Kontinent bis 2050 klimaneutral umzugestalten und die europäische Wirtschaft im internationalen Wettbewerb zu stärken. Gute Idee!

Europas Mondlandung! Hat sie den Mund zu voll genommen? © IMAGO CTK Pictures

Transformation in allen Bereichen

Dafür stehen tiefgreifende Veränderungen in nahezu jedem Politikbereich an. Mobilität, Landwirtschaft, Energieversorgung, Ernährung, Kreislaufwirtschaft, Ressourcennutzung und Industriepolitik . Auch die Finanzpolitik muss dringend auf nachhaltigere Beine gestellt werden. Transformation in vielen Bereichen. Viel zu tun.

Grundlage für den Green Deal ist das “Fit für 55” Paket, ein zentrales Gesetzespaket, das eine lange Reihe von Vorschlägen zur Über­arbeitung und Aktuali­sierung von EU-Rechts­vorschriften umfasst. Ziel der Initiative ist es, die Treibhausgas­emissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Angesichts der Vielzahl der Reformen war von Anfang an klar: Der Green Deal wird kein Projekt für eine Legislaturperiode, sondern ein ziemlicher Langstreckenflug.

Folge uns in Social Media

Europawahl 2024

Zwischenlandung Juni 2024: Europa wählt ein neues Parlament. Die Machtverhältnisse werden sich verschieben. Ob oder in welchem Tempo die Reise zum Mond weitergeht, steht in den Sternen. Gab es 2019 noch so etwas wie Aufbruchstimmung, hat sich die politische Lage in Europa verdunkelt. Die Pandemie und die diversen geopolitischen Spannungen haben ihre Spuren hinterlassen.  Im Wahlkampf ist Populismus angesagt: „Am Bauersterben sind nur die hohen Umweltauflagen schuld. Renaturierung bedroht unser Zuhause. Ein Tempolimit bringt nichts, und billiges Fleisch ist ein Grundrecht.“ Parolen wie diese fallen vielerorts auf fruchtbaren Boden. Das zeigt sich schon an veränderten Mehrheitsverhältnissen in diversen nationalen Parlamenten.

Wer stimmte wie? Das Abstimmungsverhalten im Europaparlament zu umweltrelevanten Fragestellungen.

Von Italien bis Holland ging der Ausschlag zuletzt deutlich nach Rechtsaußen. Für die Wahlen in Europa und die Zukunft des Green Deals ist das kein gutes Zeichen. Denn Parteien wie die AfD in Deutschland, VOX in Spanien oder Italiens Neofaschisten sind in der Vergangenheit nicht als Klima- oder Umweltschützer aufgefallen. Im Gegenteil. Die klimapolitischen Vorstellungen der AfD sind zum Beispiel noch extremer als die von anderen rechtsextremen Parteien in Europa. Die Partei hält die Klimaerhitzung für einen natürlichen Vorgang. Sie lehnt Klimaschutzgesetze, CO2-Steuern, EU-Emissionshandel, Energiewende, Energieeffizienz und Erneuerbare Energien ab. Die Stromversorgung soll stattdessen weitgehend mit Atomkraftwerken erfolgen. Für die für nötigen Uranlieferungen aus Russland würde man hingegen vermutlich das rechte Auge zudrücken.

Harte Zeiten für den Green Deal

Es zu befürchten, dass solche Stimmen noch lauter werden. Harte Zeiten für den Green Deal. Ohnehin mussten diverse Gesetzesvorhaben in den vergangenen Monaten heftige Rückschläge hinnehmen. Mit dem Segen aus Berlin wurde z.B. die Flächenstilllegung, also die Bereitstellung von Agrarflächen für den Naturschutz ausgesetzt. Ein paar tausend Bauern mit Traktoren auf den Straßen genügten, um bereits  verhandelte und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Regelungen zu kippen und das Ganze auch noch als „Bürokratieabbau“ zu verschleiern.

Ein Paar Traktoren genügten, um wichtige Regelungen zu Fall zu bringen. © Picture-alliance / Hans Lucas Adrien Auzanneau

Green Deal auf  Kurs?

Trotz all dieser Rückschläge, der Kurs stimmt.  Das sehen zumindest die Experten des “European Climate Neutrality Observation” , eine auf Klimafragen fokussierte Denkfabrik so. Der rechtliche Rahmen stimme, es hapere an der Umsetzung. Was fehlt sei das Geld für Investitionen. Damit der Green Deal fliege und das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erreicht werden könne, müsse man die jährlichen Investitionen mehr als verdoppeln.

Ein Umbau schädlicher Subventionen wäre ein guter Anfang. Anstatt Milliarden in natur- und klimaschädliche Aktivitäten zu pumpen, könnten öffentlichen Gelder  umgelenkt werden. Allein zur Schließung von Finanzierungslücken zur Erreichung dringend notwendiger EU-Ziele für den Natur- und Artenschutz könnte sehr viel über die konsequente Umlenkung bestehender Mitteln in den entsprechenden Wirtschaftssektoren erreicht werden, wie ein  WWF-Report zeigt.

Ob es mit dem Flug zum Mond noch klappt, bleibt abzuwarten. In der kommenden Legislaturperiode werden Themen wie Migration, Sicherheit, Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit im Vordergrund stehen. In welche Richtung es geht, darauf deutet ein Bericht des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Enrico Letta hin. Ein neuer Deal für Wettbewerbsfähigkeit, der “New European Competitiveness Deal” zeichnet sich ab. Das muss nicht das Ende der Mondmission von Ursula von der Leyen sein. Der Green Deal kann als Treiber der europäischen Wettbewerbsfähigkeit überleben.  Unter welchem Etikett die Reformen letztendlich ausgebaut und umgesetzt werden, spielt für die Zukunft unseres Planeten keine Rolle. Hauptsache es passiert.

Die Konkurrenz schläft nicht

Wo kommt unser Strom der Zukunft her? Wo unsere Energie? Innovative Projekte gibt es schon heute!
Photovoltaikmodule kommen inzwischen meist aus China.© Asia Chang, Unsplash

Das Strategiepapier von Enrico Letta ist auch eine Reaktion auf die wirtschaftlichen Entwicklungen in anderen Teilen der Welt.  Auch außerhalb Europas hat man längst begriffen, dass Nachhaltigkeit und eine bessere Wettbewerbsfähigkeit keine Gegensätze sind. Die USA pumpen Milliarden in ihren „Inflation Reduction Act“ um High-Tech Unternehmen zu unterstützen. Und auch am anderen Ende der Welt ist man nicht untätig. Inzwischen erwirtschaftet China 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes mit Elektroautos, Solaranlagen und anderen Produkten der Cleantech-Industrie.

Europa hat Nachholbedarf. Viel zulange klammert man sich an Verbrennungsmotoren und hält an umwelt- und klimaschädlichen Subventionen fest. Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern wird verzögert, der Ausbau von Erneuerbaren vielerorts blockiert. Stattdessen träumen viele europäische Politiker:innen noch immer von Flugtaxis und Kernfusion. Es ist an der Zeit, aufzuwachen.

Der Beitrag Green Deal: Mission possible? erschien zuerst auf WWF Blog.